Sie sah ihn an und wusste offenbar nicht, was sie sagen sollte.
»Ich möchte Ihnen den Pareo schenken. Ich weiß, dass Sie ihn sehr gern haben wollten.«
Als sie immer noch nicht reagierte, trat der Aussie hinter sie, legte ihr den Pareo um die Schultern und umarmte sie dabei für einen kurzen, atemlosen Augenblick. Dann überreichte er ihr ein zauberhaftes Collier de fleurs. Wieder begegneten sich ihre Blicke. Shainee merkte, wie ihr Gesicht ganz heiß wurde.
»Ich hatte das unwiderstehliche Bedürfnis, einer wunderschönen Frau ein Geschenk zu machen, um sie ein wenig aufzuheitern.«
Sie legte den Kopf schief und musterte ihn. »Einfach so?«
Er nickte. »Glück ist ein Funke, der leicht überspringt. Wenn die Beschenkte glücklich lächelt, freut sich der Schenkende mit ihr.« Und im selben Atemzug: »Ich bin Tim.«
»Shainee.«
»Ich würde mich freuen, wenn Sie den Pareo morgen tragen, wenn Sie auf Ihrer Veranda sitzen.«
»Das werde ich.« Sie zog das Tuch von ihren Schultern, legte es sich über den Arm und strich mit den Fingerspitzen über die Seide. »Vielen Dank.«
Er winkte lässig ab. »Nicht der Rede wert.«
Sie sahen sich in die Augen und wussten beide nicht, was sie sagen sollten.
Die Situation war surreal. Kein Mann kaufte der Frau, die er vorhin in einem Laden getroffen hatte, ein Geschenk, nur weil er sie lächeln sehen wollte. Was hatte er vor? Er trug einen Ehering.
»Sie sehen toll aus«, lächelte er charmant.
Ihr Herz klopfte wie verrückt.
Entspann dich, Shainee, du bist fünfundvierzig und nicht fünfzehn.
Sie atmete tief durch. »Danke.«
Tim zögerte. Er wirkte plötzlich befangen. »Ich geh dann mal wieder.«
Schade!
»Nochmals vielen Dank für den wundervollen Pareo. Ich werde ihn beim Abendessen im Restaurant tragen. Die Blütenkette auch.«
»Ich hab zu danken. Für das zauberhafte Lächeln.«
Sie musste lachen. »Sie sind sehr nett.«
»Und Sie sind wunderschön.« Er beugte sich vor und küsste sie zart auf die Wange. »See you.«
»Bye.«
Shainee sah ihm nach, bis er in der Menge verschwand.
Mit den Spielzeugtüten kämpfte Tim sich durch das dichte Gedränge zwischen den Verkaufsständen. An einem Tisch mit einem Haufen Melonen blieb er stehen.
Auf der bunten Wachstischdecke hatte sich ein Baby in Windeln und Shirt zusammengerollt und schlief tief und fest. Schreckliche Erinnerungen an das Erdbeben in Haiti kamen in ihm hoch, Bilder von toten Kindern zwischen zertrümmertem Beton und verbogenem Stahl. Sein Job als Arzt bei Médecins Sans Frontières war aufregend und riskant und wurde in lebensgefährlichen Situationen von starken Adrenalin-Kicks begleitet. Aber das war nie das Wichigste für ihn gewesen. Er wollte den Menschen helfen, er wollte die Not lindern und Familien nach der Katastrophe wieder zusammenführen. Verrückt, oder? Denn genau daran war seine eigene Familie zerbrochen.
Er ging weiter, blieb aber immer wieder stehen und drehte sich nach ihr um. Wo war sie? Ah! Da drüben, bei den Fruits de mer. Er wartete ab, aber sie sah nicht zu ihm herüber.
Tja, dann eben nicht. Tim wandte sich ab und schlenderte weiter.
Ob man hier irgendwo ein kühles Bier kaufen konnte?
