Friedrich Schiller
INFANT VON SPANIEN
Ein dramatisches Gedicht
Saga
Don Carlos Coverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 1787, 2020 Friedrich Schiller und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726630886
1. Ebook-Auflage, 2020
Format: EPUB 3.0
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Philipp der Zweite, König von Spanien
Elisabeth von Valois, seine Gemahlin
Don Carlos, der Kronprinz
Alexander Farnese, Prinz von Parma, Neffe des Königs
Infantin Klara Eugenia, ein Kind von drei Jahren
Herzogin von Olivarez, Oberhofmeisterin
Marquisin von MondekarDamen der Königin
Prinzessin von Eboli Damen der Königin
Gräfin FuentesDamen der Königin
Marquis Von Posa, ein Malteserritter
Herzog von Alba Granden von Spanien
Graf von Lerma, Oberster der Leibwache Granden von Spanien
Herzog von Feria, Ritter des Vlieses Granden von Spanien
Herzog von Medina Sidonia, Admiral Granden von Spanien
Don Raimond von Taxis, Oberpostmeister Granden von Spanien
Domingo, Beichtvater des Königs
Der Großinquisitor des Königreichs
Der Prior eines Kartäuserklosters
Ein Page der Königin
Don Ludwig Merkado, Leibarzt der Königin
Mehrere Damen und Granden, Pagen, Offiziere,
die Leibwache und verschiedene stumme Personen
Der königliche Garten in Aranjuez.
Carlos, Domingo.
domingo:
Die schönen Tage in Aranjuez
Sind nun zu Ende. Eure Königliche Hoheit
Verlassen es nicht heiterer. Wir sind
Vergebens hier gewesen. Brechen Sie
Dies rätselhafte Schweigen. Öffnen Sie
Ihr Herz dem Vaterherzen, Prinz. Zu teuer
Kann der Monarch die Ruhe seines Sohns –
Des einz’gen Sohns – zu teuer nie erkaufen.
Carlos sieht zur Erde und schweigt.
Wär noch ein Wunsch zurücke, den der Himmel
Dem liebsten seiner Söhne weigerte?
Ich stand dabei, als in Toledos Mauern
Der stolze Karl die Huldigung empfing,
Als Fürsten sich zu seinem Handkuß drängten
Und jetzt in einem – einem Niederfall
Sechs Königreiche ihm zu Füßen lagen –
Ich stand und sah das junge stolze Blut
In seine Wangen steigen, seinen Busen
Von fürstlichen Entschlüssen wallen, sah
Sein trunknes Aug’ durch die Versammlung fliegen,
In Wonne brechen – Prinz, und dieses Auge
Gestand: Ich bin gesättigt.
Carlos wendet sich weg. Dieser stille
Und feierliche Kummer, Prinz, den wir
Acht Monde schon in Ihren Blicken lesen,
Das Rätsel dieses ganzen Hofs, die Angst
Des Königreichs, hat Seiner Majestät
Schon manche sorgenvolle Nacht gekostet,
Schon manche Träne Ihrer Mutter.
carlos dreht sich rasch um: Mutter?
– O Himmel, gib, daß ich es dem vergesse,
Der sie zu meiner Mutter machte!
domingo: Prinz?
carlos besinnt sich und fährt mit der Hand über die Stirne:
Hochwürd’ger Herr – ich habe sehr viel Unglück
Mit meinen Müttern. Meine erste Handlung,
Als ich das Licht der Welt erblickte, war
Ein Muttermord.
domingo: Ist’s möglich, gnäd’ger Prinz?
Kann dieser Vorwurf Ihr Gewissen drücken?
carlos:
Und meine neue Mutter – hat sie mir
Nicht meines Vaters Liebe schon gekostet?
Mein Vater hat mich kaum geliebt. Mein ganzes
Verdienst war noch, sein Einziger zu sein.
Sie gab ihm eine Tochter – O, wer weiß,
Was in der Zeiten Hintergrunde schlummert?
domingo:
Sie spotten meiner, Prinz. Ganz Spanien
Vergöttert seine Königin. Sie sollten
Nur mit des Hasses Augen sie betrachten?
Bei ihrem Anblick nur die Klugheit hören?
