Erfolgreiche Gene sind oft auch für den Wirtsorganismus vorteilhaft. Schützt etwa ein Gen ein Lebewesen vor Krankheiten, fördert das auch dessen Verbreitung. Jedoch widersprechen sich die Interessen von Replikator und Vehikel offenbar manchmal. Das Männchen der Schwarzen Witwe paart sich mit dem Weibchen, obwohl es vielleicht von ihm gefressen wird. Doch das Opfer des Männchens nährt das Weibchen und erhöht die Chance, seine eigenen Gene zu vererben.
Der Egoismus der Gene führt meist zu egoistischem Verhalten des Organismus, manchmal erreicht das Gen die eigenen egoistischen Ziele aber auch, indem es scheinbar altruistisches Verhalten des Organismus fördert. So ist die Verwandtenselektion eine Evolutionsstrategie, bei der ein Individuum den Fortpflanzungserfolg seiner Verwandten auf Kosten des eigenen Überlebens oder der Fortpflanzung fördert.
Ein Extrembeispiel ist die Eusozialität. Honigbienen zum Beispiel sind eusoziale Insekten. In ihren Kolonien leben Individuen, die sich fortpflanzen, und solche, die sich nicht fortpflanzen. Indem sie das Überleben der Kolonie sichern, sorgen die Tausenden sich nicht fortpflanzenden Arbeiterinnen dafür, dass sich die Gene verbreiten, die sie mit der Königin teilen. Sie hat als Einzige Nachkommen.
Dawkins Kritiker wenden ein, dass Gene nicht das Verhalten steuern und deshalb nicht egoistisch handeln können. Dawkins erklärt dagegen, er habe Genen niemals einen bewussten Willen zugeschrieben. Später schrieb er, dass »das unsterbliche Gen« wohl ein besserer Name für das Konzept und das Buch gewesen wäre. 
»Heute kann man die Evolutionstheorie ungefähr ebenso anzweifeln wie die Lehre, dass sich die Erde um die Sonne dreht. «
Richard Dawkins Das egoistische Gen , 1976
Richard Dawkins
Richard Dawkins wurde in Kenia geboren; seine Eltern waren Briten. Nach der Rückkehr der Familie nach Großbritannien entwickelte er ein starkes Interesse an der Natur und studierte Zoologie in Oxford. Dort wurde er von dem Nobelpreisträger Nikolaas Tinbergen betreut, der ein Pionier der Verhaltensforschung an Tieren war. Nach einem kurzen Aufenthalt an der University of California in Berkeley kehrte Dawkins nach Oxford zurück.
Richard Dawkins ist am bekanntesten für sein Buch The Selfish Gene (Das egoistische Gen) , in dem er argumentiert, dass das Gen die grundlegende Einheit ist, auf die die Selektion der Evolution wirkt. Seine Theorie führte später zu heftigen Debatten mit Stephen Jay Gould und anderen Evolutionsbiologen. Er ist zudem ein bekannter Religionskritiker und Verfechter des Atheismus.
Hauptwerke
1976 Das egoistische Gen
1982 Der erweiterte Phänotyp
1986 Der blinde Uhrmacher
2006 Der Gotteswahn
2009 Die Schöpfungslüge: Warum Darwin recht hat
1917
Joseph Grinnellveröffentlicht seine Forschungen zur Kalifornienspottdrossel und führt die Theorie der ökologischen Nischeein.
1957
Robert MacArthursForschungen an Waldsängern in Nordamerika zeigen, wie verschiedene Arten die direkte Konkurrenz vermeidenund koexistieren.
1965
Dan Janzenbeobachtet die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Akazien und Ameisen und schließt auf die Entwicklung einer mutualistischenSymbiose.
1925–1926
Die Lotka-Volterra-Regelnbeschreiben mit mathematischen Gleichungen die Wechselwirkung zwischen Räuber und Beute.
1961
Joseph Connellzeigt, dass verschiedene Seepocken in verschiedenen Gezeitenzonen leben,obwohl sie in allen Zonen leben könnten.
