1 ...6 7 8 10 11 12 ...15 • (1) und (12): Probleme der Integration
• (2) und (11): Probleme der Spannungsbewältigung
• (3) und (10): Probleme der Entscheidungsfindung
• (4) und (9): Kontrollfragen
• (5) und (8): Bewertungsfragen
• (6) und (7): Probleme der Orientierung
Möglicherweise kann diese Analysemethode in ein zukünftiges Instrument zur Eltern-Kind-Interaktionsbeschreibung integriert werden, denn bis heute erfolgt die Beurteilung sprachlichen Verhaltens entweder zu undifferenziert oder zu unsystematisch.
2.5 Zur Methodik der videounterstützten Verhaltensbeobachtung
Verhaltensbeobachtung ohne Videografie wäre als wissenschaftliche Methode in der Gegenwart nur höchst unzulänglich, denn die beobachteten Tatbestände müssten entweder aus dem Gedächtnis repliziert oder aber im Beobachtungsprozess selbst verschriftlicht werden, um einer späteren Analyse zur Verfügung zu stehen. Beides aber unterliegt starken Informationsdefiziten bzw. -verfälschungen. Erst mit der Möglichkeit, Handlungen so zu speichern, dass sie unendlich oft, zeitlich gedehnt oder auch gestaucht und qualitativ verändert (vergrößert, verkleinert, ausgeschnitten usw.) betrachtet werden können, wurde die Verhaltensbeobachtung wissenschaftlich quasi salonfähig. Das Erfordernis der Objektivierbarkeit, also des von der beobachtenden Person unabhängigen Nachvollzugs der Beobachtungs- und Bewertungsprozesse, war damit erfüllt. Der besondere Boom in der Kleinkind-Entwicklungspsychologie hängt vor allem – wie Thiel (2011, S. 793) herausarbeitet – damit zusammen, dass Säuglinge und Kleinkinder ihr Erleben zum größten Teil nicht-sprachlich, sondern durch körperliches Verhalten mitteilen, welches jedoch erstens oft mehrdeutig und zweitens häufig sehr flüchtig ist: »Da die Film- bzw. Videotechnik das Geschehen selbst in einem ikonisch äquivalenten Abbild fixieren kann, ist es möglich, die Fixierung eines auszuwertenden Materials von seiner Auswertung zu trennen« (Thiel, 2011, S. 796). Die Videotechnik ermöglichte es also, weitgehend aus dem Reich der Spekulation in das Reich der Erkenntnis durch Beobachtung zu wechseln. Allerdings stellt die bloß gespeicherte Abbildung noch keinen Erkenntnisprozess dar. Wie und womit das gespeicherte audiovisuelle Material ausgewählt und beurteilt wird, hängt von den Hypothesen sowie den Beobachtungs- und Interpretationsmethoden ab (vgl. auch König, 2013). 8
6 Der hier verwendete Begriff der »Objektivität« ist als Übereinstimmung in der Urteilsbildung durch verschiedene beobachtende Personen zu lesen und nicht zu verwechseln mit dem erkenntnistheoretischen Begriff zur Bestimmung von Wahrheit über den Realität-Abbild-Abgleich.
7 Triangulierung bedeutet, die Validität der Ergebnisse durch Anwendung verschiedener Methoden oder auch Forschungsgruppen zu erhöhen.
8 Zu den erkenntnistheoretischen Auseinandersetzungen und Implikationen sowie zur Geschichte der Videografie vgl. ausführlich Thiel (2004; 2011) und auch Huhn (2005).
Teil II: Interaktionsdiagnostische Verfahren
3 Zur Systematik der interaktionsdiagnostischen Instrumente
Die Beschreibung der Verfahren aber auch deren Systematik folgt verschiedenen Kriterien. Kötter und Nordmann (2003) definieren z. B. folgende Merkmale zur Klassifikation von interaktionszentrierten Diagnoseverfahren.
1. Makro- vs. mikroanalytische Verfahren
Makroanalytische Methoden »beruhen auf langen und damit auch meistens komplexen Kodiereinheiten« (Kötter & Nordmann, 2003, S. 446), die eher auf der »Ebene des Gesamtausdrucks und der Ausprägung/Intensität von Verhaltensmerkmalen im größeren Zeitfenster« (Sidor, 2012, S. 468) angesiedelt sind, während mikroanalytische Verfahren eher kurze und einfache Kodiereinheiten nutzen. Sie »stellen eine sehr detaillierte Analyse der Dauer und Häufigkeiten der Verhaltenskategorien in kurzen Zeitintervallen (meist im Sekundenbereich) dar« (ebd.). Mikroanalytische Verfahren, wie z. B. ICEP (Weinberg & Tronick, 1998), kommen in der Regel wegen ihres hohen Arbeitsaufwandes nur zu Forschungszwecken zum Einsatz, während makroanalytische Verfahren zeitökonomischer und damit praxisnäher sind.