Wie, Prinz? Die schönste Frau auf dieser Welt
Und Königin – und ehmals Ihre Braut?
Unmöglich, Prinz! Unglaublich! Nimmermehr!
Wo alles liebt, kann Karl allein nicht hassen;
So seltsam widerspricht sich Carlos nicht.
Verwahren Sie sich, Prinz, daß sie es nie,
Wie sehr sie ihrem Sohn mißfällt, erfahre;
Die Nachricht würde schmerzen.
carlos: Glauben Sie?
domingo:
Wenn Eure Hoheit sich des letzteren
Turniers zu Saragossa noch entsinnen,
Wo unsern Herrn ein Lanzensplitter streifte –
Die Königin mit ihren Damen saß
Auf des Palastes mittlerer Tribüne
Und sah dem Kampfe zu. Auf einmal rief’s:
„Der König blutet!“ – Man rennt durcheinander,
Ein dumpfes Murmeln dringt bis zu dem Ohr
Der Königin. „Der Prinz?“ ruft sie und will –
Und will sich von dem obersten Geländer
Herunterwerfen. – „Nein! Der König selbst!“
Gibt man zur Antwort – „So laßt Ärzte holen!“
Erwidert sie, indem sie Atem schöpfte.
Nach einigem Stillschweigen.
Sie stehen in Gedanken?
carlos: Ich bewundre
Des Königs lust’gen Beichtiger, der so
Bewandert ist in witzigen Geschichten.
Ernsthaft und finster.
Doch hab ich immer sagen hören, daß
Gebärdenspäher und Geschichtenträger
Des Übels mehr auf dieser Welt getan,
Als Gift und Dolch in Mörders Hand nicht konnten.
Die Mühe, Herr, war zu ersparen. Wenn
Sie Dank erwarten, gehen Sie zum König.
domingo:
Sie tun sehr wohl, mein Prinz, sich vorzusehn
Mit Menschen – nur mit Unterscheidung. Stoßen
Sie mit dem Heuchler nicht den Freund zurück.
Ich mein es gut mit Ihnen.
carlos: Lassen Sie
Das meinen Vater ja nicht merken. Sonst
Sind Sie um Ihren Purpur 1 .
domingo stutzt: Wie?
carlos: Nun ja.
Versprach er Ihnen nicht den ersten Purpur,
Den Spanien vergeben würde?
domingo: Prinz,
Sie spotten meiner.
carlos: Das verhüte Gott,
Daß ich des fürchterlichen Mannes spotte,
Der meinen Vater seligsprechen und
Verdammen kann!
domingo: Ich will mich nicht
Vermessen, Prinz, in das ehrwürdige
Geheimnis Ihres Kummers einzudringen.
Nur bitt ich Eure Hoheit, eingedenk
Zu sein, daß dem beängstigten Gewissen
Die Kirche eine Zuflucht aufgetan,
Wozu Monarchen keinen Schlüssel haben,
Wo selber Missetaten unterm Siegel
Des Sakramentes aufgehoben liegen –
Sie wissen, was ich meine, Prinz. Ich habe
Genug gesagt.
carlos: Nein, das sei fern von mir,
Daß ich den Siegelführer so versuchte!
domingo:
Prinz, dieses Mißtraun – Sie verkennen Ihren
Getreusten Diener.
carlos faßt ihn bei der Hand:
Also geben Sie
Mich lieber auf. Sie sind ein heil’ger Mann,
Das weiß die Welt – doch, freiheraus – für mich
Sind Sie bereits zu überhäuft. Ihr Weg,
Hochwürd’ger Vater, ist der weiteste,
Bis Sie auf Peters Stuhle niedersitzen.
Viel Wissen möchte Sie beschweren. Melden
Sie das dem König, der Sie hergesandt.
domingo:
Mich hergesandt? –
carlos: So sagt ich. O, zu gut,
Zu gut weiß ich, daß ich an diesem Hof
Verraten bin – ich weiß, daß hundert Augen
Gedungen sind, mich zu bewachen, weiß,
Daß König Philipp seinen einz’gen Sohn
An seiner Knechte schlechtesten verkaufte
Und jede von mir aufgefangne Silbe
Dem Hinterbringer fürstlicher bezahlt,
Als er noch keine gute Tat bezahlte.
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