Das letzte Kapitel enthält Schlussworte, die fünf Regeln für eine Erziehung zur Konsumkompetenz einbeziehen (
Kap. 9).
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Eltern sind nicht allein verantwortlich
Der Konsum von Alkohol, Tabak und anderen Drogen ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Viele gesellschaftliche Anlässe sind geprägt vom Konsum dieser stimulierenden Substanzen. Vorneweg der Alkohol, der wie selbstverständlich z. B. bei festlichen Anlässen im privaten wie im beruflichen Bereich dazugehört und es schon förmlich einer Entschuldigung bedarf, wenn man auf Alkohol verzichten möchte. So ist es auch naheliegend, dass die Verantwortung des Erlernens eines bewussten Umgangs mit Alkohol und anderen Drogen nicht allein bei den Eltern liegen kann. Natürlich kommt den Eltern als direktes Vorbild für ihre Kinder eine zentrale Bedeutung zu, aber die alltägliche Konfrontation unserer Kinder und Jugendlichen damit, verlangt auch eine allgemein gesellschaftliche Verantwortung. Diese zeigt sich in den politischen Entscheidungen für Präventionsmaßnahmen struktureller Art wie z. B. Nichtraucherschutzgesetz und in kommunikativer Form wie z. B. direkter Präventionsangebote in Kita und Schule. Insofern können Eltern sich zwar nicht zurücklehnen in puncto Erziehung zum verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol und Drogen, aber sie sind auch nicht allein gelassen und können Unterstützung einfordern, um sich diesen weitreichenden Aufgaben zu stellen.
1.1 Gesellschaftlicher Umgang mit Alkohol und Drogen
Der Gebrauch von Substanzen erfüllt viele Funktionen wie z. B. Genuss, Zugehörigkeit, Entspannung oder auch Belohnung. Darüber hinaus kann mit dem Konsum auch ein bestimmter Lebensstil ausgedrückt werden, der sich häufig im Jugendalter entwickelt und im Erwachsenenalter manifestiert. Um hier im Sinne eines gesundheitsbewussten Lebensstils die Heranwachsenden zu begleiten, sollten der gesamtgesellschaftliche Einfluss sowie die multifaktoriellen Entstehungsbedingungen von Verhaltensweisen bedacht werden, auf die im Laufe des Buches eingegangen wird.
Der gesellschaftliche Umgang lässt sich anhand aktueller Konsumzahlen sehr gut ablesen. Entsprechend des Drogen- und Suchtberichts der Bundesregierung von 2019 konsumieren in Deutschland 7,8 Millionen Menschen Alkohol in gesundheitsschädigender Form, ca. 25 % der Erwachsenen sind episodische Rauschtrinker_innen, 1,3 Millionen gelten als alkoholabhängige und 73.000 Menschen sterben jährlich an den Folgen von Alkoholmissbrauch. Dazu kommen nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich ca. 150.000 Menschen, die vorzeitig an den direkten Folgen des Tabakrauches sterben sowie 3300 an den Folgen des Passivrauchens, während ungefähr ein Viertel der Erwachsenen in Deutschland raucht. Bezogen auf den übermäßigen Konsum illegaler Drogen werden jährlich 150.000 Menschen stationär behandelt, und im Jahr 2016 starben 1333 Menschen durch illegale Drogen.
