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Am 14.4.2003 vollendeten Forscher die große Aufgabe der Kartierung (Sequenzierung) des menschlichen Genoms. Sie hatten es geschafft, die Position aller Nukleinbasen in der Kette aus etwa 3 Mio. Basenpaaren, die circa 30 000 Gene enthält, zu bestimmen. Damit können Genetiker neue Gene und ihre Rolle im Körper identifizieren. Mit diesem Wissen lässt sich auch feststellen, ob ein Individuum ein defektes Gen geerbt hat. So kann man durch künstliche Befruchtung entstandene Embryos vor der Implantation in die Gebärmutter auf bekannte Erbkrankheiten untersuchen. Im März 2018 war bereits das Genom von etwa 15 000 Organismen kartiert. Diese Daten helfen, die evolutionäre Verwandtschaft von Arten zu klären.
Die Entdeckung, wie sich die DNA zusammensetzt und wie sie strukturiert ist, hat die Genetik revolutioniert. Interessant ist, dass nur etwa 2 % des gesamten Humangenoms Abschnitte ausmachen, die Proteine codieren. Die Funktionen der übrigen 98 % sind noch nicht gut erforscht, aber man nimmt an, dass zumindest einige dieser Abschnitte eine Rolle bei der Genexpression (der Art, wie Geninformationen sichtbar werden) und bei der Genaktivierung spielen. Auf zukünftige Genetiker warten noch viele Entdeckungen. 
»Durch Gentechnik wird es uns möglich sein, … die menschliche Rasse zu verbessern. «
Stephen Hawking The Telegraph , 18.10.2001
Gentechnik
Ihr Wissen über die Struktur der DNA hat es Wissenschaftlern ermöglicht, das Erbmaterial in den Zellen zu modifizieren. So kann man ein Gen aus einem Organismus (dem »Spender«) ausschneiden und in die DNA eines anderen einsetzen. Als das in den 1970er-Jahren erstmals versucht wurde, erwies es sich als schwierig und zeitaufwendig. Doch technische Fortschritte, vor allem Methoden, die auf dem zelleigenen DNA-Editiermechanismus beruhen, dem sogenannten CRISPR/Cas-System, haben vieles sehr vereinfacht und schneller gemacht. Mit dieser »Gen-Schere« lässt sich theoretisch jedes Gen beliebig in DNA einsetzen. Dazu wurden einige Versuche unternommen, etwa das Einfügen des Gens für Spinnenseide bei Ziegen, sodass deren Milch reich an Seidenproteinen ist. Auch Hormone oder Impfstoffe können so einfach hergestellt werden.
Bei der Gentherapie setzt ein modifizierter »Vektor« (Transportvehikel, oft ein Virus) das Gen in die DNA ein, um defekte oder unerwünschte Gene zu ersetzen.
Ein Forscher analysiertDNA-Proben. Gentechnische Methoden sind in der Medizin Standard, in der Forensik ist DNA-Profiling essenziell.
Genetisch veränderte Lebensmittel
Landwirtschaftliche Pflanzen werden genetisch verändert, um bestimmte Eigenschaften zu erzielen; man nennt sie dann genetisch modifizierte Organismen (GMOs). Dabei wird die DNA modifiziert, etwa damit eine Pflanze mehr Nährstoffe oder einen Giftstoff als Schutz vor bestimmten Insekten produziert. Ebenso kann erreicht werden, dass Pflanzen gegen bestimmte Herbizide unempfindlich werden, sodass eine Chemikalie auf dem Feld nur das Unkraut, aber nicht die Nutzpflanze tötet.
Einige Ökologen sehen Risiken darin, dass unmodifizierte Pflanzen durch GMOs beeinflusst werden könnten. Zudem seien die langfristigen Auswirkungen solcher Lebensmittel nicht genau bekannt. Eine weitere Sorge: Große agrochemische Konzerne könnten die Lebensmittelversorgung der Welt zum Nachteil ärmerer Nationen kontrollieren, indem sie GMOs patentieren.
Neue Reissortenwerden durch genetische Modifikationen entwickelt. So lässt sich zum Beispiel der Nährwert oder die Resistenz gegen Krankheiten erhöhen.
DNA-Barcoding
Die Idee des DNA-Barcoding kam erstmals 2003 auf, als ein Team an der Universität Guelph (Kanada) überlegte, dass eine Artenbestimmung durch die Analyse gemeinsamer DNA-Abschnitte möglich sein müsste. Die Forscher um Dr. Paul Hebert wählten einen Bereich mit 648 Basenpaaren im Gen der Untereinheit 1 des Enzyms Cytochrom-c-Oxidase (»CO1« oder »cox1«). Diese Region lässt sich schnell analysieren, ist aber lang genug für Variationen zwischen und innerhalb von Tierarten. Für andere Lebensformen werden andere Abschnitte genutzt.
Für das Barcoding katalogisiert man zunächst Proben bekannter Arten. Ihre DNA wird sequenziert, das heißt die Reihenfolge (Sequenz) der Basenpaare bestimmt. Diese Sequenzen werden in Datenbanken gespeichert. Wird eine unbekannte Art sequenziert, kann der Computer sie mit bekannten Sequenzen vergleichen und so den Verwandtschaftsgrad ermitteln. Die Methode hilft bei der Taxonomie, also bei der Klassifikation von Tieren und Pflanzen.
GENE SIND EGOISTISCHE MOLEKÜLE
DAS EGOISTISCHE GEN
IM KONTEXT
SCHLÜSSELFIGUR
Richard Dawkins(*1941)
FRÜHER
1963Der britische Biologe William Donald Hamilton schreibt in The Evolution of Altruistic Behaviour über »egoistische Interessen« von Genen.
1966Der US-amerikanische Biologe George C. Williams sieht in dem Buch Adaptation and Natural Selection den Altruismus als eine Folge der Selektion auf Ebene der Gene.
SPÄTER
1982Richard Dawkins schreibt in Der erweiterte Phänotyp , dass beim Studium eines Lebewesens auch die Auswirkungen seiner Gene auf die Umwelt zu analysieren sind.
2002Stephen Jay Gould kritisiert Dawkins Theorie in The Structure of Evolutionary Theory . Dazu greift er die Konzepte des klassischen Darwinismus auf und verfeinert sie.
Das Konzept des »egoistischen Gens« wurde von dem britischen Evolutionsbiologen Richard Dawkins in dem Buch The Selfish Gene (1976; dt.: Das egoistische Gen , 1978) bekannt gemacht. Demnach beruht die Evolution grundsätzlich auf dem Überleben bestimmter Formen eines Gens auf Kosten anderer Formen. Dabei überleben diejenigen, die einen Phänotyp (also Körpermerkmale und Verhalten) hervorbringen, der bei der Verbreitung des Gens erfolgreich ist. Da Erbinformationen durch Gene auf der DNA vererbt werden, muss man, so die Befürworter der Theorie, natürliche Selektion und Evolution aus der Perspektive der Gene betrachten. Dawkins wurde stark von William Donald Hamiltons Arbeit über Altruismus beeinflusst und untersuchte Egoismus und Altruismus in der Biologie in Das egoistische Gen genauer. Demnach sind Organismen nur Vehikel, um Gene – die »Replikatoren« – voranzubringen. Gene, die dem Organismus beim Überleben und bei der Fortpflanzung helfen, erhöhen ihre eigene Chance, weitergegeben zu werden.
Eine männliche Schwarze Witwenähert sich dem riesigen Weibchen. Er gibt beim Akt genetisch bestimmt seine Gene weiter, stirbt aber nachher.
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