„Macht es dir eigentlich Spaß, wenn du ständig bei der Arbeit angeschaut wirst? Hier geht es ja zu wie im Zirkus. Aber wenigstens lernt man so mal ein paar Feen kennen.“,
sagte Onkel Wankel. Onkel Wankel war eifersüchtig, weil die Feen Peter streichelten und manchmal ein Küsschen gaben. Einmal sagte er leise:
„Ich wünschte, ich wäre ein Pinguin.“
Denn er wollte auch ein Küsschen. Niemand hörte ihn. Dann schrie er aber plötzlich laut:
„Nein, nein, das meine ich nicht so.“
Onkel Wankel hatte Angst, dass eine Fee ihm den Wunsch erfüllen könnte. Er wollte kein Pinguin sein; er wollte ein Küsschen und dachte, Pinguine küsse man eher als einen alten Onkel. Er wollte sein Küsschen aber doch als Mensch. Keine Fee wusste, was er nicht so meinte , denn der Wunsch, den er nicht so meinte, hatte ja niemand gehört. Alle schaute Onkel Wankel an.
„Wie meinst du es denn? Und was?“,
fragte eine junge Fee.
„Nichts. Doch. Ich meine, ich meine gar nichts. Meine ich jetzt wirklich. Nichts.“,
stammelte Onkel Wankel. Die junge Fee gab Onkel Wankel ein kleines Küsschen, um ihn zu beruhigen. Vielleicht auch, weil sie seine Nervosität niedlich fand. Ein nervöser Onkel Wankel ist zwar nicht so niedlich wie ein tanzender Pinguin, aber immerhin. Peter dachte, meinen sei eine ziemlich schwierige Sache.
In der Münzpoliererei arbeiteten etwa zwanzig Wesen, die meisten waren Menschen oder Affen, außerdem noch ein Eichhörnchen, das besonders flink war und ein Waschbär, dem die Arbeit weniger Spaß machte, als man hätte denken können. Peter fühlte sich hier recht wohl. Die Wände der Zimmer waren weiß, der Teppich ebenso, außer an den Stellen an denen Peter poliert hatte. Die Tische waren weiß, die Stühle waren weiß und was nicht weiß war, war spiegelnder Chrom, der das Weiß reflektierte. Peter erinnerte das viele Weiß an seine Heimat. Da ging das Weiß bis an den Horizont, nur der weite Himmel war blau und das weite Meer. Die Zimmer der Münzpoliererei waren allerdings sehr klein. Die Menschen erinnerten die Zimmer an Krankenhäuser, sie fühlten sich unwohl. Die Affen erinnerte das Weiß an nichts, sie fühlten sich noch weniger wohl.
Der Chef der Münzpoliererei war Herr Klappo Schack, ein Kobold. Er bekam von den Feen die feuchten und manchmal schmutzigen Münzen. Diese befanden sich in den Leinensäckchen, in die die Feen sie gesteckt hatten, nachdem sie am Münzberg gewesen waren. Er gab die Münzen an die Polierer und die polierten Münzen an die Feen zurück, nun in Säckchen aus feinster Seide. Herr Klappo Schack mochte es nicht, wenn während der Arbeit geredet wurde, außer er redete selber, was er aber auch nicht zu häufig tat. Die wenigen Dinge, die er sagte, mochte er sehr und wenn es auch nur „Guten Tag!“ war. Seine Stimme mochte er nicht, nur was er sagte, mochte er. Seine Stimme klang wie eine Mischung aus Rülpsen und Nachtigallengesang. Wenn man jetzt denkt, Nachtigallengesang sei doch sehr schön, hat man noch nie mit einer Nachtigall die ganze Nacht über Steuererhöhungen oder die städtische Verkehrspolitik geredet. Irgendwann in den Morgenstunden kriegen sie einen unerträglich weinerlichen Tonfall. Das leichte Rülpsen in der Stimme von Herrn Klappo Schack gab der Sache den Rest.
Obwohl Herr Klappo Schack es nicht mochte, wurde bei der Arbeit dauernd geredet. Die Arbeit war einfach, aber langweilig. Sie war nur erträglich, wenn man dabei schwatzte. Die Menschen erzählten von der Menschenwelt, die Affen von der Affenwelt, das Eichhörnchen erzählte, dass die Eichhörnchenwelt mitten in der Menschenwelt sei, dass die Menschenwelt aber ganz anders aussehe, wenn man sie von der Eichhörnchenwelt aus betrachte. Einmal fragte Peter:
„Gibt es eigentlich viele Wunschbrunnen bei euch Menschen?“
„Es gibt viele Brunnen. Welche davon Wunschbrunnen sind, weiß niemand.“,
sagte Onkel Wankel.
