Leo schenkte seinen Zuhörer:innen Erdbeerbowle und Mineralwasser nach und fuhr fort.
„Warum erzähle ich das alles? Ich denke, es will gut überlegt sein, ob und warum man eine Promotion anstreben sollte. Schließlich bringt sie möglicherweise Risiken und Nachteile, anderseits aber durchaus auch klare Vorteile.
Die VorteilePromotion (Vorteile) sind:
1 Eine Promotion eröffnet die Option, im Wissenschaftsbereich tätig zu sein, zu bleiben und gegebenenfalls dort sogar aufzusteigen bis zu einer seltenen Dauer- oder Professorenstelle.
2 Sie gibt Zeit und Gelegenheit, den Wissenschaftsbetrieb als solchen wirklich kennenzulernen und in dieser Zeit abzuwägen, ob man flüchten will oder standhalten.
3 Wenn man sich für ein Forschungsthema wirklich begeistern kann, dann kann man sich mit einer Promotion auf diesem Gebiet zwei bis drei Jahre oder sogar länger austoben. Mit einer Promotionsstelle ist für den Lebensunterhalt gesorgt, ein Labor, Büro oder andere Infrastruktur sowie – hoffentlich – für eine gute und kompetente Betreuung durch Hochschullehrer:innen.
4 Sollte man sich irgendwann für etwas mehr Lehre begeistern und sollten die Türen der Universität verschlossen bleiben, kann man mit einer Promotion immerhin vielleicht eine Professur an einer FachhochschuleFachhochschule erlangen. Hier ist in aller Regel keine HabilitationHabilitation oder ähnliches gefordert, sondern neben eine Promotion vor allem eine fundierte, mehrjährige Berufs- und/oder Lehrerfahrung.
5 Die Promotion schafft möglicherweise, wenn auch nicht sicher, Vorteile auf dem Arbeitsmarkt und bei der VergütungVergütung späterer Beschäftigungsverhältnisse. Insbesondere in den Arbeitsbereichen Chemie, Biologie oder in den Kulturwissenschaften ist eine qualifizierte Anstellung für Wissenschaftler:innen ohne Promotion kaum erreichbar.
Folgende NachPromotion (Nachteile)teile einer Promotion sehe ich:
1 Wenn ich später nicht wissenschaftlich tätig sein werde, bietet mir die Promotionszeit keine Berufserfahrung im eigentlichen Sinne. In der Zeit, in welcher ich promoviert habe, sind andere Uniabsolventen vielleicht schon beruflich fest im Sattel oder haben es sogar bereits zu einer Führungsposition gebracht.
2 Der Ausgang der Promotion ist keinesfalls sicher. Einige Studien besagen, dass bis zu 40 Prozent der Dissertationsvorhaben abgebrochen werden – selbst wenn mir das persönlich deutlich übertrieben erscheint.
3 Ob mir die Promotion für das berufliche Fortkommen außerhalb der Wissenschaft einen echten Vorteil bringt, ist nicht immer eindeutig. Schließlich gibt es in allen Hierarchiestufen in Wirtschaft, Industrie und in der Verwaltung Top-Führungskräfte ohne Promotion.
Wenn man also erwägt, nach dem Master eine Promotion anzustreben, sollte man sich folgende FragenPromotion (Entscheidungscheck) beantworten:
Kann ich das ? Traue ich mir das fachlich zu? Bin ich ausreichend interessiert, engagiert, eigeninitiativ, diszipliniert, organisiert und belastbar, um eine längere Promotionszeit zu bewältigen. Bin ich in meinen fachlich-wissenschaftlichen Kompetenzen so gut aufgestellt, dass ich mich einem harten Wettbewerb wirklich stellen kann?
Will ich das? Überwiegen in meiner Bilanz die Vorteile einer Promotion deren mögliche Nachteile?
Bin ich gut informiert? Kenne ich die Anforderungen, Rahmenbedingungen und den Wettbewerb in diesem Arbeitsmarkt ausreichend gut?
Wer dann in Erwägung zieht, im Wissenschaftsbereich verweilen zu wollen, beziehungsweise wer für sich klare Vorteile sieht, der oder die sollte sich ein packendes Thema suchen, eine gute Betreuung – und dann mutig und zuversichtlich loslegen!“
Leo lehnte sich nach seinem kleinen Vortrag entspannt zurück in seinen Balkonstuhl und schaute erwartungsvoll in die Runde.
Arbeit für die Wissenschaft oder in der Forschung?
