„Wenn du irgendwas brauchst für die nächsten Tage, für deinen Kulturbeutel zum Beispiel, kannst du dir das gegenüber im Einkaufszentrum besorgen. Auch ein bisschen Proviant für uns, sawa ? Wasser, Nüsse, Ndizi und so. Wenn wir pünktlich loskommen, können wir es in einem Rutsch bis Kyela schaffen. Dann gibt´s aber keine großen Pausen.”
Während Hannes mit dem Einkauf beschäftigt ist, packt Ambi ihre Siebensachen. Die große Reisetasche sollte reichen: Notizblock, fünf Bic-Kulis, Tablet, Kamera, Mikro, Batterien, Slips, zwei BHs, Negligee, Hosenanzüge, Blazer, drei Kangas, sechs Blusen, Pumps und Sandaletten, Schminktasche (Wimpernbooster! Pille!) und Waschsachen. Nur: Wohin mit den Hüten? Mindestens drei hält sie für unerlässlich: einen bunten, eleganten mit, den kleinen blauen ohne Krempe und den extra großen, blendend weißen Sommerhut. „Die kommen auf die Rückbank, basta.” Ihr Mobile hat sie ohnehin immer dabei.
Als kurz vor acht auch Salma eingetroffen ist, serviert Paradis den beiden Hausherrinnen und dem Gast das Abendessen – Salat, Nudeln mit Tomatensoße, ein frisches Fladenbrot. Sie selbst hat längst draußen im Hof mit den Kindern gegessen. „Mabula wieder okay?”, fragt Ambi flüchtig, doch mehr als ein kurzes „Ja" hat die Hausmutter nicht für sie übrig. Die um einiges jüngere Salma fragt Hannes noch ein bisschen aus, dann zieht sie sich ins Obergeschoss zurück.
„Was macht die denn eigentlich bei der Nation ?”, will Hannes wissen, um sich nicht zu sehr auf Ambi zu fixieren.
„Arbeitet seit Jahren als Tippse für den Lokalchef. Möchte gern noch was werden, aber ich bezweifle, dass er sie lässt. Als ich da anfing und bei Salma einzog, ging der Mann hier ein und aus. Mittlerweile ist´s etwas abgekühlt.”
„Hat Salma das Haus damals allein bewohnt?”
„Eher nicht, viel zu teuer. Auf jeden Fall suchte sie genau im richtigen Moment eine Mitmieterin. – Komm mal rüber!” Die große, aufreizend attraktive Ambi hat es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht, einem prächtigen Viersitzer. Ihre langen Beine untergeschlagen, thront sie in einer Ecke und wartet. Hannes, aus Prinzip eher schüchtern, ziert sich. Wohin, Himmel, soll das nur führen?
„Ist noch Cola im Kühlschrank? Möchtest du auch noch eine? Ich hol sie ...” Zurück aus der Küche, lässt sich der Detektiv betont lässig am anderen Ende des Sofas nieder. „Hast Du denn schon alles gepackt, Ambi?”
„Die Tasche steht im Gang. – Lass die Cola stehen, ich will gleich schlafen. Wir müssen schließlich früh los. – Ganz gemütlich, das Sofa, oder? Hab’ ich lange drauf gespart, hat mir ein Möbeltischler aus der Nachbarschaft gebaut, super Kaltschaum, Velourbezug, über 25.000 Martindale ...”
„Bitte? Wer sind denn diese Martindales?”
„Sorry, ist eine Einheit für Scheuerbeständigkeit. Je höher, desto haltbarer. Ab 10.000 hält der Bezug fast ein Leben lang ...”
„Du scheuerst dein Sofa? Wie oft machst du denn so einen Blödsinn?”
„Hannes, sei nicht bescheuert. Du scheuerst! Immer wenn du dich drauf setzt ...”
„... oder?”
„Nix oder.”
„Aber ich bin doch das erste Mal hier, das wird deinem Sofa doch wohl nichts anhaben. Es sei denn, wir ...”
„Fang nicht an zu spinnen, mein Lieber. Jetzt wird geschlafen. Du darfst es dir auf dem tollen Sofa gemütlich machen ... Die Steckdose ist dahinten! Denk dran, dein Mobile aufzuladen!”
Aus der Traum, romantischer wird es heute Abend nicht. Hannes wird länger brauchen, um einschlafen zu können.
12. Unterwegs zu den Tieren
Draußen ist es noch stockdunkel, doch der Ruf des Muezzins aus der benachbarten Moschee ist längst verhallt. Auch das Krähen der Hähne aus den Hinterhöfen des bürgerlichen Viertels lässt zunehmend nach. Zuhause in Moshi würde dieses allmorgendliche Konzert folgenlos an Hannes Bewusstsein vorüberziehen. Hier und heute in der fremden Großstadt sitzt der Detektiv schon seit einigen Minuten aufgeschreckt auf Ambis Traumsofa und reibt sich den Schlaf aus den Augen. Sie haben einen langen Tag vor sich.
