1 ...8 9 10 12 13 14 ...41 Oder, wir beobachten Wirtschafts- und Finanzsysteme, die außer Kontrolle zu geraten scheinen. (Siehe bei N. Roubini, St. Mihm, „Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft“, [14].) Da eine Mehrzahl von Menschen kurzfristigem Vorteilsdenken folgen und sich scheuen beziehungsweise nicht gewillt sind, nachhaltig zu denken und zu agieren, können demokratisch legitimierte Politeliten ganze Nationen in die Schuldknechtschaft führen. Wir stellen fest, dass die subjektive Gier weniger Menschen objektiv wirkende, globale zyklische Krisen auslösen kann - und keine Wirtschaftswissenschaft findet für dieses Phänomen sicher regulierende Lösungen (siehe z.B. [14]).
Die Dynamik in den sozio-kulturellen und ökonomischen Strukturen verlangen, qualitativ neues politisches Denken. Die internetbasierten Informationsnetzwerke überdehnen sich zu einer, fast alle Lebensbereiche erfassenden Kommunität und lassen eine sozio-kulturelle Entwicklung erwachen, die wir kaum überschauen. Produktion und Dienstleistungen werden sich „intelligent“ organisieren und vernetzen. Damit diese Prozesse dem Menschen und seiner Gemeinschaft nicht entgleiten, sind neue Wege in der Bildungslandschaft zu gehen und ein ethisch motiviertes, gesamtgesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln.
Die sich abzeichnende Herrschaft des „Big Data Pools“ verlangt ein neues Demokratieverständnis, eine Erweiterung der Gewaltenteilung im Staat und ihre demokratische Regulierung.
Allgemein beobachten wir einen qualitativen Wandel in den Sichtweisen auf die Natur der Welt, einschließlich, die der Menschengemeinschaft. Die Welt scheint komplexer und mehr im ständigen Wandel zu sein, als uns von „klassischen“ Weltanschauungen vermittelt wird. Seit Tausenden von Jahren beschäftigen sich Gelehrte immer wieder mit Weltanschauungen, die diesen Wandel essenziell beinhalten. In der ältesten Literatur der Inder, in der Rigveda, lernen wir beispielsweise Auffassungen zur Welt, zur Kosmologie und zu unserem eigentlichen Selbst kennen, die eine erstaunliche Aktualität besitzen. Aber zu allen Zeiten hatten Menschen Angst vor dem Wandel in der sie umfassenden Natur und in ihrem Leben. Wie sonst wäre es möglich, dass Buddha vor ca. 2500 Jahren genau dieses als ein Leiden in seiner ersten und zweiten edlen Wahrheit verkündete.
Die im mystisch-religiösen Denken der Weltreligionen gesammelten Erfahrungen lehren uns zum Beispiel den stetigen Wandel der in unserem geistigen Selbst abgebildeten Welt. Das sogenannte „Beobachten“ und „Messen“ entspricht dort der Selbstbeobachtung und der Analyse der vom Selbst empfundenen Welt. Die rational-materialistische Denkweise beobachtet die Welt außerhalb unseres geistigen Selbst. Im mystisch-religiösen Denken durchleben wir die Welt innerhalb des geistigen Selbst. Hier sind wir mithilfe der Meditation, des Gebets oder anderer Methoden der Analyse unseres Selbst, im Bewusstsein unterwegs. Und wir stellen irgendwann fest, dass wir Erfahrungen erlangen, die zwar nicht unmittelbar einer rational-materialistischen Betrachtung zugänglich sind, aber trotzdem eine Wirklichkeit darzustellen scheinen. Dies sind Erkenntnisse über unserer inneren Wirklichkeit, wie sie in der fernöstlichen Mystik aber auch im mystischen Denken vieler Kulturregionen geglaubt werden. Es bleiben immer Unsicherheiten bezüglich dieser, in der Wanderung durch unser Selbst gewonnenen Erfahrungen. Jene Ungewissheiten empfinden bewusst oder unbewusst alle. Sie sind grundsätzlich nicht zu beseitigen, sind die Regel, die Normalität, da die Welt im stetigen Wandel ist, ja ihre Wirklichkeit über die ständigen Veränderungen definiert. Wir sind genötigt mit dem Ungewissen zu leben. Man fragt sich: „Woher kommen eigentlich diese leidigen Unsicherheiten. Warum leiden wir unter den Mangel an Verständnis für die ständig sich verändernde Wirklichkeit?“
Die Antwort ist einfach.
Wir klammern uns in sinnloser Weise an feste Bilder und Anschauungen, die sich aus der Beobachtung der uns er- und umfassenden Welt im geistigen Selbst herausbilden, erklären sie zu unseren Standpunkten. Wir sind sogar stolz auf diese festen Positionen, die unverrückbar, wenn möglich für alle Zeiten, feststehen sollen.