Amisha machte nach einem kurzen Schweigen der Anfang: „Warum hast du denn nach deiner Promotion den Forschungsbereich verlassen und bist in das Gebiet des Beraters für die Wissenschaft gewechselt, statt in der Wissenschaft zu bleiben?“, fragte sie.
„Ganz einfach“, erwiderte Leo, „ich habe tatsächlich aus pragmatischen Gründen promoviert und nicht aus wissenschaftlichem Ehrgeiz. Und das kam so: Aus meiner Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin hatte ich viele aufschlussreiche Themen, Materialien und Daten gesammelt. Alle Kolleg:innen um mich herum fragten mich beständig, wann ich denn endlich promovieren wolle. Ich entgegnete eine Zeit lang, dass ich nicht vorhätte, eine klassische wissenschaftliche Karriere hinzulegen. Deshalb sei für mich eine Promotion nicht erforderlich.
Ich wusste aber bereits, dass ich als Berater, Trainer, Moderator und Coach im wissenschaftlichen Umfeld bleiben wollte. Und so kam ich – unterstützt durch viele Tipps und Ratschläge – zu der Überzeugung, dass eine Promotion durchaus Vorteile mit sich bringen würde. Sie würde mir helfen, so dachte ich, mit meiner Klientel aus dem Wissenschaftsumfeld auf Augenhöhe zu bleiben. Schließlich ist ja nicht nur entscheidend, was man selbst alles weiß und kann. Wichtig ist ebenso, welches Bild und welche Erwartungen andere an mich haben.
Es ist als Dienstleister also wichtig auf dem Schirm zu haben, was dir deine Klienten zutrauen. Und wenn deine Auftraggeber aus dem Wissenschaftsbereich stammen, dann ist es hilfreich, wenn sie wissen, dass man irgendwie dazugehört oder zumindest für einen gewissen Erfahrungszeitraum dazu gehört hat. Und so habe ich mich an die Arbeit gemacht und nebenberuflich an der Technischen Universität Berlin mit meinem eigenen Thema promoviert.“
„Was hat dich denn gereizt, all die Jahre als Berater, Trainer und Coach fast ausschließlich im wissenschaftlichen Umfeld zu arbeiten?“, wollte nun Niko wissen. „Schließlich malst du die Wissenschaft ja nicht nur in den schillerndsten Farben. Jedenfalls habe ich mir das Paradies anders vorgestellt, als du es in Teilen beschrieben hast.“
„Da hast du vollkommen recht!“, entgegnete Leo. „Immerhin ist die Wissenschaft unverzichtbar für die Menschheit, und Bildung. Die Forschung hilft uns, uns selbst als Menschen oder unsere Umwelt einschließlich des Universums besser zu verstehen. Und sie ist vom Potenzial her Grundlage und Motor für die Entwicklung einer nachhaltigen Zukunft. Das finde ich in vielen Facetten faszinierend, sinnvoll und letztlich unverzichtbar.
Wenn ich in meiner Funktion einen kleinen Beitrag leisten kann, Wissenschaft motivierender zu gestalten, menschlicher und partiell etwas effizienter, dann erfüllt mich das wirklich. Schließlich arbeite ich sehr gerne mit Menschen und noch ein bisschen lieber mit klugen Menschen. Nur muss ich dafür nicht selbst Wissenschaft betreiben. Mir reicht es, ein mehr im Hintergrund tätiger Nutzbringer zu sein – sozusagen im Dienst der Wissenschaft.“
„Jetzt bin ich aber neugierig geworden!“, meinte Sinan. „Was wollen denn die Menschen aus dem wissenschaftlichen Umfeld von dir, wenn du doch selbst keine klassische wissenschaftliche Koryphäe bist?“
„Gute Frage!“, antwortete Leo. „Eigentlich gibt es drei Themen, bei welchen man im Forschungs- und Wissenschaftsbereich gerne auf meine Dienste oder auf die meiner zahlreichen Kolleg:innen zurückkommt. Meine Beratungs- oder Coachingleistungen werden vor allem deshalb in Anspruch genommen, weil viele Wissenschaftler:innen zwar fachlich und wissenschaftlich top sind, andere wichtige Kompetenzen in ihrer Ausbildung aber kaum oder gar nicht gelernt haben. Dazu gehören etwa folgende Themen und Fragen, mit denen sich Wissenschaftlerinnen und Forscher befassen:
Wieviel Management brauche ich als Koordinator:in, Arbeitsgruppenleiter:in oder als Führungskraft einer größeren Abteilung zum Beispiel rund um das Thema Strategiefindung, Organisationsgestaltung oder etwa agiles ProjektmanagementProjektmanagement?
Читать дальше