Torsten W. Müller
In der Fremde glauben
ERFURTER THEOLOGISCHE STUDIEN
im Auftrag
der Katholisch-Theologischen Fakultät
der Universität Erfurt
herausgegeben
von Josef Römelt und Josef Pilvousek
BAND 108
Torsten W. Müller
Die Auswirkungen
von Flucht und Vertreibung
im Ostteil des Bistums Fulda
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1. Auflage 2015
© 2015 Echter Verlag, Würzburg
Druck und Bindung
Druckerei Friedrich Pustet, Regensburg
ISBN 978-3-429-03746-8 (Print)
ISBN 978-3-429-04773-3 (PDF)
ISBN 978-3-429-06188-3 (ePub)
www.echter-verlag.de
Die Geschichte der katholischen Kirche in der SBZ/DDR beginnt mit dem Flucht- und Vertreibungsgeschehen nach dem Zweiten Weltkrieg. Speziell für die kleine Diasporakirche im Ostteil des Bistums Fulda bedeutete der Zuzug Tausender katholischer Heimatvertriebener aus Ostmitteleuropa einen Wendepunkt. Aus einer „Zuzugskirche“ entstand in mehreren Phasen eine lebendige Ortskirche – das heutige Bistum Erfurt.
Katholische Flüchtlings- und Eingliederungsforschung war in den Neuen Ländern erst nach dem gesellschaftlichen und politischen Umbruch von 1989 möglich. Für Mitteldeutschland bzw. die Jurisdiktionsgebiete und Bistümer der katholischen Kirche in der DDR wurde diese Forschung am Lehrstuhl für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit der Universität Erfurt vor allem durch den Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Josef Pilvousek initiiert. Er war es auch, der das Thema der vorliegenden Promotion stellte und mich ermutigte, den Ostteil des Bistums Fulda auf das Wachstum der katholischen Diasporagemeinden und die sich daraus ergebenden neuen Perspektiven für die katholische Kirche in Thüringen zu untersuchen. Deshalb gilt mein erster Dank Josef Pilvousek, der darüber hinaus die Entstehung dieser Arbeit stets mit Rat und Tat begleitet hat und wertvolle Hinweise und Anmerkungen gab. Hinzu kommt, dass ich sein Mitarbeiter in der Forschungsstelle für kirchliche Zeitgeschichte Erfurt (FKZE) sein durfte, in der ein positives Arbeitsklima das Entstehen der Dissertation begünstigte.
Besonderer Dank gilt den Leitern der kirchlichen und staatlichen Archive und ihren Mitarbeitern für die unkomplizierte Bereitstellung der Archivalien sowie den Bischöfen für die Bewilligung von Sondergenehmigungen zur Nutzung gesperrten Archivgutes. Auch den einzelnen Ortspfarrern, den Ordensgemeinschaften und dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR danke ich für einen uneingeschränkten Zugang zu Chroniken und Akten.
Weiterhin gilt mein Dank dem Theologischen Forschungskolleg an der Universität Erfurt unter der Leitung von Prof. Dr. Benedikt Kranemann für die anregende Begleitung meiner Dissertation. Desgleichen sei dem Direktor der Kommission für Zeitgeschichte in Bonn, Prof. Dr. Karl-Joseph Hummel, gedankt.
Für die freundliche Gewährung von Druckkostenzuschüssen danke ich dem Erzbistum Berlin sowie den Bistümern Würzburg, Erfurt, Magdeburg, Fulda und Görlitz.
Prof. Dr. Josef Römelt und Prof. Dr. Josef Pilvousek sei für die Aufnahme des Bandes in die Reihe der „Erfurter Theologischen Studien“ gedankt, ebenso Prof. Dr. Myriam Wijlens und Prof. Dr. Konrad Hartelt für die Erstellung der Zweitgutachten.
Für vielfältige Unterstützung, Hilfen und Ermutigungen bin ich vielen Freunden, Förderern und Kollegen zu Dank verpflichtet. Stellvertretend seien hier Winfried Bartsch, Johannes Döring und Matthias Werner genannt, die auf unterschiedliche Weise halfen, das Projekt zu einem guten Ende zu bringen.