Wie bequem!
Viele Menschen glauben oder bemühen sich zu glauben, dass ihre Sicht auf die Welt, einmal gewonnen, tauglich für eine beständige Weltanschauung ist! Und doch sind es nur Illusionen, in denen sie gefangen sind, denn es kann prinzipiell keine unveränderte Weltsicht auf die Natur geben. Die physikalische Wirklichkeit außerhalb und innerhalb von uns ist eine fluktuierende Realität, lehrt uns die hinduistische Mythologie. Die sich ständig verändernde Welt, so wie unser Selbst sie uns vorgaukelt, ist aber nur ein Zerrbild, ist eine Illusion. Unsere Anschauungen haben alle den Charakter einer Fata Morgana und liefern mehr oder weniger stark empfundene Frustrationen über die Ungewissheiten im Leben, was uns leiden lässt.
Buddha erklärt in seiner „Zweiten edlen Wahrheit“ die Ursachen unserer Frustration und unseres Leidens. Wie können wir dieses von ihm benannte Leiden auflösen? Was für Weltsichten, welche Erfahrungen und Denkweisen helfen hier? Buddha lehrte in seiner „Ersten und zweiten edlen Wahrheit“ Art und Ursache unseres Leidens. Er verkündet in der „Dritten edlen Wahrheit“, dass das aus Frustration entstehendes Leiden beendet werden kann, und bietet in seiner „Vierten edlen Wahrheit“ einen achtfachen Weg der Selbstentwicklung an, um aus der frustrierenden Unsicherheit und dem Leiden an uns sowie an dieser Welt herauszukommen.
Der Buddhismus ermöglicht uns, auch heutzutage mit der wachsenden Verständnislosigkeit unseres Seins in dieser Welt, zurechtzukommen. Die buddhistische Mystik hat deshalb ausgesprochen psychotherapeutische Facetten. Das mystische Denken des Buddhismus kümmert sich, wie etwas später erläutert, weniger um ein naturphilosophisches Rüstzeug für das naturwissenschaftliche Erkenntnisstreben, sondern mehr um Wege zu sich selbst. Er erforscht die Erfahrungen, die wir während der Meditation erlangen. Er entspricht eher einer Nautik für das Beobachten unserer geistigen Existenz.
Nun sind wir bereits mitten drin in der Mystik, im mystisch-religiösen Denken, und manch einer wird feststellen, dass er oft unbewusst darin verweilt und spirituelle Wege geht.
Hier ist eine Warnung angebracht!
Denn einige Menschen gleiten hierbei in esoterische Vorstellungen ab, die kaum einen Bezug zu den modernen Erkenntnissen und Anschauungen der Wissenschaft als auch zur Mystik besitzen. Meist sind diese Reflexionen sehr simpel gestrickt, stützen sich auf ein Gewirr pseudowissenschaftlicher Behauptungen - und werden leider oft von Vernunft einfrierenden, naiven Fanatismus begleitet.
Andere Menschen finden auf ihren spirituellen Wegen zu Religionen. Dort stellen sie dann fest, dass die mystisch-religiös geprägten Denkweisen eher ein intuitives Wissen über alles Seiende gestattet. Unser Selbst erfährt geistige Abbilder der beobachteten Objekte im Sein. Diese geistigen Abbilder, getragen durch sich ständig wandelnde Verschaltungen in den neuronalen Netzwerken unseres Körpers, sind bisher weder quantitativ noch qualitativ fixierbar. (Es gibt keine einheitliche Verwendung des Begriffs „Geistiges“. Wir werden uns bei seinem Gebrauch, in unseren gewollt anschaulichen Darstellungen, auf Information und Informationsstrukturen beziehen.)
Diese geistigen Abbilder wurden, trotz der beeindruckenden Techniken in der Gehirnforschung, bisher weder detektiert noch decodiert. (Diese Techniken beinhalten beispielsweise das Elektroenzephalogramm (EEG), die Magnetresonanz- oder Kernspintomografie (MRT), die Magnetoenzephalographie (MEG) oder die Elektrocorticogramm-Technik (ECOG).)
Religionen, die alle ihre spezifischen Methoden der Zwiesprache mit der einen allmächtigen, göttlichen Wesenheit kennen und pflegen, nutzen die Meditation beziehungsweise das Gebet oder die Andacht, um sie zu erfahren – und auf den Weg dahin ihr Selbst zu erkennen. Ihr „Unterfangen“ ist die Innenschau und letztlich das Verhältnis ihres Selbst zur äußeren Welt. Aber, was „erkennt“ das sogenannte „Bewusstsein“, bzw. anders gesagt, das geistige Selbst, von der uns umgebenden materiellen und geistigen Welt?
Читать дальше