Ava stand plötzlich hinter mir und ihre Ansprache an mich, ließ mich zunächst innehalten.
»Um was kämpfen die beiden Verrückten eigentlich? Um eine Frau, die nun frei ist und keiner von ihnen nun die Möglichkeit hat, sie zu nehmen, weil sie beide gebunden sind?«
Ich drehte mich herum zu ihr und schaute sie mit gespitzten Lippen an. Wie gerne hätte ich ihr bestätigt, wie recht sie hatte, doch das verkniff ich mir. Das sollte Sven vielleicht selbst mit ihr klären.
»Kein Wort Hanna, ich erwarte von dir keine Antwort, die kenne ich selbst, nein die sehe ich. Er ist noch lange nicht mit der Liebe zu Britt am Ende, genauso wie Jörans Liebe zu Lisa nie verloren gegangen war. Ich spürte es die ganze Zeit, obwohl er wirklich sehr bemüht war in unserer Beziehung.
Weißt du was? Ich kann ihn sogar verstehen. Versuche nicht, mich jetzt zurückzuhalten. Es wäre zwecklos. Ich gehe. Gleich packe ich und dann bin ich weg. Es wird keinen Stress zwischen ihm und mir geben, nein, das wäre nicht mein Ding. Man muss auch loslassen können, wenn man etwas nicht halten kann.«
Herzlichen Glückwunsch Sven und Flo , dachte ich, grandios gemeistert. Heute brechen alle Beziehungen auseinander. Es ist die reinste Kettenreaktion auf ein eigentlich schönes Ereignis, nämlich das eine Frau ein Baby erwartet.
Kurz besann ich mich und wollte Ava antworten, doch sie steuerte bereits auf das Haus zu, vermutlich um zu packen.
Um nun zu sehen, wie weit die Kampfhähne waren, drehte ich mich wieder herum, denn mir fiel wieder ein, dass ich eben am Ende der Allee ja noch etwas anderes beobachtet hatte.
Ein immer näher kommendes Fahrzeug bewegte sich langsam aber sicher auf die sich im staubsuhlenden Burschen zu. Sie schienen nichts davon zu bemerken und kämpften und zerrten weiter an sich herum.
Mittlerweile gehörten solche Szenen mit ins Alltagsbild in den Schären am Kvarnsjönsee.
Das brachte mich daher auch nicht aus der Fassung.
Das Einzige, was man eventuell einmal mit in Betracht ziehen sollte, waren die Unkosten für Verbandmull, Jod und Pflaster. Das gehörte eigentlich nicht mehr mit zum Zimmerservice und vielleicht sollte ich ihnen das alles einmal in Rechnung stellen.
Wie albern, dass ich in solch einem Moment, während sich die beiden die Köpfe einschlugen und ein Auto auf sie zurollte, dieses dachte.
Wahrscheinlich war ich von all dem Wahnsinn der letzten Monate schon selbst geschädigt.
Kurz vor den Kämpfenden bremste der Wagen heftig ab und wirbelte weiteren Staub auf. Erst da registrierten die Herren das Auto und unterbrachen ihre Aktion auf dem Boden. Sie starrten auf die Stoßstange des Fahrzeuges und entzerrten sich.
Ein mir völlig Fremder stieg aus und ging auf sie zu. Entgeistert sah er sie an und räusperte sich.
Ich stand immer noch wie angewurzelt und war neugierig, was als Nächstes geschehen würde und überhaupt, um wen es sich bei dem Neuankömmling handelte.
»Gestatten, van Steenfelde, Christian van Steenfelde.«
»Ah ja,«, hustete Flo und erhob sich aus seiner liegenden Position.
»Lindqvist mein werter Name,«, äffte er ihn auf vornehme Art und Weise nach.
Mir fiel nichts mehr ein, das war wieder ein Thema für ein neues Buch. Darum horchte ich gespannt, was nun folgen würde. Das füllte meine Sammlung an wertvollen Stoffen. Schmunzelnd schritt ich langsam näher.
Auch Sven hatte sich mittlerweile erhoben, wischte sich mit dem verstaubten Unterarm den Schweiß von der Stirn und sah nun erst recht aus wie Phoenix aus der Asche.
»Bergman, Sven Bergman. Grafik-Design en gros.«
Karsten sah ihn belustigt von der Seite an und wiederholte sein letztes Wort.
»En gros?«
Herr van Steenfelde schaute von einem zu anderen und spürte wohl, dass sie ihn gerade etwas auf den Arm nehmen wollten.
