560Fernando, und die göttliche Mathilde,
Colonnas Tochter, waren ausersehn,
Dies schöne Band der Einigkeit zu knüpfen.
Nie hat zwei schönre Herzen die Natur
Gebildet füreinander – nie die Welt,
565Nie eine Wahl so glücklich noch gepriesen.
Noch hatte seine liebenswürd’ge Braut
Fernando nur im Bildnis angebetet –
Wie zitterte Fernando, wahr zu finden,
Was seine feurigsten Erwartungen
570Dem Bilde nicht zu glauben sich getrauten!
In Padua, wo seine Studien
Ihn fesselten, erwartete Fernando
Des frohen Augenblickes nur, der ihm
Vergönnen sollte, zu Mathildens Füßen
575Der Liebe erste Huldigung zu stammeln.
(Die Königin wird aufmerksamer. Der Marquis fährt nach einem kurzen Stillschweigen fort, die Erzählung, soweit es die Gegenwart der Königin erlaubt, mehr an die Prinzessin von Eboli gerichtet.)
Indessen macht der Gattin Tod die Hand
Pietros frei. – Mit jugendlicher Glut
Verschlingt der Greis die Stimmen des Gerüchtes,
Das in dem Ruhm Mathildens sich ergoss.
580Er kommt! – Er sieht! – Er liebt! Die neue Regung
[25]Erstickt die leisre Stimme der Natur,
Der Oheim wirbt um seines Neffen Braut,
Und heiligt seinen Raub vor dem Altare.
KÖNIGIN.
Und was beschließt Fernando?
MARQUIS.
Auf der Liebe Flügeln,
585Des fürchterlichen Wechsels unbewusst,
Eilt nach Mirandola der Trunkene.
Mit Sternenschein erreicht sein schnelles Ross
Die Tore – ein bacchantisches Getön
Von Reigen und von Pauken donnert ihm
590Aus dem erleuchteten Palast entgegen.
Er bebt die Stufen scheu hinauf, und sieht
Sich unerkannt im lauten Hochzeitsaale,
Wo in der Gäste taumelndem Gelag
Pietro saß – ein Engel ihm zur Seite,
595Ein Engel, den Fernando kennt, der ihm
In Träumen selbst so glänzend nie erschienen.
Ein einz’ger Blick zeigt ihm, was er besessen,
Zeigt ihm, was er auf immerdar verloren.
EBOLI.
Unglücklicher Fernando!
KÖNIGIN.
Die Geschichte
600Ist doch zu Ende, Chevalier? – Sie muss
Zu Ende sein.
MARQUIS.
Noch nicht ganz.
KÖNIGIN.
Sagten Sie
Uns nicht, Fernando sei Ihr Freund gewesen?
MARQUIS.
Ich habe keinen teurern.
EBOLI.
Fahren Sie
Doch fort in der Geschichte, Chevalier.
MARQUIS.
605 Sie wird sehr traurig – und das Angedenken
Erneuert meinen Schmerz. Erlassen Sie
Mir den Beschluss –
(Ein allgemeines Stillschweigen.)
KÖNIGIN (wendet sich zur Prinzessin von Eboli).
Nun wird mir endlich doch
Vergönnt sein, meine Tochter zu umarmen. –
[26]Prinzessin, bringen Sie sie mir.
(Diese entfernt sich. Der Marquis winkt einem Pagen, der sich im Hintergrunde zeigt und sogleich verschwindet. Die Königin erbricht die Briefe, die der Marquis ihr gegeben, und scheint überrascht zu werden. In dieser Zeit spricht der Marquis geheim und sehr angelegentlich mit der Marquisin von Mondekar. – Die Königin hat die Briefe gelesen, und wendet sich mit einem ausforschenden Blicke zum Marquis.)
Sie haben
610Uns von Mathilden nichts gesagt? Vielleicht
Weiß sie es nicht, wie viel Fernando leidet?
MARQUIS.
Mathildens Herz hat niemand noch ergründet –
Doch große Seelen dulden still.
KÖNIGIN.
Sie sehn sich um? Wen suchen Ihre Augen?
MARQUIS.
615Ich denke nach, wie glücklich ein Gewisser,
Den ich nicht nennen darf, an meinem Platze
Sein müsste.
KÖNIGIN.
Wessen Schuld ist es, dass er
Es nicht ist?
MARQUIS (lebhaft einfallend).
Wie? Darf ich mich unterstehen
Dies zu erklären wie ich will? – Er würde
620Vergebung finden, wenn er jetzt erschiene?
KÖNIGIN (erschrocken).
Jetzt, Marquis? Jetzt? Was meinen Sie damit?
MARQUIS.