Die Fische zappelten noch, so frisch war der Fang. Die Farben waren so üppig wie auf dem Blumenmarkt: Zwischen den silbrigen Schuppen schimmerten die Flossen in Orange, Rot und Violett. Der große Moon Fish mit den korallenroten Flossen, die wie Flügel abgespreitzt waren, beeindruckte Shainee. Daneben lagen Fische auf Eis, die in allen Farben schillerten: Türkis, Grün, Gelb, Orange und Rot. Ein paar Schritte weiter gab es Sushi Tahiti Style. Das musste sie natürlich probieren. Während sie darauf wartete, dass ihr ein Plastikschälchen mit mariniertem rohem Fisch über den Tisch gereicht wurde, schaute sie hinüber zu Tim, der mit seinem Outback-Safari-Outfit und seinem Stetson von weitem auszumachen war. Aber er sah sie nicht.
Sie horchte in sich hinein: War sie enttäuscht? Ja, ein bisschen schon.
Zart und aromatisch zerging der marinierte Thunfisch auf ihrer Zunge, und sie bestellte gleich noch eine Portion.
Mit allen Sinnen genießen: Wieso stand das eigentlich nicht auf ihrer Wunschliste? Egal, das konnte sie ja noch nachtragen.
Klick! Das Foto erschien auf dem kleinen Bildschirm. Der Marché, die Menschen, die Farben und Düfte, die heitere Stimmung – das alles war eingefangen. Eine schöne Erinnerung.
Tim suchte sie in der Menge. Da war sie. Er zoomte sie heran. Sie lächelte, wie schön! Sein Herz klopfte, als er auf den Auslöser drückte.
Klick! In diesem Augenblick schaute sie zu ihm herüber. Und ihm stockte der Atem. Sie hatte gesehen, dass er sie fotografiert hatte.
Shainee ging zu ihm hinüber. »Hallo, Fremder.«
»Hallo.« Tim grinste unverfroren und schob sein BlackBerry in die Hemdtasche. »Jetzt haben Sie mich erwischt. Aber Ihr Fünf-Megapixel-Lächeln war einfach unwiderstehlich.«
Sie konnte nicht anders, sie musste lachen. »Ich nehme das als Kompliment.«
»So war’s gemeint.«
Es war schön, gemeinsam mit ihm zu lachen. Er hatte eine herzliche und spontane Art, die sie anrührte und die ihr gut tat. Sie mochte ihn. Sogar sehr.
»Ich hab keine Lust, heute Abend allein im Restaurant unseres Hotels zu hocken, verliebten Pärchen beim Knutschen und glücklichen Familien beim Händchenhalten zuzusehen. Das würde mich in tiefste Verzweiflung stürzen«, sagte Tim. »Sind Sie hungrig? Abends kommen Les Roulottes zum Hafenkai. Das ist nicht weit von hier. Wie wär’s, hätten Sie Spaß, heute Abend mit mir auszugehen?«
Eigentlich wollte sie bald Mark anrufen, der heute Abend ein Geschäftsessen mit jemandem von Walt Disney Parks and Resorts hatte. Disneyland zeigte Interesse an Marks neuestem Filmprojekt und zog bereits jetzt, Monate vor dem Kinostart eine Erweiterung des Parks in Betracht. Was für ein Erfolg für Mark! Fast so gut wie vorletztes Jahr der Academy Award!
Na ja, was soll’s, dachte sie. Ich kann auch später noch mit ihm telefonieren, wenn er wieder zu Hause ist.
Ein netter, unterhaltsamer Abend mit Tim? Sie freute sich darüber, dass er mit ihr essen gehen wollte, doch sie spürte, dass er ebenso unter Spannung stand wie sie.
Sie legte den Kopf schief und sah ihn an. »Ja, gern.«
Er lächelte, und was noch an Unsicherheit zwischen ihnen geblieben war, verflog. »Prima. Dann los.«
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