Blitzschnell aber schaltete er. Dieser Lindqvist könnte eventuell Marions Ehemann sein. Mit solch einem Zusammentreffen hatte er nicht gerechnet und wenn er wirklich richtig lag mit seiner Vermutung, dann könnte es für ihn hier gleich übel aussehen. Hatte er wirklich gehofft, dass er Marion alleine antreffen würde?
Marion hatte mit mir über diesen Herrn aus Stuttgart gesprochen. Sie sprach dabei über einen gewissen Christian. Und dieser Herr stellte sich mit diesem Vornamen vor. Zudem hatte er eine nicht zu übersehende deutsche Herkunft, laut Nachname und Aussehen. Ich kombinierte ruck zuck, denn wenn es so war, dass es sich um den besagten Christian handelte, dann könnte diese, eh schon angespannte Situation hier gleich ungut ausgehen.
Schnellen Schrittes kam ich dazu und versuchte zu retten, was noch zu retten war.
»Christian, das ist aber eine Überraschung, dass du doch noch gekommen bist. Ich wusste ja, dass du es bis zur Hochzeit nicht mehr schaffen würdest, aber ich finde das klasse, dass du wenigstens noch vorbeischaust und dir die Zeit nimmst, obwohl du auf Geschäftsreise bist.«
Ich umarmte ihn herzlich und hakte mich bei ihm unter. Mit Kraft versuchte ich ihn wieder Richtung seiner offen stehenden Fahrzeugtür zu manövrieren.
Damit er keine Gelegenheit zu einer unpassenden Antwort fand, plapperte ich munter weiter.
»Du kannst drüben links vor dem Haus parken. Ich gehe vor und du folgst mir einfach, einverstanden?«
Christian van Steenfelde schaute mich verwirrt an, doch ich stuckte ihn mit dem rechten Ellenbogen in die Seite, um ihm ein Zeichen zu geben, dass er schweigen sollte.
Die staubigen Typen vor mir würdigte ich keines Blickes. Sie sollten ruhig merken, wie albern sie sich benahmen und das nun auch vor meinem neuen Gast.
»Jungs, lasst ihr einmal das Fahrzeug kurz vorbei, danach könnt ihr da weitermachen, wo ihr eben aufgehört habt.« Eine kurze Ansage fand ich in dem Moment angebracht und dann schob ich Herrn van Steenfelde in sein Fahrzeug fast hinein.
Flo sah Sven missmutig an und irgendwie fühlte er wieder eine unbändige Wut. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann galt diese Wut am meisten seinem eigenen Versagen.
Höflich und mit nickendem Kopf wie bei Hofe ließen sie das Auto passieren und Sven war nun klug genug, diesen Streit zu beenden.
»So, das war es dann Herr von und zu. Ich ziehe mich gleich um und dann buche ich einen Flug nach Deutschland.«
»Vergiss aber nicht, Gänseblümchen zu pflücken und dich mit Britt unter dem Apfelbaum zu stellen und zu knutschen. Darin bist du ja wohl geübt. Arme Ava.«
Das saß. Das Wort Ava hatte ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkatapultiert. Er musste sie unbedingt sprechen.
Ich drehte mich noch einmal kurz herum, da ich Zeuge dieses Dialoges geworden war und rief ihm zu, dass er reichlich spät daran dachte, wie es Ava ging. Zudem wäre sie bereits dabei, ihre Sachen zu packen.
Danach beachtete ich sie beide nicht mehr und konzentrierte mich auf meinen vermeintlich neuen Gast Christian van Steenfelde.
Dieser hatte sein Auto mittlerweile in die Parklücke gelenkt und stieg aus. Erst dann fanden wir eine Gelegenheit, uns zum einen vorzustellen und zum anderen bat ich ihn eindringlich, sich zunächst wirklich so zu verhalten, als wäre er mein Gast und weiterhin undercover zu bleiben.
Es wäre zu seinem Besten und zum eigenen Schutz in der momentan angespannten Situation. Leider hatte ich nur noch keinen Plan, wie ich Marion vorwarnen könnte. An ihn gewendet meinte ich dann noch schnell:
»Sie sind doch dieser Christian aus Stuttgart, Marions ehemaliger versteckter Liebhaber und Freund?«
Er nickte beklommen, als wäre ihm das alles sehr peinlich. Wie ein kleiner ertappter Junge kam er sich vor.
Doch jetzt war es zu spät. Er hatte sich schließlich zu dieser Reise aufgemacht, also musste er nun durch einige Peinlichkeiten hindurch.
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