Kepler hatte nun zwar das Problem gelöst, wie sich die Planeten bewegen, aber es blieb die Frage, warum sie das auf diese Weise taten. Die alten Griechen hatten einst angenommen, die Planeten seien an unsichtbare Kreisbahnen gebunden, doch Tycho konnte zeigen, dass Kometen frei durch den interplanetaren Raum reisen, und widersprach so der Idee der Griechen. Kepler postulierte, dass die Sonne die Planeten beeinflusst und antreibt, konnte es aber wissenschaftlich nicht belegen.
»Wenn ich weiter sehen konnte, so deshalb, weil ich auf den Schultern von Riesen stand. «
Isaac Newton
Es lag schließlich an Isaac Newton, die Kraft zu beschreiben, die die Planeten bewegte – mit einer Theorie, die Bestand hatte, bis Albert Einstein erschien. Newton kam zu dem Schluss, dass Himmelskörper sich gegenseitig anziehen, und zeigte, dass die Anziehungskraft zwischen zwei Körpern im Verhältnis zum Quadrat der Entfernung zwischen ihnen abnimmt. Diese Kraft nannte er gravitas (lat. »Gewicht«), der wir das Wort Gravitation verdanken.
Newton hatte mit seiner mathematischen Art, Bewegungen zu beschreiben, nicht nur einen neuen Rahmen für Astronomen geschaffen, sondern auch sein Talent für praktische Umsetzungen bewiesen. Frühe Teleskoperbauer scheiterten daran, mit ihren einfachen Objektiven Bilder zu erhalten, die frei von Farbverzerrungen waren – weshalb man auf sehr lange Teleskope setzte. So benutzte Giovanni D. Cassini in den 1670er-Jahren lange Luftteleskope, bei denen Okular und Objektiv nicht durch ein Rohr verbunden waren, um Saturn zu beobachten.
1668 entwarf und baute Newton die erste funktionierende Version eines Spiegelteleskops, das kein Problem mit der Farbverzerrung hatte. Seine reflektierenden Teleskope waren im 18. Jahrhundert weitverbreitet, nachdem der englische Erfinder John Hadley Methoden entwickelt hatte, aus glänzendem Spiegelmetall passende Hohlspiegel herzustellen. Davon war James Bradley, Professor in Oxford und später Königlicher Astronom, beeindruckt und kaufte einen solchen Reflektor.
Auch die Linsenherstellung entwickelte sich weiter. Im frühen 18. Jahrhundert entwarf der Erfinder Chester Moore Hall ein zweilinsiges Objektiv, das die Farbverzerrung stark reduzierte, und der Optiker John Dollond verwendete diese Anordnung, um die Refraktorteleskope zu optimieren. Von diesen präzisen Teleskopen profitierte die angewandte Astronomie enorm. 
TYCHOS UNGEWÖHNLICHER STERN
DAS TYCHO’SCHE MODELL
IM KONTEXT
SCHLÜSSELFIGUR
Tycho Brahe(1546–1601)
FRÜHER
1503Die bisher genauesten Sternpositionen stammen von Bernhard Walther in Nürnberg.
1543Kopernikus stellt das Konzept eines heliozentrischen Kosmos vor, das die Vorhersage der planetaren Positionen entscheidend verbessert. Sie sind jedoch immer noch ungenau.
SPÄTER
1610Mit Galileos Gebrauch des Teleskops beginnt eine Revolution, die letztlich die »Astronomie des bloßen Auges« ablöst.
1620Johannes Kepler vollendet seine Gesetze von den planetaren Bahnbewegungen.
1670er-JahreIn allen bedeutenden Hauptstädten Europas werden Observatorien gebaut.
Noch im 16. Jahrhundert waren die exakten Umlaufbahnen der Planeten ein Rätsel. Der dänische Adlige Tycho Brahe erkannte, dass man die Planeten längerfristig genau beobachten müsste, um dieses Problem zu lösen. Der Bedarf an besseren Daten wurde noch dadurch unterstrichen, dass eine Konjunktion von Jupiter und Saturn im Jahr 1562 um Tage von dem Zeitpunkt abwich, der von den besten damaligen astronomischen Tabellen vorhergesagt wurde. Daher nahm sich Tycho vor, von allen Planetenbahnen Messungen anzufertigen.
