Als er mich berührt, verschwindet die Feuerwehrwache um uns herum. Plötzlich sind wir ganz allein. Seine Finger auf meiner Haut sind heiß, obwohl ich ihn eben noch mit eiskaltem Wasser abgespritzt hatte. Seine Augen, die unentwegt zwischen meinen und meinem Mund hin- und herspringen, sind tiefgrün. Und sie lodern. Eine Glut, oder auch eine Flamme, brennt in ihnen. Seine Lippen sind nicht sehr voll, aber schön geformt, und sie passen perfekt in sein Gesicht, laden zum Küssen ein. Zu einem innigen, langen Kuss, der sich ganz schnell zu etwas ganz anderem entwickeln kann. Zu wildem Sex, wenn ich so direkt sein darf.
„Was zur Hölle macht ihr da?!", brüllt mein Bruder dazwischen, sodass ich zusammenzucke und schnell wegschaue. Überall hin nur nicht zu meinem Bruder oder zu Rune. Okay, wir waren also doch nicht allein, da steht es, das verblüffte Publikum, und ich schaue am besten einfach auf den unvoreingenommenen Boden.
„Entspann dich doch mal, Mann ...", schnaubt Rune. Er wirft die Hände über den Kopf. „Wir hatten ein kleines Missverständnis bezüglich der Aufgabenverteilung. Ich dachte, sie braucht eine kleine Abkühlung, und der Schlauch war einfach ein bisschen zu viel für sie, als sie die Wasserkanne auffüllen wollte." Die grünen Augen blitzen zu mir hinüber. Sie funkeln schelmisch. „Stimmt doch, oder, Prinzessin?"
Meine Kinnlade fällt herunter. „Prinzessin?!"
Er zieht eine entschuldigende Grimasse, zuckt mit den Schultern und weicht vor mir und meinem Bruder zurück. Dann grinst er breit und ruft, ein wenig zu laut, denn alle stehen ja schon da und glotzen: „Essen ist fertig!"
Mein Rock ist verschont geblieben, aber ein T-Shirt muss ich mir von Tobi leihen, das mir natürlich etliche Nummern zu groß ist. Und weil mein BH auch klitschnass geworden ist, muss ich auch den ausziehen. Ich gehe nie ohne BH aus dem Haus. Meine Brustwarzen sind leider Gottes so gemacht, dass sie hervorstehen, egal ob mir kalt oder warm ist. Meine beste Freundin Luna sagt, ich solle sie feiern. Sie behauptet, dass andere Mädchen sich in die Nippel kneifen, damit sie sichtbarer sind. Ich habe keinen blassen Schimmer, ob das stimmt oder ob sie sich das nur ausgedacht hat, um mein Selbstvertrauen zu stärken. Ich habe nämlich kein Talent für Männer und Sex. Doch, einen Freund oder zwei hatte ich schon, aber die große Liebe ist es nie gewesen. Weder für mich noch für die. Ich habe die Theorie, dass mein Sexradar kaputt ist. Also der, der mir sagt, ob die Kerle es ernst meinen oder einfach nur eine schnelle Nummer schieben wollen. Immer, wenn ich nachgebe und doch mit ihnen Sex habe, sind sie kurz darauf verschwunden. Nicht, dass ich besonders wild im Bett bin, aber ganz ehrlich, das sind die wenigsten, mit denen ich es versucht habe.
„Klara, es schmeckt echt fantastisch!", lobt mich Elias mit vollem Mund. „Wenn ich genug vom wilden Singleleben habe, mach ich dich zu meiner Frau. Ehrenwort."
Ich lächle schüchtern, denn Elias ist tatsächlich einer der besser aussehenden Kollegen von Tobi. Er hat blondes Haar, aber seine Augenbrauen tanzen aus der Reihe und sind ein wenig dunkler. Die Augen sind korallenblau. Er ist hochgewachsen und durchtrainiert. Nicht ganz so muskulös wie Rune, aber heiß genug, dass man sich nicht dafür schämen muss, ihm auf der Straße hinterherzuschauen. Er ist 27, hat Tobi erzählt, und ein richtiger Schürzenjäger. Er hatte noch nie eine Freundin, die ihn so richtig umgehauen hat. Er ist immer derjenige, der Herzen bricht und Tränen zum Laufen bringt, denn immer dann, wenn er das von den Mädels bekommen hat, was er wollte, entlässt er sie wieder in die Freiheit. Ein richtiger Arsch eigentlich. Aber ein bisschen Flirten tut ja keinem weh, oder?
