Wie du am Beispiel von Stefan und Daniel oder Trixi und Angela gesehen hast, sind es in Wahrheit jedoch gar nicht die Erfahrungen an sich, die zu den negativen Gefühlen führen, sondern unsere Bewertung der Erfahrungen. Aus diesem Grund werden wir in Teil 2: »Erkennen – Wer du bist« auf die Suche nach deinen inneren Überzeugungen gehen, die deine Bewertungen und damit dein Verhalten beeinflussen.
Podcast Empfehlung 67 | »Wie du herausfindest, wer du wirklich bist«
Den Podcast findest du unter dem Namen »Lifestyle schlank« auf allen Podcast-Apps und auf meiner Webseite https://shinecoaching.de/67-wie-du-herausfindest-wer-du-wirklich-bist/.
Wie ein einziger Gedanke das ganze Leben beeinflusst
»Verändere deine Gedanken, und dein Leben ändert sich von allein.«
JULIA SAHM IN ANLEHNUNG AN WAYNE DYER
Zu diesem Thema möchte ich dir gern eine kleine Geschichte von einer ehemaligen Klientin erzählen:
BEISPIEL
Tina war eine attraktive, supercoole, lustige, aufgeschlossene Frau und Mitte 50, als sie ein Coaching mit mir buchte. Mangelndes Selbstvertrauen, fehlende Selbstliebe und Übergewicht waren der Grund für das Coaching. Außerdem wollte sie sich seit langem beruflich neu orientieren, hatte sich jedoch aus besagten Gründen nie wirklich getraut, diesen Schritt zu gehen.
Eine von Tinas Grundüberzeugungen, die sich auf alle Lebensbereiche auswirkte, lautete: »Ich bin nicht gut genug.« Im Coaching wollten wir dem Ursprung dieser Überzeugung auf den Grund gehen. Ich fragte Tina, ob sie sich erinnerte, wann sie diesen Gedanken und das damit verbundene Gefühl zum ersten Mal bewusst wahrgenommen hatte. Nach einigen Minuten der Stille und des Reflektierens kam es wie aus der Pistole geschossen: »Das erste Mal hatte ich das Gefühl, nachdem ich von einem Auslandsaufenthalt in den USA zurückgekehrt war und mit meinem Vater spazieren ging.«
Mit 15 Jahren ging Tina für ein Jahr nach Amerika und besuchte dort die Highschool. Zu dieser Zeit nahm sie, wie so viele andere Austauschstudenten in den USA, ein paar Kilos zu. Nicht nur die Portionen sind in den USA größer als in Deutschland, auch die Inhaltsstoffe der Nahrungsmittel unterscheiden sich deutlich. Viele Produkte von uns bekannten Marken enthalten in den USA doppelt so viel Kalorien als in Deutschland. Aus diesem Grund kann man immer wieder beobachten, dass Menschen nach längeren Aufenthalten in den USA mit ein paar Kilos mehr auf den Hüften nach Hause reisen.
Hinzu kam, dass Tina zu den emotionalen Essern gehört, und ihr das Essen damals half, das Heimweh nach der Familie und ihren Freunden zu stillen. Insgesamt nahm sie 10 kg zu. Diese Tatsache bemerkte Tinas Vater während des besagten Spaziergangs und kommentierte wie folgt:
»Tina, du musst aufpassen! Wenn du jetzt noch weiter zunimmst, siehst du bald aus wie Tante Rosi.«
Zugegebenermaßen ein etwas ruppiger, unsensibler Spruch des Vaters. Doch in diesem Moment war dem Vater wohl kaum klar, dass dieser Satz Tina von nun an in allen Lebensbereichen negativ beeinflussen würde. Nicht einmal Tina war das klar, bis sie mit Mitte 50 in meiner Praxis vor mir saß und diesen Satz laut aussprach.
Natürlich war es auch nicht dieser Satz an sich, der Tinas Leben über Jahre beeinflussen sollte, sondern die Art und Weise wie sie diesen Satz interpretierte. Ich fragte sie, welche Bedeutung die 15-jährige Tina diesem Satz damals gegeben hat. Wieder überlegte sie eine Weile, bis sie antwortete:
»Dieser Satz war für mich gleichbedeutend mit ›Du bist nicht so gut und schön wie deine Schwester!‹«
Obwohl der Vater mit keiner Silbe ihre Schwester oder die Worte »gut« oder »schön« erwähnte, verstand die 15-jährige Tina diesen Satz als Vergleich zu ihrer Schwester.
Erinnerst du dich an meine Worte aus dem ersten Kapitel? – Nichts hat irgendeine Bedeutung, außer der Bedeutung, die wir den Dingen geben.
