Diese Äußerung des damaligen Werder-Vorsitzenden Bernhard Stake aus dem April 1933 sowie ähnliche Aussagen in der seit 1911 herausgegebenen Mitgliederzeitung, den Vereinsnachrichten ( VN ), erzeugen das Bild eines Vereins, der sich gegenüber den damals neuen nationalsozialistischen Machthabern äußerst anpassungswillig zeigte. Der Historiker Nils Havemann erklärte den SV Werder aus diesem Grund sogar zu einem „NS-Vorzeigeverein“ 2.
In diesem Beitrag wird die Rolle des Sport-Vereins Werder von 1899 (im Folgenden: SV Werder) vor allem zu Beginn des Dritten Reichs untersucht. Im Speziellen geht es darum, wie schnell sich der Verein an die nationalsozialistischen Machthaber und deren Ideologie angepasst hat und ob diese Anpassung in vorauseilendem Gehorsam oder eher als im Sinne des Vereinserhalts unvermeidbare Reaktion auf die neuen Verhältnisse geschah. Dazu werden verschiedene Bereiche des Vereinslebens wie Versammlungen, Veranstaltungen, die Mitgliederzeitung und die Rolle des „Führerprinzips“ und der „Vereinsführer“ beleuchtet. Zudem wird auf den „Arierparagrafen“ in der Vereinssatzung und den Ausschluss jüdischer Mitglieder bei Werder eingegangen.
Der Text bietet dabei zunächst einen kurzen Abriss der Vereinsgeschichte von Werder zwischen 1899 und 1933. Im Hauptteil wird dann die Anpassung des SV Werder an die politischen Veränderungen nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten anhand von verschiedenen Quellen zur Vereinsgeschichte untersucht. Der Untersuchungszeitraum dieser Arbeit ist dabei auf die Phase zwischen 1933 und 1936 begrenzt. In jenen Jahren genossen Sportvereine im Deutschen Reich noch einen gewissen Spielraum in der Gestaltung des Vereinslebens. Nach den Olympischen Spielen 1936 in Berlin wurde diese Freiheit mehr und mehr eingegrenzt und war spätestens ab 1940 marginalisiert.
Forschungsstand und Quellenlage
Für die Beschäftigung mit der Vereinshistorie Werder Bremens findet man in der Chronik zum 90-jährigen Vereinsjubiläum eine gute Basis vor. 3Darin bieten die Autoren Wallenhorst und Klingebiel sowie Letzterer auch mit seinen weiteren Publikationen 4einen sehr vielschichtigen und durchaus kritischen Einblick. Im WUSEUM ist darüber hinaus eine Darstellung der mittlerweile 120-jährigen Vereinshistorie inklusive einer Dauerausstellung zu jüdischen Sportlern bei Werder Bremen zu besichtigen.
Der vorliegende Aufsatz basiert jedoch weniger auf Sekundärliteratur als vielmehr auf einer Untersuchung verschiedener Quellen zur Geschichte des SV Werder während des Dritten Reichs. Durch die Zerstörung der Geschäftsstelle des Vereins am 18./19. August 1944 ist ein großer Teil der vereinsinternen Akten allerdings leider nicht mehr verfügbar. Protokollbücher, Mitgliederverzeichnisse und Unterlagen zur internen Kommunikation hätten einen Einblick in den Vereinsalltag erleichtert. Die vorliegende Arbeit bedient sich daher im Wesentlichen an staatlichen Standorten gelagerter Akten. Das Vereinsregister (VR) am Amtsgericht Bremen (AGB) beinhaltet die Vereinssatzungen, Protokolle von Mitglieder- und Generalversammlungen sowie die Korrespondenz des Vereins mit dem Amtsgericht. Darüber hinaus liefern die Entnazifizierungsakten von Vereinsfunktionären und die Wiedergutmachungsakten von jüdischen Mitgliedern Informationen rund um verschiedene damalige Vereinsmitglieder. Die bedeutendste Quelle stellen allerdings die Vereinsnachrichten ( VN ) aus dem Vereinsarchiv des SV Werder Bremen (VAWB) dar, da diese sowohl Einblicke in das Vereinsleben ermöglichen als auch Rückschlüsse auf die Außendarstellung und Mitgliederbindung des Vereins zulassen.
