KÖNIG.
Auf Ihr Geheiß?
KÖNIGIN.
820 Die Kammerfrau zu rufen,
Weil ich nach der Infantin mich gesehnt.
KÖNIG.
Und darum die Begleitung weggeschickt?
Doch dies entschuldigt nur die erste Dame:
Wo war die zwote?
MONDEKAR (welche indessen zurückgekommen ist und sich unter die übrigen Damen gemischt hat, tritt hervor).
Ihre Majestät,
Ich fühle, dass ich strafbar bin –
KÖNIG.
825 Deswegen
Vergönn ich Ihnen zehen Jahre Zeit,
Fern von Madrid darüber nachzudenken.
(Die Marquisin tritt mit weinenden Augen zurück. Allgemeines Stillschweigen. Alle Umstehenden sehen bestürzt auf die Königin.)
KÖNIGIN.
Marquisin, wen beweinen Sie?
(Zum König.) Hab ich
Gefehlt, mein gnädigster Gemahl, so sollte
830Die Königskrone dieses Reichs, wornach
Ich selber nie gegriffen habe, mich
Zum mindesten vor dem Erröten schützen.
Gibt’s ein Gesetz in diesem Königreich,
Das vor Gericht Monarchentöchter fordert?
835Bloß Zwang bewacht die Frauen Spaniens?
Schützt sie ein Zeuge mehr als ihre Tugend?
Und jetzt Vergebung, mein Gemahl. – Ich bin
Es nicht gewohnt, die mir mit Freude dienten,
In Tränen zu entlassen. – Mondekar!
(Sie nimmt ihren Gürtel ab und überreicht ihn der Marquisin.)
840Den König haben Sie erzürnt – nicht mich –
Drum nehmen Sie dies Denkmal meiner Gnade
Und dieser Stunde. – Meiden Sie das Reich –
[35]Sie haben nur in Spanien gesündigt;
In meinem Frankreich wischt man solche Tränen
845Mit Freuden ab. – O muss mich’s ewig mahnen?
(Sie lehnt sich an die Oberhofmeisterin und bedeckt das Gesicht.)
In meinem Frankreich war’s doch anders.
KÖNIG (in einiger Bewegung).
Konnte
Ein Vorwurf meiner Liebe Sie betrüben?
Ein Wort betrüben, das die zärtlichste
Bekümmernis auf meine Lippen legte?
(Er wendet sich gegen die Grandezza.)
850Hier stehen die Vasallen meines Throns!
Sank je ein Schlaf auf meine Augenlider,
Ich hätte denn am Abend jedes Tags
Berechnet, wie die Herzen meiner Völker
In meinen fernsten Himmelsstrichen schlagen? –
855Und sollt ich ängstlicher für meinen Thron,
Als für die Gattin meines Herzens beben? –
Für meine Völker kann mein Schwert mir haften
Und – Herzog Alba: dieses Auge nur
Für meines Weibes Liebe.
KÖNIGIN.
Wenn ich Sie
Beleidigt habe, mein Gemahl –
KÖNIG.
860 Ich heiße
Der reichste Mann in der getauften Welt;
Die Sonne geht in meinem Staat nicht unter –
Doch alles das besaß ein andrer schon,
Wird nach mir mancher andre noch besitzen.
865Das ist mein eigen. Was der König hat,
Gehört dem Glück – Elisabeth dem Philipp.
Hier ist die Stelle, wo ich sterblich bin.
KÖNIGIN.
Sie fürchten, Sire?
KÖNIG.
Dies graue Haar doch nicht?
Wenn ich einmal zu fürchten angefangen,
Hab ich zu fürchten aufgehört –
(Zu den Granden.)870 Ich zähle
[36]Die Großen meines Hofs – der erste fehlt.
Wo ist Don Karlos, mein Infant?
(Niemand antwortet.) Der Knabe
Don Karl fängt an mir fürchterlich zu werden.
Er meidet meine Gegenwart, seitdem
875Er von Alkalas hoher Schule kam.
Sein Blut ist heiß, warum sein Blick so kalt?
So abgemessen festlich sein Betragen?
Seid wachsam. Ich empfehl es Euch.
ALBA.
Ich bin’s.
Solang ein Herz an diesen Panzer schlägt,
880Mag sich Don Philipp ruhig schlafen legen.
Wie Gottes Cherub vor dem Paradies,
Steht Herzog Alba vor dem Thron.
LERMA.