Er dürfte hoffen – Dürft er?
KÖNIGIN (mit wachsender Verwirrung).
Sie erschrecken mich
Marquis – Er wird doch nicht –
MARQUIS.
Hier ist er schon.
Die KÖNIGIN. KARLOS. MARQUIS VON POSA und die MARQUISIN VON MONDEKAR treten nach dem Hintergrunde zurück.
KARLOS (vor der Königin niedergeworfen).
So ist er endlich da der Augenblick,
625Und Karl darf diese teure Hand berühren! –
KÖNIGIN.
Was für ein Schritt – Welch eine strafbare,
Tollkühne Überraschung! Stehn Sie auf!
Wir sind entdeckt. Mein Hof ist in der Nähe.
KARLOS.
Ich steh nicht auf – Hier will ich ewig knien.
630Auf diesem Platz will ich verzaubert liegen,
In dieser Stellung angewurzelt –
KÖNIGIN.
Rasender!
Zu welcher Kühnheit führt Sie meine Gnade?
Wie? Wissen Sie, dass es die Königin,
Dass es die Mutter ist, an die sich diese
635Verwegne Sprache richtet? Wissen Sie,
Dass ich – ich selbst von diesem Überfalle
Dem Könige –
KARLOS.
Und dass ich sterben muss!
Man reiße mich von hier aufs Blutgerüste!
Ein Augenblick gelebt im Paradiese
640Wird nicht zu teuer mit dem Tod gebüßt.
KÖNIGIN.
Und Ihre Königin?
KARLOS (steht auf).
Gott! Gott! ich gehe –
Ich will Sie ja verlassen. – Muss ich nicht,
Wenn Sie es also fordern? Mutter! Mutter!
Wie schrecklich spielen Sie mit mir! Ein Wink,
645Ein halber Blick, ein Laut aus Ihrem Munde
Gebietet mir zu sein und zu vergehen.
Was wollen Sie, dass noch geschehen soll?
Was unter dieser Sonne kann es geben,
Das ich nicht hinzuopfern eilen will,
Wenn Sie es wünschen?
KÖNIGIN.
Fliehen Sie.
[28]KARLOS.
650 O Gott!
KÖNIGIN.
Das Einz’ge, Karl, warum ich Sie mit Tränen
Beschwöre – Fliehen Sie! – eh meine Damen –
Eh meine Kerkermeister Sie und mich
Beisammen finden, und die große Zeitung
Vor Ihres Vaters Ohren bringen –
KARLOS.
655 Ich erwarte
Mein Schicksal – es sei Leben oder Tod.
Wie? Hab ich darum meine Hoffnungen
Auf diesen einz’gen Augenblick verwiesen,
Der Sie mir endlich ohne Zeugen schenkt,
660Dass falsche Schrecken mich am Ziele täuschten?
Nein, Königin! Die Welt kann hundertmal,
Kann tausendmal um ihre Pole treiben,
Eh diese Gunst der Zufall wiederholt.
KÖNIGIN.
Auch soll er das in Ewigkeit nicht wieder.
665Unglücklicher! Was wollen Sie von mir?
KARLOS.
O Königin, dass ich gerungen habe,
Gerungen, wie kein Sterblicher noch rang,
Ist Gott mein Zeuge – Königin! Umsonst!
Hin ist mein Heldenmut. Ich unterliege.
KÖNIGIN.
670Nichts mehr davon – um meiner Ruhe willen –
KARLOS.
Sie waren mein – im Angesicht der Welt
Mir zugesprochen von zwei großen Thronen,
Mir zuerkannt von Himmel und Natur,
Und Philipp, Philipp hat mir Sie geraubt –
KÖNIGIN.
Er ist Ihr Vater.
KARLOS.
Ihr Gemahl.
KÖNIGIN.
675 Der Ihnen
Das größte Reich der Welt zum Erbe gibt.
KARLOS.
Und Sie zur Mutter –
KÖNIGIN.
Großer Gott! Sie rasen –
KARLOS.
Und weiß er auch wie reich er ist? Hat er
Ein fühlend Herz, das Ihrige zu schätzen?
680Ich will nicht klagen, nein, ich will vergessen,
[29]Wie unaussprechlich glücklich Ich mit ihr
Geworden wäre – wenn nur Er es ist.
Er ist es nicht – Das, das ist Höllenqual!
Er ist es nicht und wird es niemals werden.
685Du nahmst mir meinen Himmel nur, um ihn
In König Philipps Armen zu vertilgen.
KÖNIGIN.
Abscheulicher Gedanke!
KARLOS.
O ich weiß,
Wer dieser Ehe Stifter war – ich weiß,
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