Da waren sie wieder, sehr viele und interessante Fragen bleiben offen, denn das alles scheint tatsächlich nicht im Vordergrund dieser Religion zu stehen, was Ernst von Aster so definierte: »Ob die Welt ewig oder nicht ewig, endlich oder unendlich sei, ob der Erlöste nach dem Tode fortlebe oder nicht, alles das sind Fragen, auf die der Buddha eine Antwort nicht geben will, die mit seiner Lehre nichts zu tun haben.« Sondern »nur dies eine ist ihm wichtig: Erlösung vom Leiden und den Weg zu dieser Erlösung zeigen.«
Ähnlich formulierte es Heinz Bechert, der Herausgeber der »Reden des Buddha«: »Nun verstehen wir, warum der Buddha die Frage nach der Weiterexistenz des Erlösten im Nirwana nicht beantwortet hat. Die Fragen, 'ob die Welt ewig oder nicht ewig ist, ob die Welt begrenzt oder unendlich ist, ob das Lebewesen mit dem Körper identisch oder von ihm verschieden ist, ob der Vollendete nach dem Tod fortlebt oder nicht oder ob er weder fortlebt noch nicht fortlebt' (Majjhimanikaya I, S. 426), zu beantworten, lehnt er ab - sie führen ins Gestrüpp der Meinungen, zur Verwirrung, weg von dem, was allein nötig und sinnvoll ist, nämlich vom Weg zur Erlösung.«
Nach Erlösung indes streben viele, auch und gerade in der westlichen Welt. So findet man in Ländern, die nach offiziellem Sprachgebrauch im Einflussbereich des Christentums liegen, die meisten Atheisten, und auch viele, die sich dem Buddhismus zuwenden. »Keine östliche Religion übt auf die westliche Welt eine größere Faszination aus« ( National Geographic ). Vom Beruf gestresste Menschen nehmen ein Sabbatical, eine Auszeit und nähern sich der buddhistischen Mentalität, »aber auf meine entscheidende Frage scheint auch der Buddhismus keine Antwort zu haben. Warum geschieht alles? Why?« (Hape Kerkeling).
Impulse und Inspirationen sind also vorhanden und durchaus prägende Faktoren, doch um unsere Formel auf die Beine zu stellen, müssen wir unsere Reise offenbar fortsetzen und noch einige andere Quellen befragen. Und dies führt uns nun rein chronologisch gen Westen, von Indien aus betrachtet, genauer gesagt an die Stätte, an der wir schon einmal waren und dem Judentum begegnet sind: nach Israel. Es führt uns auch wieder zu dem Buch der Bücher, der Bibel, und zu einzelnen Büchern, deren Inhalte sogar in der Weltliteratur, zum Beispiel bei Tolstoi, zur Sprache kommen und die Menschheit seit 20 Jahrhunderten begleiten: die Offenbarung des Johannes und die berühmte Zahl des Tieres: 666.
Der Film »666 - Traue keinem, mit dem du schläfst« stellte zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine moderne Version von Goethes Faust dar. Jan Josef Liefers alias Frank Faust, der einen Pakt mit dem Teufel eingeht, für Ruhm, Anerkennung und den Wiedergewinn seiner großen Liebe Jennifer. Das Staraufgebot war umfangreich und beschränkte sich nicht allein auf Schauspieler, sondern umfasste auch populäre Sportler wie Boris Becker und Models wie Claudia Schiffer. Das Thema an sich ist nahezu allgegenwärtig, und das Kino war gut gefüllt. Und damit sind wir auch schon bei der nächsten Religion auf unserer Reise angekommen: dem Christentum. Die Offenbarung des Johannes ist das letzte und geheimnisvollste Buch im Buch der Bücher, doch wollen wir unser nächstes Etappenziel mit einem kleinen Ausflug in meine Schulzeit beginnen.
II.6. Die H-Statistik
Gleich zu Beginn des Gymnasiums, am Anfang der fünften Klasse, bekamen wir neue Klassenkameraden. Es wurde gewissermaßen globaler. Als Grundschüler kamen wir größtenteils aus einem Ort, jetzt waren es mindestens drei. Und wir hatten uns kaum so halbwegs kennen gelernt, da wurden einige von uns schon wieder für eine andere Veranstaltung nominiert und mussten zu gewissen Zeiten in einen anderen Raum. Dort trafen sie dann auf noch einige andere einer anderen Klasse. Was sollte das?
Sie waren katholisch. Wir evangelisch. Wir wurden von einem Pastor unterrichtet, der eigens für den Religionsunterricht zur Schule kam.