Darf ich
Dem weisesten der Könige in Demut
Zu widersprechen wagen? – Allzu tief
885Verehr ich meines Königs Majestät,
Als seinen Sohn so rasch und streng zu richten.
Ich fürchte viel von Karlos’ heißem Blut,
Doch nichts von seinem Herzen.
KÖNIG.
Graf von Lerma,
Ihr redet gut den Vater zu bestechen:
890Des Königs Stütze wird der Herzog sein –
Nichts mehr davon –
(Er wendet sich gegen sein Gefolge.)
Jetzt eil ich nach Madrid.
Mich ruft mein königliches Amt. Die Pest
Der Ketzerei steckt meine Völker an,
Der Aufruhr wächst in meinen Niederlanden.
895Es ist die höchste Zeit. Ein schauerndes
Exempel soll die Irrenden bekehren.
Den großen Eid, den alle Könige
Der Christenheit geloben, lös ich morgen.
Dies Blutgericht soll ohne Beispiel sein;
900Mein ganzer Hof ist feierlich geladen.
(Er führt die Königin hinweg, die Übrigen folgen.)
DON KARLOS mit Briefen in der Hand, MARQUIS VON POSA, kommen von der entgegengesetzten Seite.
KARLOS.
Ich bin entschlossen. Flandern sei gerettet.
Sie will es – das ist mir genug.
MARQUIS.
Auch ist
Kein Augenblick mehr zu verlieren. Herzog
Von Alba, sagt man, ist im Kabinett
Bereits zum Gouverneur ernannt.
KARLOS.
905 Gleich morgen
Verlang ich Audienz bei meinem Vater.
Ich fordre dieses Amt für mich. Es ist
Die erste Bitte, die ich an ihn wage.
Er kann sie mir nicht weigern. Lange schon
910Sieht er mich ungern in Madrid. Welch ein
Willkommner Vorwand mich entfernt zu halten!
Und – soll ich dir’s gestehen, Roderich?
Ich hoffe mehr – Vielleicht gelingt es mir,
Von Angesicht zu Angesicht mit ihm,
915In seiner Gunst mich wiederherzustellen.
Er hat noch nie die Stimme der Natur
Gehört – Lass mich versuchen, Roderich,
Was sie auf meinen Lippen wird vermögen.
MARQUIS.
Jetzt endlich hör ich meinen Karlos wieder!
Jetzt sind Sie wieder ganz Sie selbst.
VORIGE. GRAF LERMA.
LERMA.
920 Soeben
Hat der Monarch Aranjuez verlassen.
Ich habe den Befehl –
KARLOS.
Schon gut, Graf Lerma,
Ich treffe mit dem König ein.
[38]MARQUIS (macht Miene sich zu entfernen. Mit einigem Zeremoniell).
Sonst haben
Mir Eure Hoheit nichts mehr aufzutragen?
KARLOS.
925Nichts, Chevalier. Ich wünsche Ihnen Glück
Zu Ihrer Ankunft in Madrid. Sie werden
Noch mehreres von Flandern mir erzählen.
(Zu Lerma, welcher noch wartet.)
Ich folge gleich.
(Graf Lerma geht ab.)
DON KARLOS. Der MARQUIS.
KARLOS.
Ich habe dich verstanden.
Ich danke dir. Doch diesen Zwang entschuldigt
930Nur eines Dritten Gegenwart. Sind wir
Nicht Brüder? – Dieses Possenspiel des Ranges
Sei künftighin aus unserm Bund verwiesen!
Berede dich, wir beide hätten uns
Auf einem Ball mit Masken eingefunden,
935In Sklavenkleider du, und ich aus Laune
In einen Purpur eingemummt. Solange
Der Fasching währt, verehren wir die Lüge,
Der Rolle treu mit lächerlichem Ernst,
Den süßen Rausch des Haufens nicht zu stören.
940Doch durch die Larve winkt dein Karl dir zu,
Du drückst mir im Vorübergehn die Hände,
Und wir verstehen uns.
MARQUIS.
Der Traum ist göttlich.
Doch wird er nie verfliegen? Ist mein Karl
Auch seiner so gewiss, den Reizungen
945Der unumschränkten Majestät zu trotzen?
Noch ist ein großer Tag zurück – ein Tag –
Wo dieser Heldensinn – ich will Sie mahnen –
In einer schweren Probe sinken wird.
[39]Don Philipp stirbt. Karl erbt das größte Reich
950Der Christenheit. – Ein ungeheurer Spalt
Reißt vom Geschlecht der Sterblichen ihn los,
Und Gott ist heut, wer gestern Mensch noch war.
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