Als der Lindwurm schon knapp vor ihm stand, wusste der Drache, was zu tun war. Er schoss einen kleinen Feuerball, den er unbemerkt vorbereitet hatte, in die Richtung des Lindwurms. Er war zwar nicht so groß wie die ersten zwei, wegen der kurzen Aufladedauer, aber er diente auch nur zur Ablenkung. Und nun folgte noch ein Hieb mit dem Schweif. Treffer! Der Abstand der Beiden vergrößert sich wieder. „Hoffentlich war's das“, meinte Slykur zufrieden grinsend.
Diesmal hatte der Lindwurm alles voll abbekommen, doch Lindwürmer konnten so einiges vertragen. Der Schlag mit dem Schweif war schmerzhaft gewesen. Doch eine nennenswerte Verletzung hatte der Gründrache dem Lindwurm damit nicht zufügen können. Doch jetzt wurde der Lindwurm erst so richtig wütend. „DUUUU! Du wagst es...“ Nun war sich der Lindwurm natürlich sicher, dass er dem Drachen kein Wort glauben durfte und er starrte sein Gegenüber finster an.
Der Drache lächelte. „Du bist doch verwundbar... ich hatte die Hoffnung ja schon fast aufgegeben. Eigentlich wollte ich dir keine Schmerzen zufügen. Ich will einfach nur raus aus dieser stickigen Höhle." Slykur erwiderte den finsteren Blick des Lindwurms mit einem etwas provozierenden Blick. Einschüchtern würde er sich nicht lassen. Dazu war der Gründrache zu stolz.
Mit den letzten beiden Worten hatte der Drache den Lindwurm auf eine Idee gebracht. Lindwürmer konnten zwar kein Feuer speien, aber sie konnten ihre Gegner mit Rauch betäuben. Das klappte bei vielen Tieren und vielleicht ja auch bei diesem Drachen. Säugetiere oder Menschen wurden jedenfalls sofort Ohnmächtig, wenn sie Rauch einatmeten, der von einem Lindwurm ausgestoßen wurde. Da dem Lindwurm sein eigener Rauch nichts ausmachte, war es zumindest einen Versuch Wert. Da der Drache gerade in Reichweite war, spie der Lindwurm ihm, ohne noch lange nachzudenken eine Wolke betäubendem Rauch entgegen.
Slykur fing an zu husten. „W... Was ist jetzt los? Rauch?" Der Drache hielt so gut er konnte die Luft an. Doch in dieser Höhle musste er atmen, wenn er nicht ersticken wollte. Noch einmal hustete er. Doch der Rauch schien keine betäubende Wirkung auf den Drachen zu haben. „Netter Versuch. Aber durch das Spielen mit dem Feuer bin ich resistenter gegen Rauch als manch Anderer. Aber mit dem hätte ich nie gerechnet. Ich hatte keine Ahnung, dass du Rauch speien kannst.“
„Tja, wir Lindwürmer sind voller Überraschungen“, erwiderte der Lindwurm grinsend. Der Rauch begann sich langsam aufzulösen und verzog sich mehr und mehr. Schon bald standen sich die beiden Kontrahenten wieder genauso gegenüber wie zuvor.
Der Lindwurm hatte nicht wirklich damit gerechnet, den Drachen mit seinem Rauch wirklich betäuben zu können. Dennoch hatte der Rauch zumindest ein wenig Wirkung gehabt und dieser Gründrache schien tatsächlich überrascht gewesen zu sein. Wenn ihn das schon überrascht, dann sollte er mal meine restlichen Fähigkeiten kennen lernen, dachte sich der Lindwurm. Es war offensichtlich, dass dieser Gründrache noch keinerlei Erfahrungen mit Lindwürmern gemacht hatte.
„Langsam werde ich müde. Wie lange wollen wir hier noch weiterkämpfen? Ich werde mich nicht freiwillig als dein Futter anbieten. Niemals!“ Der Drache begann zu schnaufen, da der Rauch und der dadurch eingetretene Luftmangel, ihn viel mehr Kraft und Ausdauer gekostet hatte, als Slykur erwartet hatte. Seine Chancen sanken mit jeder weiteren Minute des Kampfes.
„So so, du wirst müde. Das ist gut zu wissen, Kleiner. Also ich bin noch immer in Topform und könnte das bestimmt noch sehr lange durchhalten. Du könntest dir vieles ersparen, wenn du einfach aufgeben würdest“, entgegnet der Lindwurm und starrte sein Gegenüber dabei an, um möglichen weiteren Feuerbällen rechtzeitig ausweichen zu können.
Slykur schaute den Lindwurm verbittert an. „Vielleicht wollte ich damit nur sagen, dass ich des Kampfes müde geworden bin. Ich bin nicht müde im Sinne von Müde. Ich bin nur gelangweilt. Ich werde jedenfalls niemals aufgeben. Warum sollte ich auch?" Slykur schien sich langsam zu erholen, obwohl er so gerne ein wenig schlafen würde. Ohne Schlaf und mit leerem Magen würde er nie die ganze Ausdauer zurückbekommen können. Wenn er diesen blöden Lindwurm nur irgendwie loswerden könnte.
