In meinem Wintergarten setzte ich mich an den PC. Flo kommt aus dem Lateinischen und ist die Abkürzung für florens , für blühend und in einem hohen Ansehen stehend. Ich starrte auf die Beschreibung, sie war passend. Sie konnte diese Bedeutung nicht gewusst haben, denn auch ich musste lange danach suchen. Ihr Unterbewusstsein musste ihr das Wort suggeriert haben.
So etwas machte mich immer nachdenklich, denn nichts geschah ohne tieferen Grund. Da wirkte etwas Großes, aber ganz gewaltig.
Am folgenden Morgen und in den Tagen danach erhielt ich von Britt immer wieder Mails. Ich bekam nun immer häppchenweise eine Fortsetzung und wusste nie, was mich erwarten würde.
Seit ungefähr zwei Wochen lebte Britt nun schon ihr neues geheimes Leben.
Sie war irgendwie berauscht von den Gefühlen, die sie völlig vereinnahmten, konnte aber nicht richtig verstehen, warum alles so gekommen war. Doch über eines war sie sich im Klaren. Sie fühlte sich fantastisch.
Als sie mich an jenem Abend verließ, eilte sie nach Hause. Dort legte sie los und griff in die Tasten, und alles brach in einem Schwall aus ihr.
Vorweihnachtliche Atmosphäre mit Kerzenbeleuchtung, Klänge von schöner Musik, die sie aufgelegt hatte, unterstrichen ihre Stimmung und ließen sie in eine völlig neue Welt eintauchen. Sie war im Begriff einem Fremden eine sehr persönliche Mail zu schreiben.
Sie erzählte über ihren Beruf als Grafikerin und ein wenig über ihre Hobbys, schrieb ein wenig über sich, mit welchen Gedanken sie den Tag erlebt hatte und welche inneren Purzelbäume sie erlebte hatte. Nachdem sie die Email abgeschickt hatte, legte sich die innere Nervosität ein wenig und sie war gespannt, wann und was er ihr antworten würde. Kurz vor dreiundzwanzig Uhr erreichte sie dann seine Antwort.
Hi Britt,
ich habe deine erste SMS heute Morgen im Auto erhalten und irgendwie gleich das Gefühl gehabt, da musst du wenigsten kurz antworten. Hätte nicht gedacht, dass ich darauf Antworten bekomme, schon gar nicht ein Foto. Bin beeindruckt darüber, finde es total spannend. Ich wohne in Heilbronn und arbeite auch dort. So wie du jetzt noch am PC sitzt und arbeitest, mache ich das auch. Gehört eben dazu. Ich hoffe, mehr von dir zu hören, bin sicher, wir haben häufiger Grund zum Lächeln. Liebe Grüße
Karsten
Seine Mail las sich gut und sie war glücklich darüber, dass es ihm genauso ging wie ihr und dass er weiter Kontakt halten wollte. Nach lieben Gute-Nacht-Grüßen simsten sie dann am kommenden Tag weiter.
SMS-Nachricht:
Freitag, 7:58 h – 02.12.11
Guten Morgen Karsten. Ich wünsche dir einen tollen neuen Tag. Wir haben bestimmt noch sehr viel Grund zu lächeln. Ganz liebe Grüße und bis später einmal.
Britt
SMS-Nachricht:
Freitag, 8:10 h – 02.12.11
Guten Morgen liebe Britt. Schön von dir zu lesen. Wie ich sehe, bist du auch schon so früh auf den Beinen. Ich wünsche dir einen ganz tollen Tag.
Liebste Grüße
Karsten
So flossen zahllose SMS durch den Äther und es wurde dann an diesem zweiten Tag noch ein langer Abend.
Irgendwann bemerkten sie, dass es schon weit nach Mitternacht war und sie dringend Schlaf benötigten, da am nächsten Morgen die Arbeit nicht danach fragen würde, ob sie noch müde waren. Fest stand für sie, dass sie den Kontakt halten und einfach schauen wollten, wohin ihr Weg sie führen würde.
Was zunächst ganz harmlos in ihrem Unterbewusstsein zu ruhen schien, begann zu wachsen, ohne dass sie es bemerkten. Beide freuten sich so sehr von dem anderen etwas zu hören, dass sich ein unglaubliches Glücksgefühl in ihnen ausbreitete, wenn sie irgendwo eine Nachricht vom anderen entdeckten. Am dritten Tag telefonierten sie miteinander. Britt stand draußen im Wind und beide lachten, als sie sich hörten. Karstens Stimme ging ihr unter die Haut und erreichte ihr Herz. Sie waren sehr ausgelassen und nichts war ihnen fremd. Sie sprachen miteinander, als würden sie sich schon ewige Zeiten kennen, zwei Fremde, die sich benahmen, als wäre das Wort Unbekannter ein Fremdwort für sie. Seine Stimme hallte noch lange in ihrem Ohr und nun wusste sie, dass er so war, wie er schrieb. Äußerst liebenswert und sehr sympathisch.
