Andreas Wollbold - Felapton oder Das letzte Glück

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Fünf junge Männer werden tot in einem Kloster aufgefunden. Fotos von ihren Gesichtern tauchen auf. Sie verstören: Ein letztes Glück liegt auf den Zügen der Toten. Doch diese Bilder lösen ganz unterschiedliche Reaktionen aus. Jack, der Chefredakteur des Day 'nʼ Nite, will damit viel Geld machen. Kommissar Landolf ebenso wie der zuständige Bischof bleiben skeptisch. Jens, der Fotograf der Bilder, und Julia, die gerichtsmedizinisch am Unglücksort ermittelte, gehen dagegen dem Geheimnis der Toten nach und wirbeln dabei manchen Staub auf. Robert, der Leiter der Klostergemeinschaft und zuvor als brillanter Logiker hervorgetreten, bleibt flüchtig. Professor Brescher, sein ehemaliger Kollege und nun Direktor des Instituts für logische Grundlagenforschung, ist offensichtlich mehr in das Unglück verwickelt, als er zugibt. Im Hintergrund agiert eine seltsame Organisation, die die Fäden zu ziehen versucht. In diese äußeren Verwirrungen verwoben sind innere Verwicklungen: die Mühe mit einem klaren Denken, das Lügen und Intrigen durchschaut, und die Suche nach einem glücklichen Leben, das nicht auf Schein gebaut ist. Für all das steht das Titelwort «Felapton». Es ist eine besondere Art der logischen Schlussfolgerung. Sie ist formal zulässig, bringt aber auch Scheinergebnisse hervor. So schillert «Felapton» zwischen Schein und Sein, zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen Vertuschung und Entlarvung.

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Inhalt

Erster Teil

Zweiter Teil

Andreas Wollbold

Felapton

oder

Das letzte Glück

Verlag Karl Alber Freiburg / München

Originalausgabe

© VERLAG KARL ALBER

in der Verlag Herder GmbH, Freiburg / München 2018

Alle Rechte vorbehalten

www.verlag-alber.deSatz und E-Book: SatzWeise GmbH, Trier Printed in Germany ISBN (Buch) 978-3-495-48866-9 ISBN (E-Book) 978-3-495-81866-4

»Et ridebit in die novissimo. – Und am Ende wird sie lachen.« Sprüche Salomos 31,25

Inhalt

Erster Teil

Erstes Kapitel Worin Jens eine Entdeckung macht, die seinen Fotos nicht nur viel Geld einbringt, und worin die Pressemaschine gehörig anläuft

Zweites Kapitel Worin die Presse zeigt, was sie kann, und die Polizei, dass sie nicht jeden zum Reden bringt

Drittes Kapitel Worin Jens in einem noblen Forschungszentrum spioniert und mehr findet, als er gesucht hat

Viertes Kapitel Worin Jens und Julia erstaunlich unverdächtig ins Gespräch kommen

Fünftes Kapitel Worin der Mittelpunkt der Erzählung am Rand steht

Sechstes Kapitel Worin ein Autohändler die groben Seiten der Geschichte enthüllt

Siebtes Kapitel Worin sich Jack in eine große Sache hineinziehen lässt

Achtes Kapitel Worin ein ungläubiger Kommissar und ein vielleicht gläubiger Bischof gleichermaßen an der Welt leiden

Neuntes Kapitel Worin Julia und Jens eine Vorlesung anhören und am Ende die Welt nicht mehr verstehen

Zehntes Kapitel Worin Julia zu spät kommt und dafür belohnt wird

Elftes Kapitel Worin Jens einen unangekündigten zweiten Besuch in der Villa macht und zwei alte Bekannte dort nicht zu Gesicht bekommt

Zwölftes Kapitel Worin ein Landpfarrer auftaucht und mit ihm Gefahr

Dreizehntes Kapitel Worin ein Besuch Julia beinahe dazu verleitet, alles ganz anders zu sehen

Vierzehntes Kapitel Worin sich zeigt, dass Professoren auch kürzer als fünfundvierzig Minuten reden können

Fünfzehntes Kapitel Worin Jens die Stille sucht und nur in Unruhe gestürzt wird

Sechzehntes Kapitel Worin sich zwei Freunde auseinanderreden

Siebzehntes Kapitel Aus für Jens und Julia

Zweiter Teil

Achtzehntes Kapitel Worin Brescher einen Absturz erlebt

Neunzehntes Kapitel Worin eine Kirche nicht nur zum Beten da ist

Zwanzigstes Kapitel Worin Brescher ins Kino geht, aber nur einen Stummfilm sieht

Einundzwanzigstes Kapitel Worin ein bewegendes Wiedersehen stattfindet, bei dem aber kein einziges Wort fällt

Zweiundzwanzigstes Kapitel Worin zwei Hoffnungsträger beinahe schweigend eine Suppe auslöffeln

Dreiundzwanzigstes Kapitel Worin Julia mindestens ein Leben rettet und dafür einen entscheidenden Hinweis erhält

Vierundzwanzigstes Kapitel Worin Jack mehr weiß als der Kommissar, vor Sophia aber als dummer Junge dasteht, worin er drei Tage Zeit bekommt und worin Sophia in Jacks Wohnung sich selbst findet und wieder verliert

