1 ...7 8 9 11 12 13 ...28 Das Donnern und Blitzen war überall. Es glich einem Hexenkessel aus Farben, Funken und Rauch. Schreie hallten durch den Nebel aus Qualm. Menschen, Elben, Elfen, sie alle rannten wild durcheinander. Angst griff um sich und Hysterie machte sich unter den Flüchtenden breit.
„Nimm das Kind, Geliebte und lauf! Nazra, Thailo und Norna werden euch begleiten.“ Der Mann küsste die blonde Frau und das kleine Kind zärtlich.
„Gibt es keine Zukunft für uns? Keine andere Lösung?“ Verzweiflung schwang in der Stimme der Frau mit.
„Ich wünschte es so sehr! Geht, mein Herz. Geht, wir halten sie auf!“ Tränen rannen über sein Gesicht, die Frau versuchte mutig zu lächeln.
Sie legte ihm die Hand an die Wange, flüsterte leise elbische Worte und in der Sprache der Menschen: „Nichts ist vergessen, nichts wird vergessen. Unsere Liebe wird überdauern und die Zeit wird kommen, Geliebter, mein Leben. Inschala!“
Sie drehte sich um und entfernte sich eilenden Schrittes, flankiert von den zwei Frauen und den zwei Kriegern. Sie rannten durch Kämpfende, stiegen über Tote, niemand wurde verschont. Die Krük waren gekommen, der Gestank nach Blut und Verwesung war allgegenwärtig und nahm ihnen fast die Luft. Auszurotten war ihr Ziel und sie würden nicht aufhören, bis auch der Letzte der Blutlinie der up Devlays tot war!
„Mami, was sind das für Lichter? Wo gehen wir hin? Wo ist Papa?“, fragte das kleine Kind die blonde Frau.
„Sieh nicht hin, Isa, unsere Welt geht in Flammen auf!“ Sie drückte das Kind beruhigend an sich und lief noch schneller, das Böse im Nacken. Sie fühlte es, aber sie mussten es schaffen, sie mussten einfach. Vor ihnen ragte das steinerne Drachentor empor. Und dort waren sie schließlich umzingelt, doch dies spielte keine Rolle mehr. Sie gab ihre zornig weinende Tochter der Frau mit dem Namen Norna: „Du weißt, was zu tun ist.“ Zärtlich küsste sie das schreiende Mädchen auf die roten Haare.
„Vergiss nie, dass ich dich liebe! Für immer, mein Stern!“
Mit der anderen Frau und den Kriegern bildeten sie einen Verteidigungsring um Norna und das Kind. Norna beschwor das Tor, flüsterte geheime Worte in Elfisch und das Tor öffnete sich. Das Letzte, was die Alte sah, war, wie einer nach dem anderen fiel und starb. Die blonde Frau war die Letzte. Selbst im Tod strahlten die blonden Locken Isabella Dorothea up Devlays noch wie die Sonne.
Verschwitzt und verängstigt fuhr ich aus dem Schlaf. Ich versicherte mich, dass ich mich in meinem Zimmer befand. Keine Monster! Nur das leise Ticken des alten Weckers. Inzwischen war es Nacht geworden und mein Zimmer lag im Dunkeln. Nach längerem Tasten fand ich die Lampe auf meinem Nachttisch und schaltete sie ein. Erleichtert sah ich mich um. Nein, alles beim Alten, kein Kriegsschauplatz, keine Leichen unter meinem Bett.
Ein lautes Seufzen entwich mir. Ich bemerkte einen metallenen Geschmack in meinem Mund – Blut. Ich hatte mir wohl die Lippen aufgebissen. Kein Wunder, so real wie dieser Albtraum gewesen war! Mein Blick blieb an dem Schuhkarton und seinem Inhalt hängen, der auf dem rosa Plüschteppich fehl am Platz wirkte. In meinem Kopf hallte immer noch der Traum nach. Die traurigen Augen des Mannes mit den roten Haaren und die widerspenstigen, blonden Locken der Frau. Isabella Dorothea genauso ein bescheuerter, altmodischer Name wie mein eigener, dachte ich. Das vermaledeite Pergament war schuld. Da musste ja zwangsläufig die Fantasie mit einem durchgehen! Oder?
Der Widerspenstigen Zähmung
Freundlicherweise war Mrs. Pomfrie trotz später Stunde bereit, mir ein leckeres Schinkensandwich zu kredenzen. Ausgehungert wie ich war, kam es mir vor wie der Himmel auf Erden. Mit einem kleinen Schluck Whisky spülte ich nach. Wenn man vom Pferd fällt, steigt man ja auch sofort wieder auf!
Mrs. Doc Pomfrie versicherte, dass es mir nun wieder bestens gehen würde, was mich seltsamerweise in Hochstimmung versetzte und mich die Welt wieder in freundlicherem Licht sehen ließ.