Bei allen untersuchten Quellen (mit Ausnahme der Entnazifizierungs- und Wiedergutmachungsakten) muss bedacht werden, dass es sich hier nicht um interne Dokumente handelte, sondern auch immer mindestens ein beschränkter Kreis an Externen Einblick hatte. Bei den Vereinsnachrichten erscheint dies leicht nachvollziehbar. Doch auch die Protokolle von satzungsändernden Versammlungen mussten an das Amtsgericht geschickt werden, was eine Kontrollmöglichkeit der Vereine durch die Behörden deutlich macht. Es muss in der kritischen Analyse berücksichtigt werden, dass die untersuchten Dokumente in diesem Wissen verfasst wurden. Daher ist immer eine gewisse Vorsicht vor voreiligen Rückschlüssen geboten, denn es kann nicht mit absoluter Sicherheit gesagt werden, ob Versammlungen tatsächlich so abliefen wie in den Protokollen niedergeschrieben und ob der Vereinsalltag tatsächlich in der Art und Weise stattfand, wie es in den Vereinsnachrichten dargestellt wurde.
Neben der Auswertung der Primärquellen und Sekundärliteratur sind zudem die Ergebnisse früherer akademischer Ausarbeitungen des Autors in diese Arbeit eingegangen. 5
Werder im Kaiserreich (1899–1918)
Nachdem der Fußball bereits in den 1870er Jahren aus England nach Deutschland gekommen war, begann das Spiel mit dem runden Leder hierzulande vor allem ab ca. der 20. Jahrhundertwende mit einer zunehmenden Zahl an Vereinsgründungen allmählich Fuß zu fassen. Der Durchbruch sollte ihm während des wilhelminischen Kaiserreichs in Deutschland allerdings noch nicht gelingen. Bis in die frühen Jahre der Weimarer Republik mussten die Kicker um Anerkennung kämpfen. Das Turnen der „Turnvater Jahn“-Bewegung war die favorisierte Sportart und Fußball aus ästhetischen Gründen als „Fußlümmelei“ verpönt. 6
Ausschnitt aus der ersten schriftlich überlieferten, auf der Generalversammlung am 12. März 1912 genehmigten Satzung mit dem „heiklen“ Gründungsdatum (Quelle: Vereinsregister Amtsgericht Bremen, 173, Nr. 4)
Der „Fußball-Verein Werder“ (im Folgenden: FV Werder) wurde 1899 von Schülern der Realschule C. W. Debbe gegründet, wobei das exakte Datum ein wenig strittig ist: Einige frühere Satzungen (namentlich die von 1912, 1931, 1932 und 1933) nennen den 1. Februar, laut den meisten anderen Quellen inklusive der offiziellen Vereinsdarstellung trug sich das historische Ereignis jedoch erst drei Tage später zu, am 4. Februar. 7
Keinen Zweifel indes gibt es daran, dass die Mitgliederzahl bereits bis Sommer 1899 auf vierzig bis fünfzig anwuchs. 8In den ersten Jahren war man vorwiegend mit dem Aufbau von Vereinsstrukturen beschäftigt. Dies schloss bezüglich der Spielstätte mehrmalige Umzüge ein, vom „Kuhhirten“ auf dem Stadtwerder ging es auf das Neuenlander Feld und weiter auf die Huckelriede. 1913 wurde mit dem Bau einer Tribüne an der Huckelriede begonnen, die allerdings im November 1916 durch starken Wind zerstört wurde. Die Werderaner durften daraufhin größere Veranstaltungen vorübergehend auf dem Tribünenplatz ihres Stadtrivalen BSC am Peterswerder durchführen.
Im FV Werder stand neben dem Sport auch die Geselligkeit und Freundschaft der Mitglieder im Vordergrund. In Rückblicken wurde oft an „feuchtfröhliche“ 9Bierabende in den Anfangsjahren des Vereins erinnert. In sportlicher Hinsicht war der FV Werder derweil seit seiner Gründung einer der besten Bremer Vereine, auch bedingt durch den Beitritt einiger spielstarker Kicker aus den Niederlanden und aus Großbritannien. 10Die Erfolge bestanden in Bremer Stadtmeisterschaften sowie dem Aufstieg als erster Bremer Verein in die höchste Spielklasse des Norddeutschen Fußball-Verbands (NFV) im Jahr 1913.
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