Nahezu täglich werden wir in unserer westeuropäischen Gesellschaft mit dem Alkohol konfrontiert. In vielen sozialen und kulturellen Anlässen ist der Alkoholkonsum so integriert, dass ein abstinentes Verhalten als abweichend erlebt wird und einer besonderen Begründung bedarf. Neben dem Genuss wird der Alkohol auch häufig zum Stressabbau konsumiert und das in allen Bevölkerungsschichten und nicht nur im Jugendalter, sondern gerade auch im höheren Erwachsenenalter. So stellte das Robert Koch-Institut im Jahr 2017 fest, dass insbesondere die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen regelmäßig zu viel trinkt. Der riskante Alkoholkonsum liegt in dieser Gruppe bei einem Anteil von 19,2 %, während bei den über 65-Jährigen 15 % riskant konsumieren und bei der Gruppe der 33- bis 44-Jährigen 12,3 % regelmäßig zu viel trinken. Diese Zahlen zeigen die Akzeptanz von Alkohol bis ins höhere Alter, trotz der bekannten gesundheitlichen Folgen. Kinder und Jugendliche wachsen also in einer Gesellschaft heran, die den Alkoholkonsum vorlebt. Auch die Alkoholwerbung spricht insbesondere junge Menschen an und »gibt sich betont jugendlich« (Seitz, 2018, S. 111). Nach dem Motto »jung, schön und frei« investierte die Alkoholindustrie allein im Jahr 2015 544 Millionen Euro (ebd., S. 106) und verwendete dabei jugendorientierte Musik, lebhafte Handlungen und effektvolle Farben. Die Gesundheitsrisiken und Gefahren werden dabei komplett ausgeblendet, obwohl zahlreiche Studien darauf hinweisen. Mediziner_innen belegen, dass über 200 Krankheiten durch einen riskanten Alkoholkonsum ausgelöst werden können: von Herz-Kreislauf-Problemen über psychischen Erkrankungen bis zu verschiedenen Arten von Krebs. Allein für Deutschland zeigt die Global Burden-of-Disease-Studie rund 47.000 Todesfälle im Zusammenhang mit Alkohol. Darüber hinaus ist ein Viertel aller Gewaltdelikte von alkoholisierten Täter_innen im Jahr 2018 begangen worden, während 13 % aller Unfälle mit tödlichem Ausgang aufgrund von übermäßigem Alkoholkonsum erfolgten. Entsprechend der Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) liegt die »risikoarme Schwellendosis« für Männer bei 24 Gramm Alkohol pro Tag, das ist ca. ein halber Liter Bier bzw. ein Viertel Liter Wein. Für Frauen gilt die Hälfte, da der Alkohol aufgrund des niedrigen Wasseranteils im Körper der Frau schneller eine höhere Konzentration erreicht und gleichzeitig das für den Alkoholabbau erforderliche Enzym in geringerer Menge produziert wird, d. h. der Alkohol länger im Körper bleibt (ebd., S. 53). Die DHS ergänzt die Angaben für einen risikoarmen Konsum noch mit dem Hinweis, dass man wöchentlich wenigstens zwei alkoholfreie Tage einlegen sollte.

Aufgrund jahrelanger Arbeit im Bereich der Alkoholprävention ist meine persönliche Empfehlung folgende: Versuche es als »Dunkel- und Wochenendtrinker«! Das bedeutet genussvoller Konsum am Abend und möglichst nur am Wochenende, idealerweise auch nicht jedes Wochenende, sondern am ehesten bei Feierlichkeiten oder besonderen Anlässen. Natürlich gibt es auch mal Ausnahmen wie z. B. im Urlaub. Wobei es wichtig ist, den Unterschied zwischen Genuss und Trunkenheit zu erkennen und zwischendurch auch Wasser zu trinken. Dazu mehr in Kapitel 4 »Weniger Alkohol – mehr Genuss«. Dort wird es dann auch um Jugendliche gehen, denn die Empfehlung hier ist für Erwachsene gedacht (
Kap. 4).
Einen bewussten Umgang mit Alkohol zu pflegen, bleibt jedem bislang selbst überlassen. Gleichwohl gibt es eine Reihe weiterer Empfehlungen im Sinne der ›Punktnüchternheit‹. Das bedeutet, in folgenden Situationen sollte man ganz auf Alkohol verzichten:
auf der Arbeit,
im Straßenverkehr,
beim Bedienen von Maschinen,
beim Sport/beim Schwimmen,
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