„Was ist passiert?“, fragte Federico.
„Ein Aufstand der Barone im Nordosten, Majestät.“ Der Kanzler räusperte sich. „Sie sind empört über den Befehl Eurer Majestät und weigern sich, Ihre Besitzverhältnisse offenzulegen. Wie ich Euch schon damals sagte, werdet Ihr niemals erreichen, dass die sizilianischen Adligen ...“
„Wer schickt dich?“, fragte Federico den Boten, wobei er Pagliara rüde unterbrach.
„Der Graf von Cefalú, Majestät.“
„Berichte, lass nichts aus!“
Der Bote wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Es gab viele Unmutsäußerungen, als Eure Justiziare den Befehl verlautbarten, dass jeder Grundbesitzer Eigentumsurkunden vorlegen müsse. Einige taten es, ohne zu zögern, andere riefen zum Widerstand. Sie zogen bewaffnet vor die Amtsstuben und bedrohten Eure Beamten. So geschah es in Cefalú und in Messina.“
„Unglaublich!“, fauchte Federico. „Kannst du Namen nennen?“
Der Bote nickte und deutete auf das Schreiben in der Hand des Kanzlers.
Der drückte es an seine breite Brust und mahnte: „Wir sollten das ignorieren, Majestät. Ein solcher Befehl musste Unmut hervorrufen. Sie beruhigen sich wieder, wenn wir ihnen ...“
„Sie werden sich beruhigen. Dafür sorge ich. Gebt mir das Schreiben!“ Federicos Stimme war gefährlich leise und Florent betete im Stillen, der Kanzler möge die Anzeichen des drohenden Sturmes erkennen.
Doch dem fehlte jegliches Einfühlungsvermögen, wenn es um die Stimmungen des Königs ging. „Das ist nicht nötig, Majestät. Ich kümmere mich darum.“
Federico machte einen Schritt nach vorn, riss das Dokument an sich und entrollte es. Der Kanzler zuckte zurück und wurde blass. „Was tut Ihr?“
Der König erstarrte. „Wer seid Ihr, dass Ihr mich das fragt?“
„Euer Kanzler, Majestät!“
„Falsch!“ Der König schob den Kopf vor wie eine Schildkröte, die aus ihrem Panzer schaut. „Ihr seid mein ehemaliger Kanzler. Geht mir aus den Augen!“
Pagliaras Gesichtsfarbe wechselte zu dunklem Rot und Florent befürchtete, der Mann würde erneut einen Herzanfall erleiden. Er fasste ihn am Arm und schob ihn aus dem Raum.
„Cicala, Lavoro, alles Emporkömmlinge. Sagt Euch der Name Lavoro etwas?“, fragte Federico, unbeeindruckt davon, dass er gerade seinen langjährigen Kanzler aus Amt und Würden geworfen hatte.
Florent schüttelte den Kopf.
Der Bote hob die Hand. „Darf ich sprechen, Eure Majestät?“
„Aber ja!“
„Es sind meist Leute, die sich in den letzten Jahren Land oder andere Privilegien verschafften. Durch Bestechung, Betrug und ähnliche Machenschaften. Es war einfach, solange es keinen König ... ich meine, solange Ihr noch nicht volljährig wart. Dieser Lavoro ist ein Vetter Eures Kanzlers.“
„Sie besitzen keine Eigentumsurkunden, die einer gründlichen Prüfung standhalten“, vermutete Florent, und der Bote nickte.
„Wir reiten nach Cefalú“, bestimmte Federico. Er winkte einem Diener. „Schick den Hauptmann der Wache zu mir.“
Zwei Stunden später galoppierten sie mit einer Eskorte von zwanzig gepanzerten Rittern auf der Via Valeria gen Osten. Die ausgeruhten Pferde verfielen gern in das hohe Tempo, das Federicos Renner vorgab. Florent spornte seinen Braunen und schloss zum König auf. Dessen helles Haar flatterte unter dem Helm hervor und verlieh ihm das Aussehen eines nordischen Gottes.
„Wie wollt Ihr mit dem Kanzler verfahren?“, rief Florent gegen den Wind.
Der König lockerte die Zügel und ließ den Fuchs traben. „Welchen meint Ihr, den alten oder den neuen?“
„Es gibt bereits einen neuen?“
Friedrich lachte laut. „Ihr seid so leicht zu verblüffen. Ich habe das Versprechen nicht vergessen, das ich Euch damals gab.“
„Was meint Ihr?“, fragte Florent ärgerlich. Er kam sich erbärmlich begriffsstutzig vor.