Damals verstand ich nicht wirklich, was das ganze Theater sollte, immerhin war ich erst zehn. Und wie sich herausstellte, waren wir alle christlichen Glaubens. Nur die Katholiken haben den Papst, und wir ... - tja, eine ins Deutsche übersetzte Bibel von Martin Luther. Für jedermann. Seit einem halben Jahrtausend. So ungefähr.
Am 31. Oktober 1517 schlug der Mönch Martin Luther seine 95 Thesen an die Eingangspforte der Schlosskirche in Wittenberg. Diese Aktion gilt als Ausgangspunkt der Reformation. Daher ist der 31. Oktober der Reformationstag, ohne schulfrei allerdings, denn es ist kein offizieller Feiertag. Der folgende Tag, der 1. November, ist Allerheiligen, ein Feiertag der katholischen Kirche. Mit schulfrei in den katholischen Bundesländern, also vorrangig im Süden Deutschlands. Diese Trennung zwischen katholisch und evangelisch begegnete mir nicht nur während der Schulzeit, sondern auch im Studien- und Berufsleben. Und die Ausbildung, das Studium der beiden Konfessionen ist durchaus unterschiedlich, so gibt es beispielsweise an der Uni Bonn eine katholische Fakultät und eine evangelische Fakultät. Doch damit nicht genug. Neben diesen beiden Kirchen bzw. Konfessionen gibt es zahlreiche weitere, so die bereits erwähnte römisch-katholische und die evangelische bzw. lutherische, in England die Anglikanische Kirche. Es gibt reformierte Kirchen, evangelisch-unierte, orthodoxe Kirchen, wie zum Beispiel die orthodoxe Kirche von Indien, die Koptische Orthodoxe, die Syrisch-Orthodoxe, die Äthiopische Orthodoxe und die Armenische Apostolische Kirche. Es gibt die altkatholische Kirche, und es gibt die Mennoniten, die Baptisten und die Quäker.
Soviel zu den unterschiedlichen Konfessionen, es sollte für einen ersten Eindruck reichen. Auch in sprachlicher Hinsicht ist es ganz interessant, denn beispielsweise in den romanischen Sprachen liegt eine Verwandtschaft auf der Hand: Im Portugiesischen heißt Gott Deus, im Spanischen Dios und im Italienischen Dio, und alle drei Formen stammen vom Lateinischen ab: Deus. Bevor wir jetzt aber zu sehr ins Detail gehen, sei festgehalten, dass etwa die Hälfte der Christen als römisch-katholisch, 350 bis 375 Millionen als protestantisch und 150 bis 210 Millionen als orthodoxe Christen angesehen werden. Die übrigen machen immer noch einige hundert Millionen aus, doch ihnen allen ist eines gemeinsam: Sie sind Angehörige der größten Weltreligion, je nach Quelle werden bis zu zweieinhalb Milliarden Menschen, also in etwa jeder Dritte, als Christen angesehen.
Doch wie das mit Statistiken so ist: Schießt der Jäger einmal links am Hasen vorbei, und einmal rechts, dann ist der Hase im Durchschnitt tot. Blickt man nun hinter die Kulissen der Religionszugehörigkeit, dann lässt sich schnell feststellen, dass bei oberflächlicher Betrachtung eine derartige Zählung vielleicht noch Sinn machen kann, bei einfacher Addition aller Angehörigen von allen Religionen sich jedoch eine höhere Anzahl an Menschen ergibt, als überhaupt auf der Erde leben. Wie ist das möglich?
Tja, die Erklärung ist relativ einfach - wenn man's weiß. In der Statistik für eine christliche Religionszugehörigkeit sind auch Staaten in Mittel- und Südamerika enthalten, deren Bewohner jedoch auch anderen Religionen, sagen wir, zugetan sind. Wir sprachen bereits darüber, in Kapitel II.1 wurden die Naturreligionen behandelt, und in Brasilien, in den 1980er Jahren dem größten katholisch-geprägten Land der Welt, das mittlerweile von Mexiko abgelöst worden ist, gibt es ein wahres Multi-Kulti an Religionen und spirituellen Erkenntniswegen, die zum Teil aus Afrika mitgebracht, zum Teil von den eingeborenen Indianern übernommen wurden. Auch wenn die Einwohner Mexikos offiziell als christliche - katholische - Gläubige gezählt werden, hängen etliche nach wie vor ihren alten Göttern an. Auch hier herrscht - wie in Spanien - ein ausgeprägter Marienkult. Es sieht mit der statistischen Theorie also anders aus als mit dem wirklichen Leben. Kein Wunder, dass die Angaben je nach Quelle unterschiedlich sind.
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