Fünfundzwanzigstes Kapitel Worin Julia allein in fremde Häuser eindringt und unbekannte Telefonnummern wählt

Sechsundzwanzigstes Kapitel Worin sich das Notizbuch Roberts öffnet

Siebenundzwanzigstes Kapitel Worin Jens und Julia kurz vor dem Ziel liegenbleiben und sich sagen, was sie denken

Letztes Kapitel Von dem man bekanntlich nicht die kleinste Kleinigkeit im Voraus wissen darf

Erster Teil

Erstes Kapitel Worin Jens eine Entdeckung macht die seinen Fotos nicht nur viel Geld - фото 1Worin Jens eine Entdeckung macht, die seinen Fotos nicht nur viel Geld einbringt, und worin die Pressemaschine gehörig anläuft

Auf allen Schreibtischen klingelten Telefone. Keiner hob ab. Zehn Uhr. Alle vier Mitarbeiter waren ungewöhnlich früh zur Redaktionskonferenz einbestellt. Jack, der Chefredakteur des Day ’n’ Nite Weekly , der starke Mann, Macher und Hexenmeister, erwartete seine Leute, sein vibrierendes Gesicht über den Laptop gebeugt. Hastig stellte er einige Bilder seiner Präsentation um, achtete dabei aber genau auf alle Eintretenden und grüßte sie mit Namen und Aufmunterung: »Hi, Doris, siehst heute wieder top aus!«, »Urs, toll, nach dem Rosenmontag in Köln schon wieder sicher auf den Beinen?«, »Ralf, nimm dir nächstens ein Taxi, wenn’s regnet. Unserer Spesenkasse geht’s blendend.« Zuletzt kam Sophia, Chefin vom Dienst, die letzten Meldungen der Agenturen in der Hand. Jack folgte ihr mit den Augen, während er seine Power-Point-Präsentation sicherte: »Da bist du ja endlich! Gibt’s was Neues von diesem Sektenselbstmord oder weiß der Himmel, was in diesem gottverdammten Kloster heute Nacht los war? Ich will alles, was die Geschichte hergibt. Wie eine Zitrone press ich sie aus. Hey, das ist Wahnsinn. Genau der Stoff, von dem wir leben.«

Vertraulich zog sie ihn am Oberarm zu sich heran, deutete mit einem Stift auf die markierten Stellen ihrer Meldungen und flüsterte ihm zu: »Wie’s aussieht, hat Jens in allem recht. Fünf Opfer, also die gesamte Sekte. Außer ihrem Chef, Robert Schönherr. Der ist auf und davon. Vielleicht nur in Panik. Dadurch natürlich höchst verdächtig. Selbstmord oder Mord, die Kripo lässt nichts raus. Nur so viel ist klar: Es war ein schnell wirkendes Gas. Ihr Tod ist um kurz nach einundzwanzig Uhr eingetreten. Pressekonferenz der Polizei heute um halb eins. Ist aber noch nicht viel zu erwarten.«

»Von seinen Fotos hat Jens bei den Kriminalern also nicht geplaudert?«, raunte Jack so leise zurück, als könnte er keine Mitwisser gebrauchen. »Angeblich hat er beim Morgenspaziergang zum Kloster den grausigen Fund gemacht. Guter Junge, der hat echt Nerven. Vermasselt uns nicht den Aufmacher der nächsten Ausgabe.«

»Oder braucht Geld. Hast du ihm wirklich zwanzigtausend versprochen? Bist du irre?«

»Ja, aber für alle Fotos und mit allen Rechten. Musste ich doch. Kenne ihn nur zu gut. Dieser Ego-Shooter macht mir sonst zu viele Zicken.«

»Jack, bist du dir im Klaren, wie hoch du mit dieser Story pokerst? Entweder bist du völlig übergeschnappt oder genial.« Der feste Druck ihrer Fingerspitzen auf seinem Arm tat ihm gut. Sie war eben nicht irgendwer. Das kühle, schlaue Mädchen aus besseren Kreisen, so nannte er sie gerne.

Unvermittelt schnellte er empor. Mit erregtem Rot auf Stirn und Wangen fixierte er seine Leute und begann seinen Auftritt. Selbst ein Praktikant in der ersten Woche hätte jetzt erkannt: Der Chef hat einen ganz dicken Fisch an der Angel und braucht sie alle, um ihn an Land zu ziehen. »Guys, von den fünf Toten heute Nacht in diesem Gotteskeller habt ihr ja schon gehört«, schnarrte seine obertönige, wenig resonante Stimme. »Eine feine Nase für Stories besitzt ihr alle, und die schnauft jetzt sofort: Finger weg, das ist ein Stoff für die Tagespresse! Recht habt ihr! Wir können nicht jedem Toten zu einem Nachruf verhelfen, okay? Aber wozu trommelt euch der alte Jack dann mitten in der Nacht zusammen? Weil dieser ewige Egomane selbst auch einen Riecher hat, okay, und zwar einen aus einer richtigen Gérard Depardieu-XXL-Nase.«

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