Von der Hausdame noch kein Mucks, so versucht Hannes sich in der Küche selbst am Aufsetzen des morgendlichen Chais . Glücklicherweise steht ein Kessel mit der braunbeigen Flüssigkeit bereits bereit. Er muss nur noch die Herdplatte andrehen. Auf einen kleinen Teller bugsiert er drei Scheiben Toast, die er schnell mit Erdnussbutter beschmiert und zwei davon sofort verputzt. Als bester Charmeur Moshis bringt er die verbliebene Stulle Ambi mit einer Tasse Chai direkt in ihr Zimmer ans Bett.
„Schmuckes Schlafzimmer, Madame!” Kein Aufwachen ohne Erschrecken. Blitzschnell sitzt die Journalistin senkrecht vor ihm.
„Hannes! Bis du wahnsinnig! Ich schlafe nie ohne Messer unterm Kissen!” Auf der abgewandten Seite des Betts schwenkt sie tatsächlich ein langes Küchenmesser in der Hand.
Ergriffen tritt der Detektiv zurück. „Sehr gut. Wirklich, sehr wehrhaft, Ambi. Da weiß ich, worauf ich zählen kann.”
Keine zehn Minuten später bollert am Tor ein junger Mann. Zwar nicht in Uniform, aber mit dem firmeneigenen Klemmbrett eines Autovermieters, auf dem er Ambi zwei Formulare unterschreiben lässt. „Danke, Bobi!”
„Die Vorauszahlung?”
„Moment, muss ich schnell holen.” Hannes, der den Wagen in der Dunkelheit mit der Taschenlampe seines Galaxy auf Beulen und Glasschäden inspiziert, nimmt von dem materiellen Geschehen an der Haustür nur am Rande Notiz. Er sieht, wie Ambi nochmal kurz nach drinnen verschwindet. Dann kommt sie mit einem Batzen Shillingen zurück, dick wie zwei Bibeln. „Anderthalb Millionen, zähl nach!”, fordert sie ihren Bekannten Bobi auf, der die in Zehnerhaufen gestapelten Zehntausender rasch überfliegt. „Hälfte Kaution, Hälfte Miete, wie abgemacht.” Wo hatte sie bloß so viel Geld versteckt? Das hat man doch nicht einfach so zuhause rumliegen! Wo die meisten hier noch nicht mal eine einzige der Riesennote zurücklegen geschweige denn wechseln könnten!
„Das Auto ist in Ordnung, Ambi”, berichtet Hannes. „Auch, wenn ich ohne richtiges Licht nicht alles sehen kann ... Tank ist leer.”
Kurz vor Sonnenaufgang sitzt Ambi am Steuer des Suzuki Escudo und drängt zum Aufbruch. Salma steht verschlafen in der Haustür und winkt. „Hannes, hast du meine Tasche eingepackt? Die Hüte? Den Proviant? Was ist mit Wasser?”
„Holen wir an der Puma!”
„Hast du gestern keins gekriegt? Den Aufschlag an der Tanke zahlst du!”
Hannes wiegelt ab. „Das Finanzielle klären wir auf der Fahrt. Lass uns los, jetzt!”
Erst bringt er ihr Tee ans Bett, und dann dies! So entschlossen hatte Ambi ihren Detektiv noch nicht erlebt. Gute Vorzeichen für eine erfolgreiche Reise.
Das Auffüllen des Tanks verschlingt die nächsten zehn großen Scheine. Ambi zahlt und kauft noch schnell die aktuellen Zeitungen. Ein Sixpack besten Kilimanjaro-Wassers für 5.000 Shilling geht auf Hannes Konto. „Woher nimmst du eigentlich das ganze Geld?”, fragt er Ambi verwirrt. „Petermann hat doch noch gar nicht gezahlt! Ich hab nur noch ein paar Tausend, werd mir von Honni was leihen müssen. Soll sie mir mit M-Pesa nach Tukuyu schicken ...”
Seine Chauffeurin bleibt cool. „Mach dir mal keine Sorgen, Hannes. Frauen können eben haushalten, bin fast immer flüssig. Ohne Rücklagen kann ich nicht arbeiten, muss dauernd irgendwen bezahlen. Unsere Spesen übernehme ich erst mal, verrechnen wir später. Der Deutsche zahlt schon.” Vom Geschäft der Journalistin versteht der Detektiv offenbar nicht viel.
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