Gebe mir Zeit und vielleicht kann ich Dir eines Tages ohne Schmerz wieder gegenübertreten, alleine schon um Finns Willen. Ich habe ihn so lieb gewonnen.
Bitte bestelle ihm ganz liebe Grüße von mir und drücke ihn einfach einmal herzlich.
Gleich steige ich in den Flieger und wünsche auch nun dir sowie aber auch Marion, alles Beste. Danke für unsere Momente des Glücks. Ich lächel sogar ein wenig, denn eigentlich hatten wir immer nur Momente. Es hat nicht sollen sein, dass wir etwas anderes leben durften. Pass gut auf Dich auf.
Britt
Irgendwie war sie stolz, dass sie ihre wahren Emotionen nicht zum Ausdruck gebracht hatte, denn dann hätte er ihren tiefen Schmerz erkannt und das würde ihn noch mehr belasten.
Er hatte ihrer Meinung nach nun genug damit zu tun, sich mit einer völlig neuen Situation abzufinden, eine Frau, die er liebte nun doch ganz loszulassen und sich zeitgleich noch auf eine neue Vaterrolle einzustellen. Es gab sogar noch einen dritten Punkt. Er würde weiterhin mit Marion leben.
Natürlich war sie ein lieber Mensch, doch ihnen beiden war klar geworden, dass die Ehe nur auf einer rein platonischen Beziehung basierte. Sie muss einen ähnlichen Schock erlitten haben wie sie und Karsten.
Britt schüttelte energisch den Kopf, mehr vor sich selbst, denn sie war ja alleine, außer halt die fremden Fluggäste, die auch gleich mit ihr den Flug nach Deutschland antreten würden. Das Kopfschütteln war eine Antwort auf ihre Gedanken, denn sie hatte kein einziges Mal daran gedacht, dass es hier bald ein neues Menschenkind geben würde, welches es verdient hatte, bei glücklichen Eltern aufzuwachsen.
Großes Schamgefühl bedrückte sie, denn sie dachte auch an den kleinen Finn, der nun ein Ge-schwisterchen bekommen würde und das sollte man sich nun primär vor Augen halten als den eigenen Verlust. Etwas besser ging es ihr jetzt, vielleicht würde sie es dadurch schaffen, die neue Situation anzunehmen.
Sie dachte daran, wie schnell das Schicksal von einer Minute auf die andere das Leben verändern konnte.
Was war denn damals in Köln-Bonn, als sie Jöran über den Weg lief und sie sich beide Hals über Kopf ineinander verliebt hatten?
Also ging es doch und mit dem nötigen Abstand
würde es ihr schon gelingen einen neuen Weg zu gehen.
Manipulativ wirkte sie weiter mit solchen Gedanken auf ihr Inneres ein. Es war ein Schutz um nicht den großen Zusammenbruch und Absturz zu erleben und um halbwegs wieder in ein neues Leben zurückzufinden.
Die Fluggäste wurden aufgerufen und kaum eine halbe Stunde später befand sie sich bereits in der Luft und flog ihrem neuen Leben entgegen.
Bevor sie vor Erschöpfung in einen leichten Dämmerschlaf fiel, schaute sie aus dem kleinen Fenster des Flugzeugs - hinunter auf das immer kleiner werdende Schweden.
Ihre Gedanken galten nun Christian van Steenfelde. Irgendwo da unten steuerte er gerade auf die gleiche Sackgasse zu, in der sie sich auch festgefahren hatte.
Bedauerlich, dass alles so gekommen ist. Wie einfach hätte es sich alles entwickeln können, wenn man miteinander gesprochen hätte, ein offenes Gespräch, welches alles in die richtige Richtung gelenkt hätte.
Armer Christian… , dachte sie.
Völlig erschöpft schlief sie ein.
Schwer getroffen und gefühlt um Jahre gealtert war Flo an mir vorübergeschlichen und wortlos ins Haus gegangen. Er hatte mich nicht einmal registriert.
Minuten später hatte sich dann der Rest der Truppe vom See aus in meine Richtung bewegt und quasselten und lachten was das Zeug hielt, bis dass ich ihnen energisch Einhalt geboten hatte.
Bei dieser Versammlung war herausgekommen, dass Marion schwanger sei und genau in diesem Moment hatte Flo das Haus verlassen.
Da sah Lars rot und es war zu einer handfesten Keilerei zwischen den Männern gekommen.