Die Astronomie zur Zeit Tychos folgte immer noch den Lehren, die Aristoteles vor fast 1900 Jahren aufgestellt hatte. Diese besagten, dass die Sterne im Himmel fest, dauerhaft und unveränderlich seien. Im Jahr 1572, als Tycho 26 Jahre war, wurde ein heller neuer Stern entdeckt. Er gehörte zum Sternbild Cassiopeia und blieb 18 Monate sichtbar. Aufgrund des aristotelischen Dogmas nahmen die meisten Beobachter an, ein Objekt hoch in der Atmosphäre zu sehen, aber unterhalb des Monds. Tychos sorgfältige Messungen des neuen Objekts überzeugten ihn, dass es sich in Bezug auf nahe gelegene Sterne nicht bewegte. So schloss er, dass es kein atmosphärisches Phänomen war, sondern ein echter Stern. Der Stern stellte sich später als Supernova heraus, der Überrest dieser stellaren Explosion ist als Cassiopeia B noch gut zu sehen. Die Beobachtung eines neuen Sterns war ein äußerst seltenes Ereignis. Nur acht Augensichtungen von Supernovae wurden je aufgezeichnet. Diese hier bewies, dass die damaligen Sternkataloge noch nicht vollständig waren. Größere Präzision war nötig – eine Herausforderung für Tycho.
Um diese Aufgabe zu erfüllen, hatte sich Tycho den Aufbau einer Sammlung zuverlässiger Instrumente (Quadranten, Sextanten und Armillarsphären) vorgenommen, die die Position eines Planeten mit einer Genauigkeit von etwa einer halben Bogenminute (± 1/ 1200) messen konnten. Er maß über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren höchstpersönlich die Planetenpositionen – zu diesem Zweck beaufsichtigte er im Jahr 1576 den Bau einer großen Sternwarte auf der kleinen Insel Ven in der Öresundstraße (Dänemark).
Tycho setztesein Vermögen für den Entwurf und den Bau empfindlicher Instrumente – wie dieser Armillarsphäre – ein. Diese diente der Darstellung des Nachthimmels aus Sicht der Erde.
Tycho vermaß die Positionen der Sterne und notierte sie auf den Messingplatten einer 1,6 m großen Holzkugel in seinem Observatorium auf Ven. Um 1595 umfasste sein »Globus« rund 1000 Sterne. Dieser konnte sich um eine Polachse drehen, und ein horizontaler Ring diente dazu, dass die Sterne oberhalb des Horizonts zu jeder beliebigen Zeit von denen unterhalb des Horizonts unterschieden werden konnten. Tycho nahm den Globus mit auf eine Reise nach Kopenhagen, wo er 1728 bei einem Feuer zerstört wurde.
Weitere Hinweise auf einen sich wandelnden Kosmos kamen auf, als Tycho 1577 den Großen Kometen entdeckte. Bis dahin war noch immer Aristoteles’ Ansicht, dass diese Kometen atmosphärische Phänomene seien, allgemeiner Konsens. Doch nun verglich Tycho Messungen der Kometenposition, die er auf Ven vorgenommen hatte, mit denen, die der böhmische Astronom Thaddaeus Hagecius zur gleichen Zeit in Prag gemacht hatte. In beiden Fällen wurde der Komet an etwa demselben Ort beobachtet. Diese fehlende Parallaxe deutete darauf hin, dass der Komet viel weiter weg – außerhalb der Atmosphäre – war. Tychos Beobachtungen über die Art und Weise, wie der Komet monatelang über den Himmel gezogen war, überzeugten ihn auch davon, dass dieses Objekt das Sonnensystem durchquerte. Diese Erkenntnis stürzte eine andere Theorie, die die vergangenen 1500 Jahre maßgeblich war. Der große griechisch-ägyptische Astronom Ptolemäus war davon überzeugt, dass die Planeten in echte, feste, ätherische, transparente, kristalline Sphären eingebettet waren und dass deren Drehung die Planeten über den Himmel bewegte. Allerdings beobachtete Tycho, dass der Komet sich ungehindert zu bewegen schien, und folgerte, dass die Sphären nicht existieren konnten. Er schlug also vor, dass die Planeten frei durch den Raum zogen – ein zu jener Zeit gewagtes Konzept.
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