1969
Robert Paineprägt den Begriff »Schlüsselarten«für Arten, die eine Schlüsselrolle innerhalb eines Ökosystems innehaben.
1970er
Roy Andersonund Robert Mayzeigen, wie EpidemienWachstumsraten von Populationen beeinflussen.
1977
Veröffentlichungen von Ronald Pulliam, Eric Charnovund Graham Pykebeschreiben die Theorie des optimalen Nahrungserwerbs,nach der Tiere versuchen, bei der Suche nach Ressourcen möglichst wenig Energie aufzuwenden.
2002
Robert Sternerund James Elsersind Pioniere der ökologischen Stöchiometrie.Dabei geht es darum, wie Mengenverhältnisse chemischer Elemente in Organismen diese beeinflussen und von Reaktionen beeinflusst werden.
1972
Knut Schmidt-Nielsenveröffentlicht How Animals Work . Sein Buch beeinflusst die Ökophysiologie enorm.
1991
Earl Wernerveröffentlicht seine Ergebnisse zu nicht konsumtiven Effektenvon Räubern auf Beutepopulationen.
Im 5. Jahrhundert vor Christus erkannte der griechische Historiker Herodot, dass Krokodile ihre Mäuler öffnen, damit bestimmte Vögel Kleintiere aus ihren Zähnen herauspicken konnten. Er beschrieb damit wohl als Erster einen ökologischen Prozess, in diesem Fall eine Symbiose zwischen Reptilien und Vögeln. Im 4. Jahrhundert beobachteten Aristoteles und Theophrastos weitere Interaktionen zwischen Tieren und ihrer Umwelt.
In den zwei Jahrtausenden danach fanden zahllose weitere Naturbeobachtungen statt. Ein grundlegendes Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Lebewesen und ihrer Umwelt war aber schwierig, weil man sehr kleine Objekte sowie Vorgänge in der Nacht und unter Wasser nicht beobachten konnte. Zudem konnten die meisten Naturinteressierten kaum mehr als ihre unmittelbare Umgebung erkunden. Mit fortschreitender Technik und verbesserten Reisemöglichkeiten wurden Forschern wie Robert Hooke, Antoni van Leeuwenhoek, Carl von Linné, Alexander von Humboldt, Alfred Russel Wallace, Charles Darwin und Johannes Warming ökologische Vorgänge zunehmend bewusst. Sie legten die Basis für die Ökologie als Wissenschaft, auch wenn sie das Wort noch nicht verwendeten.
Schon früh erkannte man, dass einer der grundlegendsten ökologischen Prozesse der Kampf ums Überleben ist: Pflanzenfresser müssen Pflanzen finden, Fleischfresser ihre Beute und Beutetiere müssen Räubern entkommen. Räuber tun ihr Möglichstes, um ihre Beutetiere zu jagen, und diese tun ihr Möglichstes, um nicht gefressen zu werden. 1920 führte Alfred Lotka eines der ersten mathematischen Modelle der Ökologie ein. Die heute Lotka-Volterra-Modell genannten Räuber-Beute-Gleichungen sagen die Populationsschwankungen der beiden Gruppen vorher.
Anfang des 20. Jahrhunderts führte Joseph Grinnell in den USA umfangreiche Studien bezüglich der Ansprüche von Tieren an ihren Lebensraum durch. Demnach besetzen Arten bestimmte »Nischen« – und wenn zwei Arten ähnliche Nahrungsbedürfnisse haben, wird eine die andere verdrängen. Darwin hatte das schon bei der Reise mit der Beagle beobachtet, Grinnells Axiome führten die Idee weiter. 1934 zeigte Georgi Gause im Labor, was er das Konkurrenzausschlussprinzip nannte. William E. Odum meinte im Jahr 1959, »die ökologische Nische eines Organismus hängt nicht nur davon ab, wo er lebt, sondern auch davon, was er tut«.
Читать дальше