Reinhold Zobel
Die Entleerung des Möglichen
Prosa-Revue
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Inhaltsverzeichnis
Titel Reinhold Zobel Die Entleerung des Möglichen Prosa-Revue Dieses ebook wurde erstellt bei
Intro
Chronochrom
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Intro (fortgesetzt)
Figura oder Ein Mann verschwindet
1.Vigilie
2.Vigilie
3.Vigilie
4.Vigilie
5.Vigilie
6.Vigilie
7.Vigilie
8.Vigilie
9.Vigilie
10.Vigilie
11.Vigilie
12.Vigilie
13.Vigilie
14.Vigilie
15.Vigilie
16.Vigilie
17.Vigilie
18.Vigilie
19.Vigilie
20.Vigilie
21.Vigilie
22.Vigilie
23.Vigilie
24.Vigilie
25.Vigilie
26.Vigilie
27.Vigilie
28.Vigilie
29.Vigilie
30.Vigilie
31.Vigilie
32.Vigilie
33.Vigilie
Intro (fortgesetzt)
Kaa oder Tanz des Schicksals
I Welt hinter Glas
II Im Rücken des Schließers
III Stärker als die Gegenwart
IV Verspätet, zu früh
V Abdruck eines Toten
VI Mittelfinger, rechte Hand
VII. So eben dieses
VIII. Freier Fall
IX. Ein Fluch Ein Traum
X. Heute keine Vorstellung
Intro (fortgesetzt)
Bogus oder Am Kreuzweg
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Intro (fortgesetzt)
Impressum neobooks
Alles begann verhalten, unbetont, ja, leise.
Da wandert man also, den Taktgeber im Rücken, im Kopf, im Nacken oder sonstwo, wandert vereint durch Stunden, Tage, Jahre. Das Gedächtnis, das eigene und mit ihm das restliche Ich. Und man duzt einander. Das war nicht immer so.
Selbstgespräch: Schau nur, was dort hängt? Etwas, das vorher dort nicht gehangen hat… Es sind, so ließe sich vereinfacht sagen, bruchstückhaft permutativ, sowie mehr oder minder pastos eingefärbt - bereits verloren geglaubte ungetrübte Begleitumstände. Jedoch um die soll es an dieser Stelle nicht gehen…Ja, und dann wäre da noch die…Zeit. Sie fliegt und fliegt und fliegt - vielleicht, weil sie Langeweile hat - (kleiner Scherz am Rande (des sichtbaren Spektrums)). Denn, wie ein jeder weiß oder wissen sollte, nicht sie ist es, die vergeht. Wir vergehen. Ich entsinne mich an dieser Stelle aber auch eines Spruchs auf der Puderdose meiner Großmutter: Wenn die Zeit gute Laune hat, streut sie Goldstaub in die Augen des Raumes.
Fußnote - Und dann die alten, die uralten Fragen, die sterben, wie sie gelebt haben, oft ungeliebt: Wer war man eigentlich, ehe man wurde, was man ist?
Eine Streulinse? Eine Nacktschnecke? Ein Niob? Ein halb voller Aschenbecher? Eine Luftblase? Ein Schattenriss in der Menge? Ein Volksempfänger? Eine Mumie? Ein fehlender Buchstabe? Eine verpasste Gelegenheit?
Eine, wie mancher glauben mag, rein karitative Frage. Kann man auch anders sehen - nach dem, was geschehen ist. Auf jener, sagen wir…Reise. Einer langen, umwegigen Reise. Kein Blindflug im Plastiksarg der Gezeiten. Und jetzt, so raunen innere Stimmen, findet sich die Gelegenheit, in der Sache Stellung zu beziehen. Gut, gut, so mag es denn geschehen. Einiges wird wohl ungenau bleiben - doch bei aller Unschärfe - es gilt, gewissermaßen etappenweise, jenes Material zusammenzutragen, welches sich eignet, eine große Leinwand zu kleiden. Und das fallweise, in einem kleinen Reigen handgeschöpfter epischer “ Passpartouts ” …
Der neue Tag, noch unbekleidet, meldete sich mit einem zarten Weckruf aus der Kehle des Nichtstuns. Es war ein Tag aus Altsilber, nein, eher ein nasser, ein graulederner, ein verfrühter Vorwintertag, durchzogen von weichen, unpräzisen Nebelstreifen, und die Feuchtigkeit, die sie verströmten, konnte man förmlich riechen. Selbst hier, im Herzbeutel der Stadt.