2. Formale oder inhaltsbezogene Kodierung
Formale, also scheinbar inhaltsfreie, Analyseeinheiten sind beispielsweise Unterbrechungen, Redezeit, Anzahl der Äußerungen oder des Blickkontaktes (vgl. in der Übersicht Kötter & Nordmann, 2003, S. 449).
3. Ereignis- vs. zeitbezogene Kodierung
Zeitbezogene (oder intervallartige) Kodierung wird vorgeschlagen, wenn die Interaktionsprozesse schwer überschaubar und sehr komplex sind. Ereignisbezogene Kodierung wird dagegen empfohlen, wenn der Bedeutungsgehalt eine größere Rolle spielt.
4. Setting
Hinsichtlich des Settings lässt sich unterscheiden, ob die Diagnostik in naturalistischer Umgebung oder im Labor erfolgt.
5. Verhalten: inszeniert vs. frei (naturalistisch)
Verfahren können ebenfalls danach differenziert werden, ob die Beteiligten Anweisungen des Versuchsleiters folgen sollen (inszeniert) 9oder ob sie sich in freier und natürlicher Art bewegen und austauschen.
6. Technik der Datenerhebung
Die Datenerhebung kann mithilfe von Fragebogenverfahren, bei denen Selbst- oder Fremdbeurteilungsinstrumente zu unterscheiden sind, oder aber mittels Videoanalyse auf der Basis mehr oder weniger normierter mikro- oder makroanalytischer Kodierverfahren erfolgen.
7. Inhaltliche Dimensionen
Die Verfahren unterscheiden sich in Bezug auf die der Interaktionsbeurteilung zugrundeliegenden Zielstellung. Zunächst ist zu differenzieren zwischen Verfahren, die auf die Erfassung der Kompetenzen einer beteiligten Person mit Hilfe von beobachtbaren Interaktionen zielen. Der Prototyp ist hierfür die Erfassung der mütterlichen Feinfühligkeit mit Hilfe der entsprechenden Skala nach Mary Ainsworth (Grossmann & Grossmann, 2008, S. 116–122). Sodann gibt es Verfahren, die beziehungsrelevante Merkmale der Beteiligten erfassen sollen. Hierfür stehen v. a. der CARE-Index (Crittenden, 2005) sowie die Münchner Klinische Kommunikationsskala MKK (nach Mechthild Papoušek vgl. im Überblick dazu Domogolla, 2006). Und schließlich unternehmen die Autorinnen und Autoren einiger Verfahren den Versuch, die Beziehung »an sich« zu beschreiben, wofür als Prototyp das Eltern-Kind-Interaktionsprofil (EKIP: vorgestellt von Alpermann & Koch, 2007; Ludwig-Körner et al., 2006) stehen dürfte. Die meisten Verfahren jedoch bilden eine Mischung aus kind-, eltern- und beziehungsbeschreibenden Faktoren.
8. Altersspanne des Kindes
Viele Verfahren sind begrenzt auf einen Altersbereich, wie z. B. der CARE-Index oder auch die MKK. Daneben existieren aber auch wenige Verfahren, die ein größeres Altersspektrum – dann meistens modifiziert bezüglich der Interaktionsaufgaben und/oder der Beobachtungkriterien – abdecken. Hierfür steht z. B. die Heidelberger Marschak Interaktionsmethode (H-MIM), die von Marianne Marschak in den USA entwickelt und von Ritterfeld und Franke (1994/2009) für den deutschsprachigen Raum übersetzt und weiterentwickelt worden ist (Franke & Schulte-Hötzel, 2019).
Weitere Kriterien zur Beschreibung und Unterscheidung interaktionsdiagnostischer Instrumente sind die Dauer des Verfahrens, seine Praktikabilität, wozu unter anderem die Durchführungsobjektivität und die Verfügbarkeit (z. B. im deutschsprachigen Raum) zu zählen sind und natürlich die Ausprägung der Gütekriterien (Reliabilität, Objektivität und Validität).
9 sog. Interaktionsaufgaben (vgl. im Überblick Kötter & Nordmann, 2003, S. 441) oder auch das sog. Still-Face-Paradigma (Tronick, Als & Brazelton, 1978; eine praxisnahe Variante des Fremde-Situations-Tests nach M. Ainsworth).
4 Verfahrensübersicht in Steckbriefen
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