Der Lindwurm überlegte, welche Optionen ihm in dieser Situation noch blieben. Vielleicht war es keine schlechte Idee, den Drachen zu ermüden. Wenn er erst müde war, macht er vielleicht Fehler, die der Lindwurm für sich ausnutzen könnte. Leider hatte er in seiner Höhle nicht wirklich viel mehr Möglichkeiten, als Rauch einzusetzen, oder ihn direkt anzugreifen.
„Was ist nun?...Warum so still? Ich will einfach nur hier raus... sonst ist mir alles egal. Und das mit dem Aufgeben kannst du gleich vergessen, als ob Drachen jemals aufgeben würden..." Slykur beobachtet den Lindwurm genau und er konnte es kaum glauben, dass er noch immer nicht an dieser Schlangenkreatur vorbeigekommen war.
„Hm du willst also raus... nun gut, dann geh doch raus“, erwiderte der Lindwurm frech grinsend. Er wusste, dass er den Drachen hier wohl nicht so leicht würde besiegen können, aber vielleicht konnte er ihm ja heimlich folgen. Da er dem Drachen ja einen seiner Flügel verletzt hatte, war es unwahrscheinlich, dass er einfach so davonfliegen konnte. Er musste zu Fuß gehen. Und wer zu Fuß geht, der wird Spuren hinterlassen, denen ein Lindwurm folgen könnte. Und vielleicht legt er sich irgendwo hin um zu schlafen. Dann würde der Lindwurm ihn sicher unvorbereitet erbeuten können.
„Und woher weiß ich das ich dir trauen kann und ich ungehindert deine Höhle verlassen kann?" Da Slykur selbst ziemlich abgekartete Spielchen trieb, rechnete er sofort mit dem Schlimmsten. „Oder hast du es endlich eingesehen, dass es nichts bringt mich hier festzuhalten?"
„Ja ich habe eingesehen, dass es ein Fehler war, mich mit dir anzulegen. Du bist wohl einfach zu groß und stark für mich. Einen so großen Drachen würde ich niemals fressen können. Da waren meine Augen wohl größer als mein Magen. Und ein Lindwurm erkennt, wenn ein Kampf zwecklos ist und er keine Chance hat. Du kannst also gehen, wenn du willst. Und sei mir bitte nicht böse wegen deinem Flügel. Den kann man ganz leicht wieder heilen. Möchtest du wissen, wie?“ Der Lindwurm redete dem Gründrachen freundlich zu. Ihm war gerade noch eine Idee gekommen, wie er den Drachen vielleicht doch noch überlisten könnte.
„Hm, hört sich ja ganz verlockend an. Kommt darauf an, was dafür nötig ist. In diesem Zustand kann ich unmöglich fliegen. Und für weitere Strecken ohne die Flügel fehlt mir einfach die Ausdauer.“ Slykur wusste in diesem Moment , dass es ein Fehler war, das zu erzählen doch durch dieses Angebot geriet er kurz in Verlegenheit.
„Na gut, ich verrate es dir. Aber erzähle es bloß nicht weiter. Hier in der Nähe gibt es einen See, dessen Wasser alle Wunden heilen kann. Aber nur ganz in der Mitte des Sees funktioniert das. Du musst einfach nur dorthin schwimmen, und dein Flügel ist hinterher wieder wie neu." Das war natürlich eine Lüge, doch der Lindwurm verfolgte eine Absicht mit dieser Lüge. Ob Slykur wohl darauf hereinfiel?
„Von so was habe ich noch nie gehört“, meinte der Drache. „Das wundert mich nicht. Es ist ja auch geheim. Nur wenige wissen davon.“ „Und wo finde ich diesen See? Ich würde nämlich lieber alleine dort hin gehen. Weil ich mittlerweile gelernt habe, dass man Lindwürmern besser aus dem Weg geht auch wenn es zuerst scheint, dass sie einem freundlich gesinnt sind." Slykur starrte sein Gegenüber an, da er sich noch in der Höhle befand und er damit rechnete, dass das Verlassen der Höhle einen Haken haben könnte.
„Es ist gar nicht weit von hier. Einfach geradeaus Richtung Süden. Den See kann man gar nicht verfehlen. Es ist der zweite See, auf den du treffen wirst. Nicht dieser kleine direkt vor meiner Höhle. Der würde dir nicht helfen. Aber etwa einen Kilometer weiter gibt es einen viel größeren See. Dort solltest du hingehen. Ich werde dich auch nicht begleiten, wenn du nicht willst. Und denke dran. Das Wasser wirkt nur genau in der Mitte des Sees. Einfach nur am Ufer herum plantschen nützt gar nichts. Du musst also ein Stück schwimmen. Und jetzt raus aus meiner Höhle bevor ich es mir noch anders überlege und dich doch noch fresse.“
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