Gertrude Aretz
Glanz und Untergang der Familie Napoleons
e-artnow, 2022
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EAN 4064066499815
Erstes Kapitel. Die Mutter Erstes Kapitel. Die Mutter Inhaltsverzeichnis
Zweites Kapitel. Joseph und Julie Die Brüder
Drittes Kapitel. Lucien und seine beiden Frauen: Christine und Alexandrine
Viertes Kapitel. Louis und Hortense
Fünftes Kapitel. Jérôme und Katharina
Sechstes Kapitel. Elisa und Felix Baciocchi
Siebentes Kapitel. Pauline, General Leclerc und Fürst Borghese
Achtes Kapitel. Karoline und Joachim Murat
Nachwort
Erstes Kapitel. Die Mutter
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel. Die Mutter Erstes Kapitel. Die Mutter Inhaltsverzeichnis Zweites Kapitel. Joseph und Julie Die Brüder Drittes Kapitel. Lucien und seine beiden Frauen: Christine und Alexandrine Viertes Kapitel. Louis und Hortense Fünftes Kapitel. Jérôme und Katharina Sechstes Kapitel. Elisa und Felix Baciocchi Siebentes Kapitel. Pauline, General Leclerc und Fürst Borghese Achtes Kapitel. Karoline und Joachim Murat Nachwort
Letizia Bonaparte war bestimmt, einem Geschlechte von Fürsten das Leben zu geben. In allen Lebenslagen, selbst auf der höchsten Stufe des Glanzes, blieb sie immer dieselbe. Sie ist von den Geschichtsschreibern der napoleonischen Ära meist stiefmütterlich behandelt worden. Aber gerade sie, die Charakterstarke, deren Leben fast ein Jahrhundert währte, verdient, eingehender gewürdigt zu werden.
Über ihr Geburtsjahr ist viel gestritten worden. Der Wahrheit am nächsten kommt wohl der 24. August 1749. Ihre Wiege stand gleich der ihres Mannes Carlo Bonaparte in Ajaccio. Letizia entstammt dem Patriziergeschlecht der Ramolino, die ebenfalls, wie die Bonaparte, aus Norditalien in Korsika eingewandert waren. Später hatten sie sich mit einer der reichsten italienischen Adelsfamilien, dem gräflichen Geschlechte der Collalto, durch Heirat verbunden.
Im frühen Kindesalter wurde Letizia vaterlos. Ihre Mutter, eine geborene de Pietra Santa, verheiratete sich jedoch 1757 in zweiter Ehe mit dem aus Basel gebürtigen Hauptmann eines Schweizerregiments, das in genuesischen Diensten stand. Er hieß François Fesch. Aus dieser Verbindung ging der spätere Kardinal Joseph Fesch hervor, dem Letizia, als die Eltern früh starben, eine zweite Mutter wurde.
Sie galt für das schönste Mädchen in Ajaccio. In ihrem dreizehnten Jahre hatte sie sich bereits zur vollendeten Schönheit entwickelt, wie man das häufig bei korsischen Frauen antrifft. Sie war mittelgroß und wohlgestaltet in den Formen, deren jugendliche Anmut mit der ganzen Erscheinung prächtig harmonierte. Hände und Füße waren zierlich und feingegliedert: ein Merkmal, das auch ihrem Sohn Napoleon eigen war. Der Mund, vielleicht etwas herb im Ausdruck, aber formvollendet im Schwunge der Lippen, barg zwei Reihen perlenähnlicher Zähne; wenn er sich zum Lächeln verzog, war er bezaubernd. Das etwas vorgeschobene Kinn deutete auf Energie – ganz wie beim Sohne. Prachtvolle kastanienbraune Zöpfe schmückten den klassisch geformten Kopf, dem die dunklen Augen mit den langen Wimpern, und die schmale, gebogene Nase den edelsten Ausdruck verliehen. Alle ihre Züge und Glieder verband die wundervollste Harmonie. Napoleon selbst sagte später auf Sankt Helena: »Meine Mutter hatte ebensoviel Tugenden als weibliche Reize: sie war das Glück ihres Mannes, und ihre Kinder liebten sie zärtlich.«
Vom physiologischen Standpunkt aus aber war die Heirat Letizias mit Carlo Bonaparte verfrüht. Sie fand am 2. Juni 1764 in Ajaccio statt: der Bräutigam war achtzehn, die Braut vierzehn Jahre alt. Die ersten drei Kinder, die die junge Frau dem Gatten gebar, hatten teils überhaupt keine Lebensfähigkeit, teils starben sie im zarten Kindesalter. Von den dreizehn Kindern aus Letizias einundzwanzigjähriger Ehe blieben nur die acht am Leben, die sie zwischen der Blüte der Jugend und der höchsten Entwicklung als Frau zur Welt brachte.
