„Wahrhaftig, guter Herr Zwerg, das sind wir, und wir standen Seite an Seite mit den tapferen Axtschlägern der Kristallstädte.“
„Kristallstädte?“ Barbrot räusperte sich. „Ich kenne die schwimmenden Städte unserer Brüder, der Zwerge der Meere, doch von Kristallstädten hörte ich noch nie.“
„Sie standen in den Bergen unserer alten Heimat. Doch ein gewaltiger Vulkanausbruch ließ unser Land im Meer versinken. Wir konnten uns mit Schiffen retten. Ein Sturm zwang unsere Flotte auseinander und wir wissen bis heute nicht, was aus unseren alten Gefährten geworden ist.“
Der Herr der Wolkenstadt nickte bedächtig. „Es wird interessant sein, unsere Geschichten auszutauschen.“
Nedeam richtete sich wieder auf und deutete auf die Luftgefährte. „Unsere Legenden berichten davon, dass wir einst ähnliche Himmelsschwingen besaßen. Das Geheimnis um ihre Beschaffenheit ging verloren. Aber ihr habt nicht nur Schwingen erbaut, sondern eine ganze Stadt errichtet. Eine einzigartige Leistung.“
Barbrot nickte lächelnd, obwohl ihm die Worte des Menschen überhaupt nicht gefielen. Die Konstruktion der Schwingen mit einem anderen Volk zu teilen, das würde keinem Zwerg gefallen, denn der Himmel verhieß Sicherheit. Zumindest, sofern keine Scharfschnäbel in der Nähe waren. Dieses Volk der Landmark mochte freundlich sein und es behauptete sogar, an der Seite von Zwergen gekämpft zu haben, aber selbst wenn dies der Fall war, so wusste man schließlich auch, wie wankelmütig Menschen sein konnten. Sein Clan würde gut daran tun, nicht zu viel über das Fliegen zu verraten.
„Ja, es ist eine großartige Leistung“, stimmte Barbrot Himmelsherrr dem Hochlord zu, „aber das gilt nicht weniger für das, was Ihr und Euer Volk erschaffen habt. Ihr habt eine schöne und große Stadt und nutzt die Kraft des Dampfes. Eurem Volk geht es gut und es treibt sicherlich regen Handel. Wie wir sehen konnten, befindet sich sogar eine Stadt des Wasservolkes in der Nähe der Küste.“
Nedeam verstand die versteckten Anspielungen und Fragen. Er war bereit, die Neugierde des Zwerges zu stillen. „Friedlicher Handel verbindet die Völker in Freundschaft, guter Herr Zwerg. Leider liegen wir fern der Handelsrouten. Nur sehr selten verirrt sich der Händler eines anderen Volkes zu uns.“ Er zuckte bedauernd mit den Schultern. „Leider sind wir kein Volk von Seefahrern. Auch wenn wir über einige Schiffe verfügen, so fährt doch nur selten eines hinaus. Was wir vom Meer brauchen, das holen unsere Fischer oder wir treiben Handel mit den Antari. Ihr habt deren Stadt tatsächlich gesehen?“
Bernbrot lächelte vergnügt. „Glaubt mir, guter Herr Nedeam, von den Wolken aus kann man so manches sehen.“
Nedeam deutete auf das Luftschiff. „Ihr gestattet einen Blick auf Euer Gefährt?“
Barbrot lachte freundlich. „Wenn der Hochlord einen Blick auf seinen Markt gestattet?“
Nedeam stimmte in das Lachen ein. Er wandte sich um. „Heißen wir die kleinen Herren willkommen und zeigen ihnen, was unsere Landmark zu bieten hat.“
Frau Indara klatschte in die Hände. „Ihr habt den Hochlord Nedeam gehört, ihr Männer und Frauen von Llaranea. Dies ist der größte Markt der Mark. Zeigen wir den Herren des Himmels, wie man bei uns Handel treibt.“
Benara Klughand eilte prompt zu Indara und es wurde sofort deutlich, dass beide Frauen sich im Wesen ähnelten und welche Vorfreude sie erfüllte, einen neuen Handelspartner gefunden zu haben. Nicht alleine, weil guter Verdienst winkte, sondern vor allem, weil beide Seiten davon ausgehen konnten, nützliche und auch ungewöhnliche Dinge zu entdecken. Der Handel mit Zwergen war für die Menschen der Mark ein erstmaliges Ereignis.
Innerhalb kurzer Zeit mischten sich Zwerge und Menschen untereinander. Die Neugierde auf beiden Seiten führte zu regen Gesprächen, in die sich immer wieder Gelächter mischte. Händler eilten herbei, um ihre Waren anzupreisen.
