Es ist nun endgültig der Punkt erreicht, an dem ich überlege aufzugeben!
Das ach so romantische Vanleben, in solch einer Situation weiter auszureizen, ist verantwortungslos: Meinem Sohn gegenüber, aber auch meiner Gesundheit. Ich beschließe schweren Herzens ein Haus zu mieten; es hilft nichts, eine Choza muss her.
Ich kapituliere!
Es ist Montagmittag. Erneut breche ich auf zur Gasolina. Enttäuscht, wütend und auch noch von diesem doofen Fieber geschwächt, tuckern wir die überschwemmte Straße entlang.
Da ich das Flamenco Gejaule aus Radio National Tres nicht mehr ertragen kann, schiebe ich eine „Kassette“ in Bus Lees oldschool Blaupunkt Radio.
Zu meinem Unglück jault nun nicht nur der Sturm, sondern auch noch die Kassette; der gute, alte Johnny Cash trägt mir „Hurt“ vor.
Wieder einmal kullern mir die Tränen die Wangen hinunter. Ich habe mir das Zigeunerleben im Bulli viel lustiger vorgestellt!
I hurt myself today To see if I still feel I focus on the pain The only thing that's real The needle tears a holeThe old familiar sting Try to kill it all away But I remember everything
Shit Happens!
Im Tankstellen Bistro miete ich mich für fünfzig Cent kurz ins Internet ein und buche online ein Ferienhaus. Ich bekomme sofort die Telefonnummer des Vermieters und die Zusage sofort einziehen zu können.
Kurz darauf begebe ich mich mit raschen Schritten in den Shop und suche das Nötigste wie Wasser, Mehl, Eier, Milch, Obst, Käse und Brot.
Als ich meine klassischen sieben Sachen in den Regalen zusammen suche sehe ich sie. Ein kleiner Schreck fährt mir durch die Glieder! Linda!
Zufällig kommt sie in ausgerechnet in diesem Augenblick ebenfalls in die Tankstelle und - sieht mich.
Es ist natürlich auch zu spät für mich, mich zu ducken. Das würde ja auch echt blöd aussehen! Warum sollte ich auch?!
Aus dem Cartero und von Erzählungen Blakes kenne ich sie ja und sie mich auch. Bevor das mit Blake an dem Strandparker passierte, hatten wir auch schon mal einen ganz netten Smalltalk. Sie muss eigentlich wissen, dass ich Blakes Exfreundin bin.
Einige Sekunden starren wir uns gegenseitig an.
Zwei Kontrahentinnen, die in denselben Kerl verliebt sind. Waren. Mich hat Blake als Fan verloren!
Unschlüssig, was sie sagen soll, steht sie da und starrt mich an. Ich mustere sie. Sie mustert mich. Glotz! Glotz!
Zickenkriegsituation.
Nur, dass ich eben keine Zicke bin!
Linda ist eine hübsche Person.
Nur eben hundert Prozent das Gegenteil von mir. Sie hat lange glatte, blonde Haare, fast bis zum Arsch.
Sie ist ein wenig moppelig und hat enorme Kurven zu bieten. Keine Ahnung, welche Körbchengrösse ihre sein könnte. Doppel D?
Irgendwas Riesiges. Sie ist so hellhäutig, wie ich dunkelhäutig bin. Und auch, wenn sich das jetzt gemein anhört, sie hat einen Bratpfannenarsch!
Groß, aber flach wie eine Bratpfanne.
Klamottentechnisch ist sie diese typische Reiterin: sie trägt schmuddelige braune Reithosen und ein mindestens genauso schmuddeliges weißes Poloshirt.
Und sie riecht drei Meilen gegen den Wind- nach Stall. Herrlich!
Jetzt muss ich wider Willen grinsen. Jedem seinen Sport, jedem seinen Arsch und jedem seine Duftmarke.
Jetzt muss ich aufpassen, nicht loszuprusten.
Aber: die Gedanken sind frei! Ich persönlich finde den Geruch der Wellen und des Windes dann doch angenehmer.
„Hey Linda! Alles fein?“, begrüße ich sie etwas unterkühlt wenngleich höflich, drehe mich dann megacool um und trabe schnellstmöglich zur Kasse, damit ich nicht hinter ihr stehen muss.
Wer zuerst kommt malt zuerst .
An der Kasse stehend, stelle ich mir vor wie es wäre, wenn ich Blake mal zusammen mit Linda sehe? Auf einer Party vielleicht. Oder am Strand?
Wie würde ich mich fühlen?
Muss ich dann lachen oder heulen?