„Niemand? Auch die Feen nicht?“
„Feen wissen gar nichts. Sie wollen auch nichts wissen.“,
sagte eine düstere Stimme aus dem Hintergrund. Niemand achtete auf diese Stimme. Düstere Stimmen im Hintergrund sind ja nun auch etwas recht Gewöhnliches. Was Peter wunderte, war, dass da niemand war. Zumindest niemand, den er gesehen hätte. Das hieß aber eigentlich nur, dass da etwas nicht sichtbar war, was in der Feenwelt wohl nicht allzu seltsam ist.
„Ich weiß nicht, was Feen wissen.“,
meinte Onkel Wankel.
„Das ist klar.“,
tönte die Stimme im Hintergrund.
„Es ist doch toll, wenn man sich etwas wünschen kann.“,
sagte Peter.
„Man weiß nie, ob ein Brunnen ein echter Wunschbrunnen ist und man weiß erst recht nicht, ob der Wunsch auch erfüllt wird.“,
sagte Onkel Wankel. Tante Tilde, eine ebenfalls menschliche Kollegin von Peter, meinte:
„Ich glaube, sie erfüllen Wünsche am ehesten, wenn sie sie lustig finden. Aber echte Herzenswünsche sind selten lustig.“
„Menschliche Herzenswünsche sind durchaus amüsant. Amüsanter noch ist es, ihre Wünsche zu wecken.“,
sagte die Stimme im Hintergrund, woraufhin alle Menschen verstummten, miesepetrig schauten und weiterarbeiteten. Peter versuchte herauszufinden, woher die Stimme gekommen war, doch da war niemand. Plötzlich hörte er die Stimme direkt neben seinem Kopf. Sie sagte:
„Wenn du mich sehen könntest, hättest du mich jetzt gefunden.“
Da erschrak Peter.
Irgendwann, nach einem langen, schweigsamen und unendlich langweiligen Arbeitstag, kamen Onkel Wankel und Peter nach Hause. Onkel Wankel hatte keine Lust mehr zu sitzen, das hatte er den ganzen Tag bei der Arbeit gemacht. Stehen mochte er auch nicht. Liegen kam vor dem Abendessen auch nicht in Frage, er hätte das Essen ja verschlafen können. Peter konnte sich freuen, endlich gab es für ihn ein passendes Sitzmöbel, das einem Pinguin-Ei nachgeformt war. Peter wollte ganz unbedingt sitzen, hatte er doch den ganzen Tag seinen Poliertanz aufgeführt. Er saß auch sehr gerne auf dem Boden, aber das Ei war viel angenehmer. Es machte ihn nur etwas melancholisch, weil er ahnte, dass er nie auf einem echten Ei, das seine Pinguinfrau gelegt hätte, sitzen würde. Er würde niemals eine Pinguinfrau haben. Das eiförmige Sitzmöbel war trotzdem toll. Er setzte sich an den Tisch in der Küche und wartete aufs Abendessen. Der Weihnachtswichtel kochte. Eigentlich war die Küche zu klein. Wenn er nicht ganz eng am Tisch saß, war Peter unweigerlich dem Koch im Weg. Vielleicht war auch der Tisch zu groß. Wenn alle vier, also Peter, Onkel Wankel, Wismut der Kobold und der Weihnachtswichtel zusammen aßen und an dem Tisch saßen, war die Küche voll, der Tisch war aber überhaupt nicht voll. Trotzdem konnte man den Tisch noch ausklappen, was seine Größe verdoppelt hätte. Hätte er dann noch in die Küche gepasst? Die Stühle hätte man vorher entfernen müssen. Dann vielleicht. Darüber dachte Peter nach. Aber er war sich nicht sicher. Deshalb fragte er den Weihnachtswichtel:
„Weihnachtswichtel, du bist doch ein Bastler und hast Augenmaß. Meinst du, man könnte den Tisch in der Küche ausklappen? Würde das von der Größe her passen?“
„Ich kann Spielzeug bauen. Das ist klein. Für große Tische habe ich kein gutes Augenmaß.“
„Du bastelst in deinem Zimmer doch etwas Größeres.“
„Ja schon, aber das geht dich nichts an. Warum willst du den Tisch ausklappen?“
„Will ich nicht, ich will wissen, ob es geht.“
„Nein, es geht nicht, jemand muss noch in der Küche sein, der den Tisch ausklappt und derjenige passt nicht mehr hinein. Ansonsten würde es gerade eben gehen, würde ich ganz unbedarft schätzen.“
Erst jetzt fiel Peter auf, dass ihn viel mehr interessierte, was der Wichtel bastelte, wenn er sich in seinem Zimmer einschloss. Es war ihm eigentlich völlig egal, ob dieser Tisch ausklappbar war.
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