Eine Frau mittleren Alters auf dem Gehsteig gegenüber - sie hatte einen weißen Pudel im Schlepptau. Und sie trug eine braune Nerzstola. Und sie war eben einer cremefarbenen Limousine entstiegen, der Pudel, wie Hunde es tun, mit einem raschen Sprung hinterdrein. Der Schritt der Frau wirkte leichtfüßig. Ihre Bewegungen zeigten aber, so mein vorläufiger Befund, obschon geschmeidig im Ablauf, eine gewisse einstudiert wirkende Eleganz.
Allein, ein Pelz, murmelte ich, während ich mit der interesselosen Gefallsucht eines Hustenbonbons an meiner Zigarre sog, ein Pelz macht noch keine Dame. Warum bewegte gerade diese Szene etwas in mir? Hätte es nicht ebenso gut etwas anderes sein können, ein Schatten auf dem Mars beispielsweise? Ich hatte keine Ahnung.
Ich betrachtete diese Person, bis sie aus meinem Gesichtsfeld entschwunden war, indessen ich, was mich selber anbetraf, einem vagen Empfinden folgend, weitgehend weltvergessen, der Überlegung nachhing, ob ich wohl für das, was die Zukunft für mich bereit hielt (was immer das sein mochte), vielleicht so etwas nötig haben würde wie eine, wie soll ich mich ausdrücken… Seelen-Diät? Dieser Gedanke, mochte er gleichwohl unbotmäßig sein, ging mit dem Lidschatten eines dunklen Gefühls einher, und das, soviel stand für mich fest, war herzmuskeltief.
Machen wir einen Ausfallschritt. Nicht, um dem eigenen Zwergen-Schicksal auszuweichen. Auch nicht, um Mitglied des Hosenbandordens zu werden. Vielmehr fallweise introspektiv. Man spürt da sein Eigengewicht. Das meine beträgt an guten Tagen 87 Kilo.
Das Café übrigens, in dem ich meine Verabredung hatte, lag - wie so manches Glück oder Unglück dieser Erde - gleich um die Ecke. Ich hatte es infolgedessen nicht weit. Und ich schätze es, es nicht weit zu haben. Ja, ich schätze eine gewisse Art von Nähe. Diese Art von Nähe. Ich vermutete, Carl würde schon vor mir da sein. Ich war pünktlich. Carl war, falls der Ausdruck gestattet ist, überpünktlich.
G. Antheil: Symphony for Five Instruments (Second Version)_ III. Presto - die ersten Takte - das war der Klingelton (ein “ Geschenk ”) Ich holte das Smartphone aus der Tasche. Viola (die Schenkerin) war am Apparat.
“ Wo bist du?”
“ Auf dem Weg… zu einer Verabredung.”
“ Mit wem?”
“ Kennst du nicht. Sein Name ist Carl. Carl Vieleck.”
“ Und wo?”
“ In einem Café. “
“ Kenne ich das denn?”
“ Ich denke nein. Es heisst Stofinger.”
“ Seltsamer Name.”
“ Seltsame Fragen… Wir sehen uns, Schatz. Später. “
“ Ja.”
“ Also. Bis dahin.”
Ich beendete das Telefonat. Schaute nach oben. Das Wetter änderte sich. Ich schätzte, dahinter verbarg sich gerade keine Navier-Stokes-Gleichung, sondern vielleicht nur eine mittlere Schnapslaune der Schöpfung.
Ich blickte um mich herum. Vor zwanzig Jahren gab es hier wie andernorts sehr viel weniger Fremde. Es war folglich bunter jetzt, ein kunterbuntes Farbenspiel…Die wundervollste Musik, sagte Carl neulich, sei in den menschlichen Sprachen zuhause. Sehe ich ebenso. Zu guter Letzt aber, auch das darf nicht unerwähnt bleiben, endet alles auf dem Gottesacker. Wäre ich Cherub oder Zauberer, überlegte ich, wäre mir das herzlich egal.
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