nicht gelingt, da er selber nicht weiß, wie er's haben
möchte. Ein Vierter bekämpft mit altem Mute seine
riesige Sinnlichkeit und wird zum ächten
Asketenhäuptling, läßt wieder seine eiserne Willenskraft
bewundern, obgleich er sich in jeder stillen Stunde
auslachen muß, da ja alle seine Kraft nur eine
naturgemäße Folge von Ausschweifung und Ekel ist. Ein
Fünfter hofft immer einen Sack mit Gold zu finden –
und was findet er? Einen Sack mit giftigen Witzen!! Ein
Sechster muß stets vergeblich »Geld« besorgen – d.h. es
gelingt ihm nie!! Und ein Siebenter muß zu Allem »Ja«
und »Amen« sagen, was ihm von je so schwer fiel. Und
die Millionen Andern arbeiten und regieren, befehlen und
gehorchen – auch genau so wie einst. Die Maschinen
rasseln wieder, und die Denkerköpfe rauchen wieder, die
Kartoffelfelder tragen wieder ihre mehligen Früchte, die
Säufer saufen ganz im alten Stile weiter, und die
Verbrecher brechen wieder bei den Leuten, die was
haben, ein.
Alles ist wie einst! – Es spielt sich bloß schön
umrahmt in herrlichen Palästen und Domen ab, die so
groß sind, daß man gar nicht durchsehen kann. Sonst ist
kein Unterschied.
Die guten Menschen sind natürlich mit Allem
zufrieden – aber die bösen Menschen sind natürlich mit
nichts zufrieden – ihnen genügt nicht die Alles belebende
Sonne der Baukunst – sie wollen Abendbrot mit Austern
und starkem Getränk – ununterbrochenes Vergnügen mit
Tingeltangel und Schlittenfahrt.
Die guten Engel wollen die bösen Menschen
besänftigen und trösten, sagen freundlich: »Kinder, Ihr
wißt gar nicht, was Euch frommt! Leid und Freud sind in
jedem Menschenleben ganz gleichmäßig verteilt. Diese ist
ohne jenes gar nicht denkbar. Seid vernünftig! Alle
Wünsche sind nicht erfüllbar. Ist es nicht genug, daß wir
Euch eine angenehme Umgebung geschaffen haben? Ihr
wollt bloß immer vergnügt sein – und das geht doch
nicht.«
»Warum nicht?« schreien die Bösen.
»Weil's Euch langweilen würde!« antworten die Engel,
und sie gähnen, während sie an ein ›ewiges‹ Glück
denken.
Die Bösen aber lachen – so häßlich, daß die guten
Engel ernstlich böse werden.
»Man sollte Euch eigentlich,« fahren sie in schärferem
Tone fort, »piesacken – mit feurigen Zangen. Die
Dummheit muß mit Feuer und Schwert ausgerottet
werden. Ihr werdet's niemals verstehen, daß anständig
›wohnen‹ besser ist als anständig ›leben‹. Wie die Pflanzen
der Erde hauptsächlich nur von Licht und Luft lebten, so
sollt Ihr jetzt auch hauptsächlich von dem leben, was
Euch umgibt – von dem Licht und von der Luft der
göttlichen Baukunst, die die ›wahre‹ Kunst ist. Ist es Euch
tatsächlich nicht genug, in diesen himmlischen
Strahlburgen leben zu können? Wißt Ihr immer noch
nicht, was es heißt: in einer Traumwelt daheim zu sein?
Das ist doch die prickelnde Auster der Armut! Was sind
dagegen alle Kaninchen des Reichtums? Eine große
Quarkerei – nicht mehr! Euer Leben soll nur ein Akkord
in der Sphärenmusik des Alls sein – Euer Schmerzenslaut
ist also nicht zu entbehren – sonst wird ja die
Sphärenmusik so weichlich wie Milchreis! Ihr
unglaublichen Nilpferde!«
Die Bösen schütteln sich vor Lachen und halten sich
den Bauch. Die Engel bleiben aber ganz ernst, sie sagen
noch traurig: »Ihr kommt ja sämtlich nicht zu kurz! Die
Qualen des Bettlers werden gleich mit Freuden belohnt,
von denen die armen Könige nichts wissen. Und zu
alledem kommt noch diese prunkvolle Traumwelt Eurer
Wunderpaläste.«
»Die macht uns grade erst recht begehrlich! Wir
wollen keinen Selbstbetrug!«
Also schreien wild durcheinander die dummen
Bösewichter, die immer vergnügt und selig sein wollen.