Erfurt, im November 2014 |
Torsten W. Müller |
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 „Kirche, die aus dem Osten kam“
1.2 Forschungsstand
1.3 Territoriale und zeitliche Eingrenzung
1.4 Aufbau und Methode
1.5 Quellen
A) Historische und pastorale Voraussetzungen
2 Von der „Abgewanderten-Seelsorge“ zur „Flüchtlings- oder Umsiedlerseelsorge“
2.1 Thüringen als Aufnahmegebiet von Evakuierten
2.2 Thüringen als Aufnahmegebiet von Heimatvertriebenen
Exkurs: „Umsiedlerpolitik“ im Arbeiter- und Bauernstaat
2.3 Neue Funktionsträger
3 Ausbau der „Flüchtlingsseelsorge“
B) Wege zu Identität und Beheimatung
4 Organisierte Caritas
4.1 Aufbauarbeit
4.2 Wiedereingliederungs- und Überlebenshilfen
4.3 Kinder-, Mütter- und Altenheime
4.4 Konflikte
5 Vertriebenenseelsorge
5.1 Anfänge: Landsmannschaftliche Seelsorge
5.2 Vergangenheitsbewältigung: Mysterienspiele
5.3 Kontinuität: die Liturgie
5.4 Vertriebenenarbeit unter staatlicher Kuratel und Repression
6 Gemeindeaufbau
6.1 Vertriebene unter Katholiken
6.2 Vertriebene in der Diaspora
6.3 Analyse des Gemeindelebens
7 Geistliche Stärkungen
7.1 „Heilige Heimat“ als Begriffsfindung
7.2 Theologische Differenzierungen
7.3 „Sozialistische Heimat“ versus „heilige Heimat“
8 Alte und neue Wallfahrten und deren Funktionen
8.1 Alte Wallfahrtsorte
8.2 Neue Wallfahrtstraditionen
8.3 Eine Analyse
9 Begegnungen der Konfessionen
9.1 Das gemeinsame Gotteshaus
9.2 Alte und neue Spannungen
10 Gottesdiensträume und Kirchbauten
10.1 Erste Option: Umbauten von Profanräumen
10.2 Zweite Option: Kirchenneubauten
10.3 Patrozinien
10.4 Gestaltung des liturgischen Raumes
10.5 Kirchliche Kunst
C) Akteure im Aufnahme- und Beheimatungsprozess
11 Priester
11.1 Ankunft und Aufnahme
11.2 Anstellung und Besoldung
11.3 Priestermangel
11.4 Alltagssituation
11.5 Priesterliches Miteinander
11.6 Kirchliche „Karrieren“
12 Frauen in der Seelsorge
13 Orden, Kongregationen und Säkularinstitute
13.1 Männliche Religiose
13.2 Weibliche Religiose
14 Resümee
Quellen- und Literaturverzeichnis
1 Einleitung
1.1 „Kirche, die aus dem Osten kam“ 1
Zum tieferen Verstehen des mitteldeutschen Katholizismus in den Neuen Bundesländern ist es unentbehrlich, die Wurzeln dieser recht heterogenen Diasporakirche zu untersuchen und evident darzustellen. 2Seit der Reformation bestand in Mitteldeutschland 3eine eindeutige und fast ausschließlich evangelisch geprägte Konfessionsstruktur; nur in wenigen geschlossenen katholischen Gebieten, in Städten oder industriellen Ballungsräumen konnten sich vereinzelt katholische Gemeinden etablieren. 4Erst durch Flucht und Vertreibung 5seit 1944/1945 kam es zur massenhaften Ansiedlung von Katholiken im „Kernland der Reformation“, 6sodass die heutige Diaspora eine Diaspora der Heimatvertriebenen ist, die ihre Entstehung und ihren Ursprung letztlich in dem von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieg und in den Beschlüssen der alliierten Siegermächte hat. 7
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