Die Bedeutung, die Tina dem Satz ihres Vaters damals beimaß, führte zu ihrer Grundüberzeugung, nicht gut genug zu sein. Diese Überzeugung wiederum beeinflusste Tina seither in all ihren Entscheidungen. Das Fatale an inneren Überzeugungen ist nämlich, dass wir unbewusstimmer versuchen, uns zu beweisen, dass wir recht haben mit dem, was wir glauben. Das liegt daran, dass unser Gehirn in allem, was wir tun, Muster erkennen möchte. Es ist ständig auf der Suche nach logischen Zusammenhängen, um neue Informationen mit bereits vorhandenen Informationen besser einordnen zu können.
Dieses psychologische Phänomen wird auch selektive Wahrnehmung genannt. Selektive Wahrnehmung bedeutet, dass wir lediglich bestimmte Aspekte unserer Umwelt wahrnehmen und andere ausblenden. Grund für die selektive Wahrnehmung ist, dass wir gar nicht in der Lage sind, die Fülle an Informationen, die täglich auf uns einprasselt, zu bewältigen. Deshalb filtert unser Gehirn die auf uns einwirkenden Informationen. Dabei ist es besonders daran interessiert, bekannte Informationen an den richtigen Stellen mit ähnlichen Daten im Gehirn zusammenführen. Argumente, die die eigenen Überzeugungen stützen, werden deshalb stärker wahrgenommen als jene, die unsere Glaubenssätze infrage stellen.
Die selektive Wahrnehmung wird also stark durch unsere Erwartungen, unsere Glaubenssätze und unsere Erfahrungen beeinflusst. Man könnte sagen, dass unser Gehirn sich besonders »schlau« fühlt, wenn es das wahrnimmt, was unsere bisherigen Erfahrungen und unsere inneren Überzeugungen bestätigt.
Wenn du beispielsweise davon überzeugt bist, nicht abnehmen zu können, und trotzdem mal wieder eine Diät startest und dich an einem einzigen Tag einmal nicht zu 100 % an den vorgegebenen Plan hältst, fühlst du dich in deiner Überzeugung, nicht abnehmen zu können, wieder bestätigt. Durch die erneute Bestätigung prägt sich der Glaubenssatz noch tiefer ein. Einmal gezogene Schlussfolgerungen werden von uns meist nie wieder überprüft und beeinflussen unbemerkt unser ganzes Leben. Das führt dazu, dass wir uns oft nicht die Chance geben, neue Erfahrungen zu machen, die das Gegenteil beweisen würden. Umso wichtiger ist es deshalb, sich seiner inneren Überzeugungen bewusst zu werden. Denn ohne dieses Bewusstsein steuern sie unbewusst unser ganzes Leben.
BEISPIEL
Tinas innere Überzeugung, nicht gut genug zu sein, führte unbewusst dazu, dass sie ihr Leben lang Erfahrungen gemacht hat, die ihr diese Überzeugung bestätigten. Weil sie sich nicht gut genug fühlte, behandelte sie sich selbst auch dementsprechend. Unbewusst leitete dieser Satz all ihre Handlungen und Entscheidungen. So entschied sie sich für einen Job für Menschen, wie sie. Einen Job für Menschen, die nicht gut genug sind. Beruflich das zu tun, was sie eigentlich gern getan hätte, kam für sie nicht infrage, denn sie war davon überzeugt, dass diesen Beruf nur Menschen ausüben könnten, die besser waren als sie.
Auch die Männer in Tinas Leben dienten als Bestätigung ihrer inneren Überzeugung. Unbewusst wählte sie immer wieder Männer aus, die sie so behandelten als sei sie nicht gut genug. Zu guter Letzt bestätigte ihr auch ihr Körper, dass sie nicht gut genug wäre. Es wäre schließlich widersprüchlich, wenn jemand, der nicht genügt, einen gesunden und fitten Körper hätte.
Tinas Gefühl, nicht gut genug zu sein, führte dazu, dass sie unbewusst immer wieder Entscheidungen traf, die ihr genau das widerspiegelten. Erfahrungen, die das Gegenteil beweisen würden, erlaubte sie sich unbewusst nicht, zu machen. Die unzähligen schlechten Erfahrungen mit Männern, im Job, in der Familie und im Bekanntenkreis machten es ihr irgendwann unmöglich, ihre Grundüberzeugung noch einmal in Frage zu stellen. Zu oft fühlte sie sich in dem Gedanken, nicht gut genug zu sein, bestätigt. Einfach alles in ihrem Leben bestätigte ihr, dass sie nicht gut genug wäre.
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