Zumindest glaubte er, dass Britts Reaktion eine neue Liebe zuzulassen, die Strafe für all das sei.
Ich wusste um sein Denken, er hatte es mir in einer stillen Stunde am See in den letzten Tagen mitgeteilt.
Besser wissend verneinte ich seine Theorie, denn ich hatte Britts Entwicklung hautnah mitverfolgt.
»Ich bin froh, dass sie das Leben wieder begrüßt und Jöran ist ein wunderbarer Mann, der sie sehr glücklich machen wird Flo.
Ja und sie hat dich wirklich sehr geliebt und ich denke, sie wird dich immer irgendwie lieben, ihr wart etwas ganz Besonderes, doch gebe sie frei und akzeptiere, so wie sie deine damalige Entscheidung und deinen Rückzug auch schweren Herzens angenommen hatte.«
Betroffen hatte er meine Worte zur Kenntnis genommen und war stillschweigend mit gebeugtem Kopf am Ufer des Sees spazieren gegangen.
Hanna hat Recht, so waren seine Gedanken gewesen. Ich kann ihr einfach nichts bieten, außer Unzumutbares - ich mit meiner Unschlüssigkeit.
Dass Britts neu gefestigtes Leben nur wenige Tage später aus den Angeln gehoben wurde, damit hatte zu diesem Zeitpunkt noch niemand gerechnet.
Lisa kam in Jörans Leben zurück und nicht nur sie, sondern auch seine Tochter Svenja, von deren Existenz bis dato außer Ava, Jörans Schwester, niemand etwas geahnt hatte.
Für meine Freundin war es die Wende, doch spürte sie, dass sich nichts im Leben erzwingen ließ, erst recht kein Schicksal. Meine Bewunderung galt ihr im höchsten Maße, denn sie war es, die den beiden Menschen den Weg ebnete, um sich wieder zu finden. Ihre Worte, wahre Liebe lasse sich nicht manipulieren , stärkten sie und sie hatte sich für die beiden sehr gefreut.
Letztendlich schien sie sogar erleichtert zu sein, auch wenn ihre Gefühle ihm gegenüber sehr ehrlich waren. Ihr war dadurch klar geworden, dass es nie die Liebe war, die sie für Flo empfunden hatte, doch wäre sie bereit gewesen, ein glückliches Leben mit Jöran führen zu wollen.
Nein nicht als Ersatz, sondern weil es sich gut und richtig angefühlt hatte.
Mit einem Lächeln übergab sie seine Hand an die Frau, die ihn immer geliebt und nun endlich den Mut bewiesen hatte, zurück in sein Leben zu kommen.
So war es kaum eine Stunde her, bevor ich diesem immer kleiner werdenden Pünktchen in der Allee hinterherschaute, dass Britt sowie auch Flo sich endlich gefunden hatten.
Erleichtert und mit der Gewissheit nun zu wissen, wohin sie ihr Weg führen wird, stand Britts Entschluss fest, offen und ehrlich zu ihren Gefühlen zu Flo zu stehen und mit Marion, die von ihrer Geschichte seit geraumer Zeit wusste, zu sprechen.
Da beide, Karsten und seine Ehefrau es versäumt hatten, sich offen dem anderen gegenüber zu äußern, hatte jeder in dem Glauben gelebt eine Scheinehe sei immerhin noch besser als sich gegenseitig wehzutun, wenn man diese Ehe verlassen würde.
Diese Entscheidung bedrückte sie beide, doch ahnten sie nicht, wie es dem Partner wirklich damit ging. So übten sie zwanghaft sogar noch eheliche Pflichten aus, in der Hoffnung, dadurch vielleicht etwas zu retten, was nicht mehr zu retten war.
Karsten hatte in den Schären endgültig erkannt, wie falsch und feige dieser Weg gewesen war, und reiste mit dem Gefühl hier an, dass nun alles endlich zum Guten geklärt werden würde. Allerdings schien es zunächst zu spät zu sein, denn Britt hatte sich anderweitig ernsthaft neu gebunden.
Die neueste Entwicklung, dass sie nun frei war, stimmte ihn mutig, obwohl er sich nicht sicher war, ob Britt nach alldem, was sie mit ihm persönlich erlebt hatte, noch bereit war, ihn wieder in ihr Leben zu lassen.
Britt war aber mit sich ins Reine gekommen, wusste nun, dass sie, selbst wenn Lisa nicht in Jörans Leben zurückgekehrt wäre, mit diesem keinen gemeinsamen Weg hätte gehen können.