»Na, wenn Euch der Selbstbetrug nicht paßt,«
donnern die Engel los, »so könnt Ihr ja wieder in Eure
Gräber zurück. Eure kannibalische Dummheit soll uns
das neue Leben, das wir Euch in dieser Glanzwelt
darboten, nicht verleiden!«
Und es treten die hellgrünen Engel mit dunkelgrünen
Tannenzweigen hervor, und mit den dunkelgrünen
Tannenzweigen berühren sie alle Unzufriedenen.
Und die Berührten fallen um und sind tot.
Rasch werden sie hinausgetragen und wieder im
Schnee verscharrt.
Jede Spur der Bösen ist bald verweht.
Die guten Menschen aber, die schon dankbar sind,
wenn sie bloß in einer glanzseligen Traumwelt leben
können, nehmen die Qualen des alten Lebens ruhig über
Alles und wollen nicht mehr.
Wie die hellgrünen Engel zurückkommen, streicheln
sie den guten Menschen freundlich die klugen Köpfe.
Durch die bunten Glasscheiben strahlt das neue
Glück in die Schneenacht hinaus, die gar seltsam wird.
Die Smaragdkugeln leuchten mit ihren grünen
Lichtkegeln durchs schwarze Weltall.
Die Saphirtürme recken sich noch höher – wie
übermütige Gespenster.
Die riesigen Opalgitter schimmern wie Millionen
aufgescheuchter Schmetterlinge.
Die vielen kleineren Schlösser sehen auf dem weißen
Schneeball, der sich Erde nennt, wie Glühwürmchen aus.
Und es ist Alles so rührend-feierlich in der ewigen
Dämmerstunde, daß Jeder ruhig werden kann.
Die Erzengel beugen sich zum zweiten Male zur Erde
herab.
Die blonden Riesenlocken bilden wie vorhin einen
prächtigen Haarring.
Die unbeschreiblich großen Engel stecken die festlich
erleuchteten Paläste wieder in ihren Rucksack, ziehen ihre
Handschuhe an, nehmen ihre Dome in den Arm – und
flattern davon.
Bald dreht sich der ganze Erdball so langsam wie
vorhin – wie ein großer Schneeball, den Kinder rollen,
wenn sie einen Schneemann bauen.
Die violette Sonne glüht in der Ferne wie eine alte
Ampel, der das Öl ausgeht.
Die goldenen Sterne funken im tiefschwarzen
Sammethimmel – wie glückliche Strahlburgen.
Und die Nacht ist so still – so grabesstill!
Während nun die drei Herren ihre Freude an meiner Apokalypse
hatten und die Anspielung mit dem Abendbrot sehr wohl
verstanden, empfand ich Höllenqualen.
Ich stand in einem viereckigen Loch, das über zwei Meter in die
Tiefe ging. Und in diesem Loch empfand ich plötzlich von
unsichtbaren Händen heftige Schläge, die über meinen ganzen
Körper zuckten. Ich war ganz nackt und schrie erbärmlich, denn
die Massage, die mir unsichtbare Hände angedeihen ließen, schien
mir alle meine Nerven zu zerreißen – ich empfand Schmerzen – als
würden mir überall Zähne ausgezogen. Aber in den Händen eines
Zahnziehers hätte ich paradiesische Wonnen gespürt – dieses
elektrische Bad arbeitete vollständig – es war die höhere Hölle – ich
danke schön – die Vergleiche fehlen mir.
Indessen – genug davon!
Als ich wieder aus dem Loche rauskam, war mir so
unbeschreiblich wohl, daß die Leiden schnell vergessen wurden.
Unsichtbare Hände zogen mir wieder die Kleider an, und die
drei Nilpferdchen beglückwünschten mich und führten mich in den
herrlichen Speisesaal, allwo sich noch vier andere Nilpferdchen
einfanden.
Es lebten also in diesem Felsenschloß sieben Nilpferdchen.
Die mir bereits vorgestellten waren:
King Ramses
Pyramideninspektor Riboddi
Oberpriester Lapapi
Und die vier Andern, die mir erst im Speisesaal vorgestellt
wurden, waren:
King Amenophis
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