Ich habe mich am anderen Ende des Tisches niedergelassen, so weit weg von Rune wie nur möglich. Neben ihm wäre auch ein freier Platz gewesen, aber nein danke. Er hat auch genug damit zu tun, mit Luna zu flirten, die ihrerseits das schwere Geschütz aufgefahren hat. Meine Laune ist mit einem Mal wesentlich schlechter, und ein wenig beleidigt stehe ich auf und gehe mit meinem leeren Teller zu dem kleinen Tisch, auf dem wir das Essen angerichtet haben. Nur weil er zu alt für mich ist, heißt das ja nicht, dass sie sich gleich auf ihn stürzen muss. Und warum lächelt er sie die ganze Zeit so dämlich an? Sie ist schließlich genau so jung wie ich. Genauso ein Kind wie ich.
„Reichst du mir das Brot?", ruft mir jemand zu, und ich schaue über die Schulter, um zu sehen, wer es gewesen ist.
Mein Bauch zieht sich vor Schreck zusammen, denn Rune steht hinter mir und fragt Elias: „Hell oder Vollkorn?"
Verdattert trete ich zur Seite, um ihm Platz zu machen, und lege klirrend den Deckel zurück auf den Topf.
„Es sieht wirklich lecker aus!", murmelt er mir zu.
Die kleinen Härchen auf meinen Armen stellen sich auf, und ein wohliger Schauer läuft mir den Rücken hinab. Und das nur von seiner Stimme ...
„Danke!", quieke ich atemlos und gehe zurück zu meinem Platz.
Er ist direkt hinter mir. Seine geflüsterten Worte gleiten über meine Haut wie streichelnde Hände: „Und du auch in dem T-Shirt ..."
Mein Herz rutscht mir in die Hose und meine Wangen brennen, als ich überrascht zu ihm aufsehe. Er flirtet mit mir! Dieses Mal habe ich mir das wirklich nicht eingebildet!
Ein gluckerndes Lachen begleitet ihn bis zu seinem Platz.
Erst als er sich hingesetzt hat, bemerke ich Tobis prüfenden Blick. Ich stelle den Teller vor mir auf den Tisch und begehe den Fehler, zu Rune hinüberzuschauen. Er setzt sich. Sein Blick ist weder auf seinen Teller noch auf meine Freundin gerichtet. Sondern direkt auf meine Brüste.
Erschrocken ziehe ich das T-Shirt nach vorne, um meine Brüste zu kaschieren, und stürze mich auf mein Essen. Ich schaffe nur einen kleinen Bissen, ehe die Sirene geht. Sie ist nicht so fürchterlich laut, aber ich zucke trotzdem zusammen, als sich die ganze Mannschaft wie ein Mann erhebt und in die Fahrzeughalle rennt. Luna sieht ebenso bestürzt aus wie ich, als sich unsere Blicke über den Tisch hinweg treffen. Das ist das erste Mal, dass uns der Alarm beim Essen unterbricht, und so wirkt die Situation irgendwie dramatischer als sonst. Und obwohl die Männer wie ein riesiges Chaos an herumrennenden Körpern wirken, dauert es doch nur wenige Augenblicke, ehe sie alle fertig angezogen bei den Wagen stehen. Als wüsste jeder einzelne, wo sein Platz ist, und wo die Plätze der Anderen sind, und so gleiten sie routiniert aneinander vorbei, bis jeder seine Position innehat. Ein beeindruckendes Schauspiel.
Ich starre die Gedecke auf dem Tisch an. Nicht ein einziges Glas ist umgestoßen worden, trotz der augenblicklichen Reaktion der Männer. Die Motoren der Einsatzwagen starten brüllend, Türen werden zugeschlagen, das Martinshorn heult auf. Ich zucke schon wieder auf meinem Stuhl zusammen, aber Luna hat sich schon wieder erholt. Ihr Lächeln trifft mich mitten ins Gesicht und so kann auch ich meine Reaktion nicht länger zurückhalten: Ich kichere wie ein Schulmädchen.
Verdammt noch mal, ging das schnell!
Jeder hengt seinen eigenen Gedanken nach, als wir zurück in der Halle sind. Jeder schweigt. Das tun wir eigentlich immer, auch wenn es nur ein kleiner Brand gewesen ist. Ich glaube, wir müssen einfach alle erstmal den Adrenalinrausch verarbeiten. Und wenn jeder von uns auf seine Weise das Geschehene verarbeitet hat, reden wir drüber. Aber manchmal gibt es auch gar keinen Redebedarf, und dann ist das auch in Ordnung.
Dieses Mal war's ein Kellerbrand, der erst recht spät entdeckt worden war, sodass es etwas längerte dauerte, das Feuer unter Kontrolle zu bekommen, als wir endlich anrückten. Wir waren natürlich effizient wie immer, aber das waren die Flammen auch gewesen. Niemand war zu Schaden gekommen, nur die Kellerräume waren komplett ausgebrannt. Nichts Wildes, es hatte nur ein paar Stunden in Anspruch genommen.
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