1 ...8 9 10 12 13 14 ...26 „Ja, das ist es wohl“, sagte Klauk. Er wollte Meister eine Frage stellen, doch kam der ihm zuvor.
„Haben Sie schon eine Spur? Die Stimme. Jemand muss doch diese Stimme kennen?“, sagte er und setzte sich in seinem Sessel zurecht. Seine Hände formten eine Raute, so wie man es von der Bundeskanzlerin Angela Merkel kannte. Sollte das nicht unterschwellig Dominanz demonstrieren?
„Wir arbeiten daran. Aber ich möchte Ihnen zuerst ein Paar Fragen stellen, Herr Meister. Die erste ist: woran hat Jan Schnackenberg gearbeitet? Die zweite ist: gab es in der letzten Zeit Streit mit einem unzufriedenen Kunden?“
Meister musterte Klauk eine Weile. Klauk suchte nach der Arroganz, mit der manche Banker auf andere Menschen herabsahen, weil sie nicht mit Geld jonglierten. Beleidigende Herablassung und unverschämte Selbstgefälligkeit; damit bemühten sich einige Banker dem Bild in der Öffentlichkeit zu entsprechen, was sich seitdem Ausbruch der Finanzkreise beinahe jeder über sie machte.
Doch solch einen Blick konnte er nicht ausmachen. Da war etwas anderes.
„Streit mit einem Kunden? Nein. Mit unseren Kunden gibt es keinen Streit. Wir gewähren Kredite für große Firmen. Da gibt es keinen Streit. Das beantwortet auch direkt ihre erste Frage nach seinen Aufgaben bei uns. Herr Schnackenberg war unser Bester.“ Er zwinkerte zweimal kurz, nachdem er den Satz beendet hatte.
Klauks Schwulenradar meldete sich. Nicht dass er etwas gegen Homosexuelle gehabt hätte. Einige seiner Freunde waren Homosexuelle. Nein, er wunderte sich bloß, dass sein Radar nicht sofort angeschlagen hatte.
„Herr Meister, wir müssen den Arbeitsplatz von Jan Schnackenberg überprüfen. Es kann sein …“ Weiter kam er nicht, weil Meister ihn unterbrach. Bestimmt, aber freundlich.
„Ich fürchte, dass wird nicht möglich sein, Herr Klauk. Wie ich Ihnen bereits sagte, arbeiten wir mit großen Firmen zusammen. Deren finanzielle Befindlichkeiten dürfen nicht Ziel einer polizeilichen Untersuchung werden. Das werden Sie sicher verstehen.“
Das Zwinkern. Diesmal verriet es Klauk seine Nervosität.
„Und ich fürchte, dass wir darauf keine Rücksicht nehmen können. Es geht hier um Mord.“
Das Gesicht des Bankers versteinerte sich.
„Das werden Sie dann mit unseren Anwälten ausdiskutieren müssen.“
„Wenn das so ist. Die Staatsanwaltschaft Bonn wird darüber informiert. Noch eine letzte Frage. Hatte Jan Schnackenberg sexuellen Kontakt zu einer Mitarbeiterin ihrer Bank?“
Harald Meister fuhr hoch. „Wir spionieren unseren Mitarbeitern nicht nach. Das kann ich Ihnen nicht beantworten“, sagte er pikiert. Sogar mehr als pikiert. Sein linkes Augenlid zuckte. Mehrmals.
Was sollte dieser Mini-Gefühlsausbruch? Klauk war sicher, dass er mehr über das Intimleben seines Angestellten wusste, als er bereit war, preiszugeben.
„Vielen Dank, Herr Meister für ihre Zeit. Wir sehen uns sicher noch. Und ihre Anwälte wollen doch sicher auch, dass der feige Mord an Jan Schnackenberg aufgeklärt wird? Alles, was unsere Kriminaltechniker herausfinden, bleibt streng geheim. Keine Sorge.“ Er stand auf.
Harald Meister hatte seine Fassung wiedergefunden und reichte ihm die Hand.
Klauk achtete diesmal auf den Händedruck. Er war alles andere als fest. In den Augen des Mannes sah er mehr Fragezeichen, als bei einer Lateinarbeit in der sechsten Klasse eines Gymnasiums.
Als er wieder draußen vor dem Bankgebäude und in der Bonner Waschküche angelangt war, ärgerte er sich kurz über eine Mercedes S-Klasse, die viel zu dicht an seinem Opel geparkt hatte. Sicher wieder einer, der dringend einen Kredit für seine marode Firma benötigte, dachte er.
Dann zog er sein Handy hervor und rief Hell an. Der sollte sich um einen Durchsuchungsbefehl für den Arbeitsplatz samt Schreibtisch von Jan Schnackenberg kümmern. Schon zirkelte er mit geschickten Lenkbewegungen den Opel aus der Parklücke.