Zurück im Zimmer räumte ich mein Chaos auf. Ich war dabei alles in den Rosen-Schuhkarton zu stecken, als meine Augen an der zerknüllten Einladung haften blieben. Sie lag immer noch neben dem Mülleimer, den ich im Zorn nicht getroffen hatte. Zuerst wollte ich sie entsorgen, doch etwas ließ mich zögern. In meinem Kopf machte es `Klick´ und ein Gedanke nahm Form an.
Duncansby Head, das Tor. Lag das nicht fast neben Dunvegan Castle? Täuschte ich mich? Irgendwo hatte ich es doch gelesen.
Wo war das gleich? Nach einem Moment des Überlegens fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Mrs. Pomfries Touristeninfo! Dabei handelte es sich um ein kleines, wackeliges Tischchen, übersät mit Broschüren von den Touristenattraktionen hier in Schottland.
Dumm war nur, dass es recht spät war und ich der werten Lady nicht begegnen wollte. Ein weiteres unerfreuliches Detail war: Der Tisch stand im Flur unter mir, zwischen Küche und Gäste-Esszimmer. Also volles Risiko. Falls sie mich erwischen sollte, würde ich behaupten, vor Durst zu vertrocknen. Vorsichtig, um ja kein Geräusch zu machen, schlüpfte ich aus der Tür und schlich auf Strümpfen die Treppe hinab. Plüsch schluckt so manches Geräusch, nur das Knarzen der alten Holztreppe leider nicht. Bei jeder zweiten Stufe blieb ich stehen und lauschte. So ähnlich musste sich ein Einbrecher fühlen.
Wie gut, dass Mrs. Pomfrie immer sehr besorgt und bemüht um ihre Gäste war. Allein diesem Umstand war es zu verdanken, dass immer ein Nachtlicht brannte. Denn Toiletten und die Duschen befanden sich auf dem Flur. So hatte ich, wenn auch nur spärlich, etwas Licht. Mit einem sehr flauen Gefühl in der Magengegend erreichte ich das Ende der Treppe. Was, wenn sie mich doch erwischte, womöglich noch mit der Broschüre in der Hand? Du meine Güte. Sie würde noch auf die unsägliche Idee kommen, ich hege Interesse an diesem MacLeod! Selbstverständlich tat ich das nicht! Keinen Moment. Ja gut, mit den fast zwei Metern Körpergröße und diesen Augen ...
Halt, Stop! Nein, niemals wieder. Mit mir nicht. Ich hatte es mir geschworen. Männer sind Schweine und Schlimmeres, alle gleich, rügte ich mich im Stillen.
Stück für Stück arbeitete ich mich den Flur entlang. Noch bevor ich sie sehen konnte, hörte ich sie schnarchen.
Walross. Sie hörte sich tatsächlich an wie ein Walross! Schnell schlug ich mir die Hand vor den Mund, um nicht laut loszulachen. Einen kurzen Blick durch den Türspalt konnte ich mir aber doch nicht verkneifen. Sie sah friedlich aus in ihrem karierten Ohrensessel und den auf ihrem Schoß ruhenden Stricknadeln; die Wolle lag in einem wilden Wirrwarr zu ihren Füßen.
„Oh, oh, viel Spaß beim Entwirren, Mrs. Pomfrie!“, flüsterte ich.
Ein besonders lauter Schnarcher ließ mich zusammenzucken. Friedlich, ha, ha, wenn nur dieses Schnarchen nicht wäre. Im Fernsehen lief eine Talkshow, die das Ganze noch mit Sound untermalte. In Gedanken schoss ich ein Foto. Als ich mich umdrehte, wäre ich fast über Herrn Schmidt gestolpert, der mir um die Beine schnurrte. „Böse Katze, Herr Schmidt“, murmelte ich – ein lautes „Miau“ war die Antwort.
„Pssst. Schmidtchen, ist ja gut. Verrat mich nicht.“, flüsterte ich dem braunen Tigerchen zu, während ich ihn hinter den Ohren kraulte. Eng an die Wand gedrückt, schlich ich weiter. Meine Hand ertastete die Tür zum Gäste-Esszimmer. Gut, okay. Weiter und da, jawohl, da war endlich mein Ziel. Im schummrigen Licht bemühte ich mich vergeblich, die von mir gewünschte Broschüre zu ertasten. Verflixt, es war einfach zu dunkel. Was sollte ich nur tun? Ich entschloss mich, einfach von jeder Broschüre eine zu nehmen. Das konnte doch nicht so schwer sein! Konzentrieren und von jeder Größe eine nehmen. In meinem Zimmer sollte sich herausstellen, dass es eine glänzende Idee von mir gewesen war.
Читать дальше