Zumindest wurde ihr dieses klar, als sie nach Wochen Flo wieder begegnete. Solange er weit weg und aus ihrem Leben so gut wie verbannt gewesen war, fühlte sie sich in ihren Gefühlen gestärkt und war bereit, dieser tiefen Liebe zu ihm gänzlich den Rücken zu kehren.
Flo hier wieder vis á vis zu erleben, ließ sie schwanken und ein schwächlicher Versuch, sich treu zu bleiben schwand von Tag zu Tag.
So saß sie nun hier auf ihrem Stein am See, war an dem Punkt angekommen, endlich klare Verhältnisse zu schaffen und just in diesem Moment tauchte Flo auf und erzählte ihr das Gleiche. Diese Entwicklung war nun gerade einmal knapp zwei Stunden her. Hand in Hand wollten sie starten, den Weg antreten, der ihrer Liebe nun eine Präsenz geben würde, eine Offenheit schenkte und genau in diesem Moment schlug das Schicksal mit einer fast brachialen Gewalt dazwischen.
Dieses Schicksal hatte ein Gesicht, beziehungsweise es hatte eine Stimme und die musste ausgerechnet meine sein.
Ich, die Hiobsbotschaftsüberbringerin, ich, die den schönsten Moment der Beiden nach langen Monaten des harten Kampfes um ihre Liebe, schieße genau in dieser Sekunde mit meinem Telefonat dazwischen.
Ja, ich wollte nur warnen bevor sich die Beiden vollends ineinander verloren, doch es war bereits geschehen.
Meine Nachricht sollte Britt genau davon abhalten, denn mir war klar, wenn sie die neueste Entwicklung erfahren würde, bricht alles in ihr zusammen.
Nichtsahnend wieweit die Unglücklichen fortgeschritten waren, berichtete ich ihr, dass Flo, nein also dass Marion guter Hoffnung sei.
Ich habe nie so gelitten wie in dem Moment, nachdem ich es ausgesprochen hatte, denn ich spürte direkt - es war zu spät.
Es war der Klassiker eines Liebesfilms schlechthin. Ein Schlag ins Gesicht war ein Nichts dagegen.
Innerhalb der nächsten Stunde geschah dann Folgendes - Karsten kam gesenkten Hauptes zurück, registrierte mich nicht und war direkt ins Haus zu seiner Frau gegangen.
Ich hatte danach einen Gesandten geschickt, Sven, Britts große Jugendliebe, um sie zu holen. Nur er war der Mensch, den sie jetzt um sich ertragen würde. Das spürte ich einfach.
Er hatte sie kurz darauf zurückgebracht. Beide schweigend, doch in Svens Gesicht erkannte ich etwas, was mich beunruhigte und mich immer noch beunruhigt.
Meine Idee gerade ihn zu schicken, fand ich nicht mehr gut, denn auch da spürte ich jetzt eine Entwicklung, die vernichtend werden könnte für ihn, aber auch für Ava, seine Partnerin.
Britt war in das andere der beiden Häuser geeilt und wir ließen sie gewähren.
Keine Geste und kein Wort unsererseits würden sie jetzt trösten. Es war der Moment gekommen, an dem ich wie erstarrt dastand und regungslos dem immer kleiner werdenden Punkt nachschaute.
Es war aber auch der Moment, in dem ich Sven kurz fest an den Oberarm packte und ihm mit Augenkontakt vermittelte, sie fahren zu lassen.
Ja, ich hatte seine Aufdemsprungstellung bemerkt, doch was hätte er retten können, wenn er ihr mit dem anderen Auto gefolgt wäre? Nichts, rein gar nichts.
Zum Glück sah er es ein und wir beide schauten weiter kollektiv zur Allee und niemand von den anderen bemerkte es in der eigenen wohlverdienten Freude hier in diesem Garten am See.
Sven und ich glaubten uns alleine in diesem Schmerz, doch es gab noch jemanden, der still am Fenster gestanden hatte und dem sich weiter entfernenden Auto entsetzt hinterherschaute.
Flo, nein Karsten, einen Flo, den gab es nun nicht mehr.
Ein Karsten würde nun seinen Weg in das Zimmer seiner Frau antreten und somit auch den Weg zurück in sein bisheriges Leben.
Tränen in ihren Augen verschleierten den Blick und es fiel ihr schwer das Fahrzeug zu lenken und nicht vom Weg abzukommen.
Kein klarer Gedanke war mehr möglich, denn das, was sie heute erlebt hatte, überschritt eine Schmerzgrenze, welche sie mit Wucht ins Abseits katapultiert hatte.
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