*
Als das Handy klingelte, zuckte Wendt zusammen. Er stand vor der Garage in einem Hinterhof, in dem Stephan Gericke seine Schrauber-Werkstatt unterhielt. Sein Hemd klebte an der Haut, dort wo das Handy in der Brusttasche steckte. Er nahm es heraus, zog sich das klebrige Hemd von der Haut und bewegte es ein paar Mal auf und ab. Dann erst beantwortete er das Klingeln. „Wendt.“
Er trat einen Schritt näher an einen roten Mazda MX5 heran. Das alte Modell mit den Schlafaugen. Ohne Nummernschilder stand der kleine Roadster neben der Garagentüre. Er warf einen Blick in den Innenraum des Autos. Dabei hörte er Julian Kirsch zu, der ihm mit seiner angenehmen Stimme gerade darüber informierte, dass man die Untersuchung des Audi A8 abgeschlossen habe. Es sei weder ein Laptop, noch eine Aktentasche gefunden worden. Gauernack hatte keine Unterlagen bei sich gehabt. Was ungewöhnlich war, denn Gauernack war dafür bekannt, dass er sein privates Büro immer bei sich führte. Wendt bedankte sich bei Kirsch für die Information.
Er wählte Hell auf der Kurzwahltaste an. „Hallo Chef, ich stehe gerade vor der Werkstatt von Stephan Gericke. Die Werkstatt ist geschlossen. Bei ihm zuhause ist er auch nicht. Seine Nachbarn haben ihn auch seit gestern früh nicht gesehen. Wir sollten ihn zur Fahndung ausschreiben. Ich veranlasse das“, diktierte er auf das Band des Anrufbeantworters. Hell schien nicht im Büro zu sein.
Er steckte das Handy zurück in die Brusttasche. Der kleine MX5 hatte es ihm angetan. Sein eigener Mazda war das aktuelle Modell. Dieser hier war sicher einer der ersten, die herausgekommen waren. Gebaut Anfang der Neunziger Jahre. Der Zustand war für das Alter recht gut. Eine der Schlafaugen hatte ein zu großes Spaltmass, der Rest wirkte ganz passabel. Er blickte erneut in den Innenraum, hielt die Hand an die etwas staubblinde Scheibe auf der Fahrerseite.
Dort hinter dem Beifahrersitz klemmte eine Tasche. Eine Tasche aus Leder. So eine Tasche hatte er doch bei…
Hektisch tastete er nach dem Türöffner. Wendt kam nicht mehr dazu, seinen Gedanken zu Ende zu denken. Die plötzlich um ihn herum einsetzende Dunkelheit verhinderte es.
*
Hell zog es vor zu schweigen. So lange, bis er den Durchsuchungsbefehl für das Büro von Jan Schnackenberg in Händen hielt. Er blickte nach vorne und fixierte Brigitta Hansen so intensiv, bis sie ihn endlich fragte: „Was ist? Hängt Ihnen noch das Gespräch mit Überthür in den Knochen?“
„Nein. Das tut es nicht. Wenn ich ganz offen reden darf, Frau Oberstaatsanwältin?“
„Ich bitte darum.“ Sie schob ihre Lippen nach vorne und wartete.
„Grand Malheur, wenn wir diesen Mann nicht wieder abschütteln können.“ Er sparte sich weitere Formulierungen, sie verstand ihn auch so.
„Es ließ sich nicht vermeiden. Der Mann ist quasi eine Bugwelle. Sie haben ja sicherlich von dem Polizeichef gehört, der uns nun zugeteilt wird. Überthür ist gewissermaßen seine Vorhut.“
Sie verzog ihren Mund. Hell deutete das richtig. Ihr passte es genauso wenig. Denn Überthür würde brühwarm dem Polizeichef alles weitertragen, was seine Vorgesetzte tat. Da Brigitta Hansen selbst erst kurze Zeit im Amt war, konnte man sie nicht wieder abberufen und den Posten anderweitig vergeben. Das wusste auch Überthür. Also war direkt Feuer im Schiff, wenn der Polizeichef seinen Dienst antrat.
„Er ist nicht nur eine Übergangslösung? Na dann viel Spaß. Vielleicht lassen wir uns dann alle nach Australien versetzen“, scherzte Hell bitter.
„Nein, soviel wie ich weiß, sollte er genau das andeuten. Und zwar damit man vielleicht unvorsichtig ist und Dinge sagt, weil man denkt, dass er ja bald wieder weg sein wird. Nein, der bleibt uns erhalten. Und wenn ich mal ganz ehrlich sein soll, das wirft kein gutes Licht auf den, der unser aller Vorgesetzter sein soll.“ Sie schüttelte leicht den Kopf.
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