Sie waren so mit ihrem Kennenlernen beschäftigt, dass sie zunächst ihren wahren Alltag außen vor ließen. Keiner von beiden fragte, was der andere machte oder wie sein privates Leben aussah.
Auch hoben sie nicht ab und schwebten irgendwo auf einer Wolke, nein es war eher ein stilles Kennenlernen und zudem ein sehr liebevolles.
Sie tauschten Fotos aus und versuchten, ihren Eindruck vom anderen zu vertiefen. Karsten sah auf jedem Bild, das er ihr schickte, anders aus und irgendwie hatte Britt das Gefühl, dass es keine Rolle spielte, denn sie hatte ihr Bild von ihm in ihrem Herzen und egal welcher Fotografie er in Natura am ähnlichsten sehen würde, er war der Mann, der ihr Herz erreicht hatte und das schon in den ersten Stunden ihres Kennenlernens.
Nach nur zwei Wochen waren ihre Mails bereits sehr vertraut und so war es auch nicht ungewöhnlich, dass sich innerhalb von einer Woche bei Britt leidenschaftliche Worte Bahn brachen, wie in einer Mail, die sie ihm am Nikolausabend in einer stillen Stunde schrieb.
Mein liebster Karsten,
nun ist es im Haus still geworden und ich finde Zeit, Dir einige Zeilen über das zu schreiben, was mich so sehr berührt. Damit Du Dir ein Bild machen kannst, beschreibe ich jetzt, wo ich sitze. Oben auf einer großen Empore befindet sich mein Sekretär. Dort habe ich eine Vanilleduftkerze angezündet und die Schreibtischlampe auf dem Sekretär gedimmt, um eine Atmosphäre zu schaffen, die meiner Stimmung entspricht.
Hinter mir stehen Bücherregale, gefüllt mit meinen Kostbarkeiten, zum Teil auch mit sehr alten Büchern, geschrieben in Sütterlin, denn alte Schriftsteller finden bei mir immer einen Platz. Ich schaue auf das Treppengeländer, das festlich geschmückt im Glanz der Lichter weihnachtlich erstrahlt.
Zudem höre ich wunderschöne romantische Musik, weil sie so sanft in mich fließt und mich mit meinen Gedanken weit hinaustragen in eine andere Stadt, eine Stadt in der ein Mensch lebt, der mein Herz auf eine besondere Art und Weise berührt hat.
Karsten, das, was wir zurzeit erleben, grenzt fast an Magie und doch ist es so realistisch. Deine Worte erreichen mein Herz, sie hallen nach und wenn wir uns unterhalten, ist es, als würden Tenor und Sopran in Einklang miteinander verschmelzen. Ich sauge sie auf, egal in welcher Form sie mich erreichen, denn sie sind wie Balsam für meine Seele, sind wie ein Streicheln meiner Sinne.
Karsten, wäre ich jetzt Annette von Droste-Hülshoff, würde ich wie sie damals Dir auch Gedichte und Liebesbriefe schicken, die Dich berühren und die Deine Fantasie beflügeln, die Dich für Momente in eine Welt versetzen, in der Du nur uns siehst. Die Momente mit Dir gehören nur mir, ich muss diese mit niemandem teilen. Sie sind unsere Welt der Sinnlichkeit, der Sehnsucht und des Verlangens. Ich habe mich verliebt, verliebt in diese Momente, ich genieße sie, ich genieße Dich in ihnen. Und wenn ich Dir dadurch wieder dein Strahlen zurück gezaubert habe, so hat das Ganze den Sinn gehabt, dass Du wieder auflebst, dass ich Dich zum Lächeln gebracht habe.
Ich weiß nicht, wie es sein wird, wenn wir uns begegnen, doch wird es für uns beide ein Höhenflug der Gefühle werden und ich denke, ich spreche da auch für Dich. Wir beide spürten bisher immer das Gleiche.
Traumhafter kann eine Begegnung nicht sein, traumhafter können Worte am Telefon nicht klingen, traumhafter als dem anderen persönlich in die Augen zu sehen, kann es nicht werden.
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