Allein die Vorstellung macht mir noch immer ein bisschen Panik. Ich muss einen Weg finden, damit umzugehen.
Mein Dad hat mal gesagt, wenn die Stürme des Lebens über uns hereinbrechen, dann ist es lebensnotwendig, dass wir schwimmen und uns über Wasser halten können.
Und sich über Wasser zu halten, gelingt, wenn man sich seinen Gefühlen nicht ausgeliefert fühlt!
Wenn man weiß, wie man seine Gefühle steuern und beeinflussen kann, dann ist das ein guter Schutz in Krisen.
Ha! Ich war Leistungsschwimmerin als Kind und Teenie.
So schnell zieht mich nichts runter!
Und für die guten Gefühle muss ein cooler Masterplan her, einen auf den ich mich freue und der mein Herz wieder höherschlagen lässt!
Ok, Eddie! Here we go.
Ich grinse siegessicher und Pferdemoppel Linda mit den dicken Titten bekommt sogar noch ein „ Ciao “ von mir auf den Weg geschenkt!
Eine halbe Stunde später sind wir zurück am Kap Trafalgar.
Wir beziehen eine Choza in Canos de Mecca. Es ist ein einfaches, kleines Landhaus mit einem niedlichen Strohdach, wie es früher für diese Region typisch war.
Die Choza besteht aus einem einzigen, sehr gemütlichen und stilvoll eingerichteten Raum, hat jedoch ein abgetrenntes Bad, mit Dusche und Toilette und eine niedliche kleine Küche.
Die Küche ist mit den typischen, bunten marokkanischen Kacheln gefliest und besitzt neben Zweiplattengasherd, Minikühlschrank, Minibackofen, einer Miniwaschmaschine sogar eine Minimikrowelle. Eben alles Mini.
Wenn man jedoch zwei Jahre lang vier Quadratmeter im Bulli gewohnt ist, erscheinen einem fünfundzwanzig Quadratmeter plötzlich so groß wie ein Palast.
Besonders toll an der Choza ist, sie hat ein gemütliches großes Doppelbett, das man nicht wie im Bulli zum Essen wegklappen muss.
TV und WLAN sind ebenfalls vorhanden. Für die Wärme sorgt ein gemütlicher gusseiserner Holzofen, neben dass der Vermieter freundlicherweise einen kleinen Stapel Holz gelegt hat, dessen Feuer ich als allerersten Akt sogleich entfache. Mhhh... tut das gut! Richtige Entscheidung getroffen!
Welcome back to Civilization.
Mein zweiter Akt nach der heiß ersehnten Dusche, die ich mir und anschließend Miki verpasse ist, mit meiner Mom über WhatsApp zu telefonieren.
Von ihr erhalte ich sowohl Rüge als auch Motivation.
Erst hört sie geduldig zu, was alles die letzten Tage auf mich eingeprasselt ist. Ich berichte ihr von meiner erlittenen Unterkühlung beim Surfen, von Blakes neuem Poppbus King und dass ich glaube er habe extra mit der Riu Tusse gepimpert, um mich eifersüchtig zu machen.
Ferner berichte ich noch, dass Miki und ich drei ganze Tage im Bulli eingesperrt waren, um der Apokalypse aus der Wohndose beizuwohnen, ich nun aber ein Haus gemietet habe, weil alles nass ist und ich mein Fieber nicht in den Griff bekomme.
„Bleib besser im Hause, Eddie! Wie geht es Miki? Ist er gesund?“, fragt Mami.
„Ja. Miki ist quitschvergnügt und rennt draußen mit Gummistiefeln und Regenjacke irgendwelchen Welpen hinter her. Heute ist sogar die Vorschule in El Palmar wegen den sintflutartigen Regenfällen ausgefallen.“
„Es ist besser so! Bleibt in dem Haus!“ rät mir Mami.
Wir telefonieren eine ganze Weile. Zum Schluß drängt sie mich liebevoll, zum Arzt zu gehen, damit ich im Falle einer verschleppten Lungenentzündung doch noch Antibiotika nehme und schnell wieder gesund werde.
Ich verspreche meiner Mom hoch und heilig, dass wenn ich am siebten Tag nach meiner Unterkühlung immer noch Fieber haben sollte, in das nächstgelegene Centro de Salut , das örtliche Gesundheitszentrum in Conil, fahren und mir Medikamente besorge werde.
Einige Tage später geht es mir jedoch schon wieder ausgezeichnet. Ich habe Glück im Unglück, denn in dem warmen kuschleigen und vor allem trockenen Häuschen sinkt endlich mein Fieber.
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