Selbst Sven, der mit einem eigenartigen Gesichtsausdruck mittlerweile wieder eingetroffen war, mischte mit.
Kristin und ich hatten dann dem Ganzen ein Ende gesetzt und mit dem Wasserstrahl aus dem Gartenschlauch die Meute auseinandergetrieben.
Triefend nass hatte Flo das Schlachtfeld verlassen und war ins Haus zurückgegangen.
Es wurde Zeit für ihn, nicht nur um sich trocken zu legen, sondern Zeit für ein Gespräch mit Marion. Schwerfällig war er die Treppe hinaufgestiegen.
Am Fenster, welches sich auf halber Höhe des Treppenhauses befand, hatte er kurz verweilt und auf die Bäume der Allee geschaut.
Sein Blick hatte sich langsam bis zum Ende des Weges unter den Bäumen verlaufen, als er dort plötzlich ein sich immer weiter entfernendes Fahrzeug entdeckte.
Der aufwirbelnde Staub ließ ihn zunächst nicht klar erkennen welches Auto gerade davonfuhr und doch konnte es sich von der Farbe her nur um meinen Mietwagen handeln.
Er war zunächst verunsichert, warum ich plötzlich das Grundstück verließ, doch kaum war dieser Gedanke zu Ende gedacht, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. In dem Fahrzeug saß nicht ich, sondern es war Britt, die sich im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Staub machte.
Britt – ja seine Britt verließ das sinkende Schiff und ließ ihn zurück, hier, alleine zurück mit sich und dem Rest der Welt, dem er sich gleich stellen musste.
Sein Blick war leer und eigentlich hatte er immer noch nicht verstanden, was sich in der letzten Stunde abgespielt hatte.
Immer wieder redete er sich ein, dass das alles ein großes Missverständnis sei, dass man sich mit Sicherheit vertan hatte, dass ein einmaliges Zusammensein mit Marion in den letzten sechs Wochen nicht dazu führen konnte, dass sie nun ein Kind erwarte.
Er presste verzweifelt die Lippen zusammen und schaute die Treppe hinauf, wissend, dass sie oben in ihrem Zimmer saß und auf ihn wartete, um mit ihm alles Weitere besprechen zu wollen.
In ihm fuhren seine Gedanken Achterbahn, schlugen kreuz und quer und hoch und hinunter, schossen wie Pfeile durch sein Gehirn und hinterließen letztendlich einen Satz, der da sagte, dass es nie dazu gekommen wäre, wenn er damals im Frühjahr direkt offen und ehrlich zu seiner Liebe zu Britt gestanden hätte.
Diese Erkenntnis kam zu spät, denn nun musste er seinen Weg, für den er sich bewusst in den letzten Wochen entschieden hatte, weitergehen und da nutzten ihm Vorwürfe überhaupt nichts, sondern verschlimmerten alles enorm.
Trotz des herben Schmerzes des Verlustes zwang er sich jetzt an Marion zu denken. Wusste er doch auch wie es um sie bestellt war. Nicht nur, dass sie schwanger war, sondern dass sie mindestens genauso an dieser Situation zu knabbern hatte, wie er.
Sie war ja auch nicht mehr glücklich in dieser Ehe und nur aus der Verantwortung heraus hatte sie ihr Glück mit diesem Mann aus Stuttgart torpediert.
Flo kam wieder dieser elendige Gedanke, dass alles nicht so gekommen wäre, wenn sie beide offen und ehrlich mit ihren Gefühlen umgegangen wären.
Erneut starrte er dem Fahrzeug hinterher und am liebsten wäre auch er abgehauen und Britt gefolgt und…stattdessen brach ihm das Herz, als er den staubaufwirbelnden, immer kleiner werdenden Punkt in der Weite der Allee folgte.
Mit dem Handrücken wischte er die laufenden Tränen beiseite und ging weiter hinauf. Oben angekommen atmete er tief durch und drückte die Türklinke leise hinunter.
Marion sah ihm ins Gesicht und gab ihm Zeichen, dass sie hinauskommen würde, da Finn gerade eingeschlafen war. Der kleine Junge hatte sich in all den Stunden an der frischen Luft ziemlich verausgabt.
Als diese Frau den Zustand ihres Mannes erkannte, suchte sie frische Wäsche für ihn zusammen und folgte ihm hinaus in die Diele. Im Bad zog Flo sich um und dann gingen sie hinunter in den angebauten Wintergarten, der an der Ostseite des Hauses den Wohnraum vergrößerte.
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