Barbrot Himmelsherr zeigte Nedeam und Antarim das große Luftschiff. Einige Zwerge breiteten das Angebot der Wolkenstadt aus, welches sich, im Vergleich zu dem der Mark, sehr bescheiden ausnahm. Barbrot hatte dies bereits befürchtet und wandte sich daher direkt an Nedeam. „Es mag sein, dass Euch unsere Waren nicht überzeugen, Hochlord, doch wir haben weit mehr zu bieten, als das, was Ihr hier mit Händen greifen könnte.“
Nedeam sah den kleinen Zwerg forschend an. „Und was wäre das, Herr der Wolkenstadt?“
„Unser Wissen, Hochlord. Nicht in der Kunst des Baus einer Stadt, die am Himmel fliegt, sondern in Wissen über das Land und die Inseln, welche unsere Stadt im Verlauf so vieler Jahre überflogen hat.“
Nedeam verstand sofort, worauf Barbrot anspielte. „Ihr sprecht von Karten?“
„Den besten, die Ihr nur bekommen könnt.“ Das Lächeln von Barbrot vertiefte sich. „Von der Höhe unserer Stadt aus können wir mit den Langaugen alles unter uns sehen.“
„Nun, sicherlich keine Bodenschätze, die im Untergrund verborgen sind“, erwiderte Nedeam freundlich, „aber ich bin mir sicher, dass Ihr herausragende Karten anfertigt, wenn es um die Form eines Landes, seine prinzipielle Beschaffenheit, um Entfernungen und Maße geht.“
„Sie wären nützlich für Euch“, versicherte Barbrot. „Es wären Karten in einer Genauigkeit, wie Euer Volk sie selbst niemals erstellen könntet.“
Nedeam überlegte. „Ich denke, das wären sie tatsächlich. Vermutlich habt Ihr sie noch nicht verfügbar?“
Der Zwerg schüttelte bedauernd den Kopf. „Eldont'haneeva hat diesen Kontinent gerade erst erreicht. Doch wir würden sie in kurzer Zeit für Euch fertigen“, fügte er rasch hinzu.
Nedeam warf einen langen Blick über das Luftschiff. „Ihr Zwerge seid hervorragende Handwerker.“
„Und hervorragende Flieger, Landvermesser und Kartenzeichner.“ Der Blick von Barbrot wurde forschend. Plötzlich hatte er eine düstere Vorahnung. „Warum erwähnt Ihr das Handwerk, Hochlord?“
„Weil ihr Zwerge dieses Himmelsschiff ganz ausgezeichnet ausgebessert habt“, bekannte Nedeam offen und sah die Betroffenheit im Gesicht des Stadtmeisters. „Man kann die reparierten Stellen kaum erkennen und muss schon ein sehr scharfes Auge dafür haben. Ich kenne die Sorgfalt der Zwerge aus unserer alten Heimat. Wenn diese einen Schaden an einer Stelle entdeckt hatten, von der ihr Leben abhing, dann flickten sie diese nicht, sondern tauschten gegen Neues aus.“ Er sah Barbrot ernst an. „Ihr habt das nicht getan. Ich vermute daher, dass Eure Stadt nicht über die erforderlichen Mittel verfügt.“
Das Gesicht des Herrn der Wolkenstadt verfinsterte sich. „Ich verstehe. Ihr wollte nun einen Vorteil im Handel daraus ziehen.“
Nedeams Antwort verblüffte den Zwerg. „Unsinn. Ich habe euch Zwerge als gute und tapfere Wesen kennengelernt und betrachte mich als euren Freund. Und ich weiß, dass ihr Zwerge einen fairen Handel schätzt. Seid also ehrlich, Barbrot Himmelsherr: Eure Stadt braucht viele Dinge, doch Ihr werdet nur das Notwendigste einhandeln, da Euch der Gegenwert in Handelsware fehlt. Ist es so?“
Der Stadtmeister strich nachdenklich über die Enden seiner Bartzöpfe. „Wenn Ihr Euch als Freund der Zwerge betrachtet, dann wisst Ihr auch, dass wir Zwerge nicht gerne in der Schuld anderer stehen.“
„Ich kenne den Stolz der Zwerge und dass sie niemals etwas schuldig bleiben“, antwortete Nedeam im Versuch, diplomatisch zu bleiben. Er begriff, dass der Stolz des Wolkenvolkes zu hoch war, um etwas entgegenzunehmen, für das sie keine echte Gegenleistung erbringen konnten. „Nun, hört mir gut zu, Herr der Wolkenstadt. Eure Karten werden sehr wertvoll für unser Volk sein, doch da gibt es etwas, mit dem ihr uns womöglich noch weitaus mehr helfen könnt. Sagt, wären die Karten auf unser Land beschränkt oder gingen sie auch über dessen Grenzen hinaus?“
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