„Ich hatte Euch versprochen, dass Ihr mein Kanzler werdet, sobald ich König bin.“
Florents Hände krampften sich um die Zügel, der Braune reagierte mit einem Ausfallschritt. Dieses Amt verlangte höchste Künste in der Diplomatie, Welterfahrenheit, Sprachgewandtheit – Vorzüge, die er gewiss nicht besaß. Niemals würde er seinem König ein brauchbarer Berater in politischen Dingen sein. Das Versprechen des Jungen, im Verlies gegeben aus kindlicher Dankbarkeit, hatte er längst vergessen gehabt.
„Majestät, das ehrt mich, aber ...“ Er klopfte dem Braunen den Hals und suchte nach einer Erklärung. „Ich eigne mich denkbar schlecht. Lasst mich weiterhin Euer Schwertmeister sein, damit kenne ich mich aus. Es gibt so viele Männer unter Euren Vasallen, die einen besseren Kanzler abgeben als ich.“
Federico grinste. „Gut, dass Ihr es selbst sagt. Ich breche ungern ein Versprechen.“
Unverschämter kleiner Wicht!, durchfuhr es Florent und er biss sich auf die Zunge, um es nicht auszusprechen. „Aber Ihr hättet es gebrochen?“, fragte er mit säuerlicher Miene.
„Zum Wohle des Reiches, ja.“ Der König stellte sich für einen Moment in die Steigbügel und streckte den Rücken durch. Er war ein ausgezeichneter Reiter, der auch mit schwierigen Hengsten zurechtkam und ohne Probleme weite Strecken zurücklegte. „Ihr habt recht, Florent. Ihr seid ein hervorragender militärischer Berater, der sollt Ihr auch bleiben. Ich komme ohne Kanzler aus, es gibt genug Leute, die mir ständig reinreden wollen.“
Florent dachte an die Unmengen an bürokratischer Arbeit, die Pagliara täglich bewältigt hatte. „Wer soll in Zukunft die Verträge aufstellen, Klauseln ausarbeiten, Gesetze entwerfen?“
Der König lenkte seinen Fuchshengst um einen umgebrochenen Feigenkaktus herum. „Die Schreiber, die das bisher gemacht haben. Die wissen, wie das geht. Ich muss es nur kontrollieren. Bischof Berard und Ihr werdet mir dabei helfen.“
Florent zog die Mundwinkel nach unten, doch im Stillen bewunderte er den Jungen. Er traf Entscheidungen, als wäre er seit Jahrzehnten auf dem Thron und das gelang ihm bisher nicht schlechter als weitaus erfahreneren Männern.
„Als militärischer Berater könnt Ihr mir vielleicht sagen, wie wir mit zwanzig Soldaten einen Aufstand zerschlagen werden?“, fragte Federico.
„Wir müssen uns zunächst ein Bild machen, wie viele Aufständische es gibt und wie gut sie gerüstet sind. Dann sollten wir herausfinden, wer uns treu ist und dort Unterstützung verlangen.“ Florent grübelte weiter. Das war die Standardlösung. Gab es eine andere, gerissenere Möglichkeit? Eine Zeit lang ritten sie schweigend, wieder im hohen Tempo. Die Bauern auf den Feldern und die Händler auf der Straße bekamen kaum Gelegenheit, den König zu erkennen und sich zu verneigen, da waren sie schon vorbei.
Die Nacht verbrachten sie zwei Stunden vor Cefalú in einer Herberge am Straßenrand. Der Wirt und seine Frau tischten ein herzhaftes Frühstück mit gebratenem Fisch und frischem Brot auf. Aus der Geschichte, den König bewirtet zu haben, würden sie eine Weile Nutzen ziehen. Von dem Paar erfuhren sie weitere wichtige Einzelheiten über die aufständischen Barone in Cefalú. Und schließlich schmiedeten sie einen Plan, der ihnen gefiel.
Florent rief zwei Soldaten heran, von denen er wusste, dass sie nicht auf den Kopf gefallen waren. „Sattelt auf und reitet voraus. Gebt euch als Quartiermeister des Königs aus und bestellt beim Bürgermeister Kost und Lager für fünfzig Ritter und ebenso viele Pferde. Sagt ihnen, wir werden übermorgen ankommen. Außerdem soll die beste Herberge der Stadt für den König hergerichtet werden. Und fordert, der podestà möge für übermorgen eine Gerichtsversammlung einberufen und einen stabilen Galgen auf dem Marktplatz errichten.“
Die Männer nickten und sattelten ihre Pferde.
Federico schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. „Zu gern möchte ich die Gesichter der Herren sehen, wenn sich das Gerücht in der Stadt verbreitet.“ Er sah Florent triumphierend an: „Seht Ihr, auch ohne Kanzler habe ich einen ausgezeichneten Plan.“
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