Sie war ihren Kindern eine vortreffliche Mutter mit einem großen, erhabenen Herzen voll Güte und Stolz. Sie ließ keinen ihrer Fehler durchgehen, sondern strafte, wenn es sein mußte, oft recht hart. Carlo, den Geschäfte und Vergnügungen häufig fern von seiner Familie hielten, suchte bisweilen die Unarten der Kinder zu entschuldigen, aber Letizia ließ sich in dieser Beziehung nicht dreinreden. »Laß das meine Sorge sein«, sagte sie dann zu ihrem Gatten in halb vorwurfsvollem, halb gebieterischem Tone, » ich habe über sie zu wachen!« Und sie wachte im wirklichen Sinne des Wortes mit unvergleichlicher Sorgfalt über die ersten Eindrücke ihrer Kinder. »Alle niedrigen Gefühle in uns wurden beseitigt«, sagte Napoleon, »denn sie verabscheute sie. Nur das Große, Erhabene ließ sie an ihre Kinder herantreten. Sie hatte die größte Abneigung gegen die Lüge, wie gegen alles, was auch nur den Schein einer niedrigen Gesinnung an sich trug. Sie wußte zu strafen und zu belohnen. Sie beobachtete alles bei ihren Kindern.« Letizia Bonaparte war eine wirkliche Mutter, eine echte Korsin. Der Name »Madame Mère«, den sie unter dem Kaiserreich offiziell erhielt, hätte für sie nicht besser gewählt werden können: er entspricht durchaus dem bescheidenen Wesen, das die Kaisermutter stets bewahrte. Die Erziehung freilich, die Letizia ihren Kindern zur Ausbildung ihrer geistigen Fähigkeiten geben konnte, war äußerst mangelhaft. Dafür gab sie ihnen etwas mit auf den Lebensweg, das keins von ihnen unbenutzt gelassen hat: die Erkenntnis der Notwendigkeit, stets zueinander zu halten, um hoch zu kommen! »Du starke und gute Frau, du Vorbild aller Mütter!« ruft Joseph Bonaparte später aus; »wieviel Dank schulden dir deine Kinder für das Beispiel, das du ihnen gegeben!«
Im Hause ihres Onkels Arrighi di Casanova in Corte, wo Carlo, um Paoli näher zu sein, sein Heim aufgeschlagen hatte, gebar Letizia am 7. Januar 1768 ihr erstes lebensfähiges Kind, Joseph. Nicht lange nach ihrer Niederkunft folgte sie ihrem Manne ins Feld, entschlossen zum Kampfe für die Freiheit des Vaterlandes. Jeder, der in Korsika imstande war, Waffen zu tragen, schloß sich den Patrioten an. Männer, Frauen, Kinder, Greise, alle wollten ihr Scherflein Mut zu der guten Sache beisteuern. Der Heldenmut der korsischen Frau konnte zu jener Zeit dem des Mannes gleichgestellt werden. Tapfer ritt oder marschierte Letizia an der Seite Carlos auf den manchmal kaum gangbaren Wegen einher. Ihre Schönheit, ihr sanfter Blick, die feinen Linien ihres edlen Gesichts schienen schlecht zu jener abenteuerlichen Kühnheit zu passen, die sie mit fortriß. Aber die stolze Biegung der Adlernase, die fest zusammengepreßten Lippen, um die ein verachtender Zug schwebte, die wie Feuer aus den dunklen Augen hervorschießenden Blicke deuteten auf eiserne Willenskraft. Unter dieser weißen Frauenstirn türmten sich männliche Gedanken!
Eines Tages war man genötigt, durch den Liamone, einen angeschwollenen Gebirgsstrom, zu reiten. Infolge einer falschen Bewegung verlor Letizias Pferd den Boden unter den Füßen und wurde von der Strömung ein Stück mit fortgerissen. Man rief der in Gefahr schwebenden Frau zu, das Tier preiszugeben, und wollte ihr schwimmend zu Hilfe eilen, sie aber hielt sich mit dem kleinen Joseph im Arme tapfer im Sattel. Es gelang ihr, das Pferd wieder zu beherrschen und glücklich das Ufer zu erreichen. Und dabei stand ihr binnen kurzem eine neue Niederkunft bevor!
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