„Er ist wunderschön, nicht wahr? Ich habe ihn aus Istanbul mitgebracht. Ich habe dort zwei Jahre in einem Hotel gekocht und der Teppich war ein Abschiedsgeschenk des Inhabers. Er ist aus echter Seide. Selber würde ich mir so etwas nie kaufen, aber er ist ein wahres Prachtstück.“
„Ich wollte schon immer einen großen Perserteppich haben“, sagte sie und drehte sich um die eigene Achse. „Er ist so groß.“
„So einen würdest du leider nur schwer in mein kleines Haus bekommen“, merkte Basil an.
„Lillian entwirft schon seit Jahren ihr Traumhaus“, sagte Frank „Ihr würdet nicht glauben, was sie dort alles eingeplant hat.“
„Jedes Mädchen hat seine Träume, Frank“, sagte Basil. „Manche wollen reisen, andere wollen ein Haus bauen.“
Sophie deutete durch ein höfliches Räuspern an, dass sie sich gänzlich ignoriert fühlte.
„Bitte entschuldige, wo sind denn meine Manieren, Frank, Lillian, das ist Sophie“, stellte Spencer sie vor. „Ihr gehört der andere Teil von Sarahs Blumenladen.“
Die gebrechliche Frau nickte zustimmend und nippte weiter an ihrem Tee. Sophie war klein und hager. Ihre langen Haare hatte sie zu einem Dutt zusammengesteckt und an ihren Füßen saßen ein paar alte Turnschuhe. Abgesehen von einem kleinen Goldkettchen an ihrem rechten Handgelenk machte sie einen verwahrlosten Eindruck.
„Ich bin mit einem Anliegen zu diesem Treffen gekommen“, fing sie an, „ich bin alt und das Geschäft mit dem Blumenladen wird mir zu viel.“
„Sophie ...“, wollte Basil sie unterbrechen.
„Nein. Basil, es geht mir schon seit einer Weile so. Die Arbeit im Laden ist anstrengend und ich bin einfach zu alt geworden. Um ehrlich zu sein, bin ich es auch ein klein wenig leid. Die Arbeit mit Sarah war angenehm, aber alleine ist es zu anstrengend. Es wird Zeit, zurückzutreten. Und da kommt ihr ins Spiel. Basil hat mich wissen lassen, dass ihr von Sarah eine beachtliche Summe Geld geerbt habt. Hier ist mein Angebot: Für 50 000 verkaufe ich euch meinen Anteil am Laden, überlasse euch meine Kontakte und Stammkundschaft und helfe euch mit dem Geschäft, bis ihr euch zurechtfindet. Einverstanden?“
Spencer und Basil blickten beide zu Lillian und Frank, die selber nicht so recht wussten, was sie mit dem plötzlichen Überfall anfangen sollten.
„Sophie, das ist sehr großzügig von dir. Was meinst du, Lillian? So eine Entscheidung kann ich nicht für uns beide treffen. Es ist unser Geld.“
Das stimmte nicht. Rechtlich gesehen gehörte das Geld Frank und Frank alleine. Lillian war sich dessen durchaus bewusst, aber so hatte ihre Beziehung schon immer funktioniert. Sie teilten sich ein Bankkonto und verwalteten ihr Geld gemeinsam. Bea hatte ihr immer gesagt, dass sie und Frank ein finanzielles Wunderkind seien. Die meisten Beziehungen, die ihre Finanzen so handhabten, zerbrachen irgendwann daran.
„Sophie, ist der Laden denn nicht viel mehr wert?“, fragte Lillian.
„Das ist mir egal“, sagte Sophie mit einer ordentlichen Portion Ehrlichkeit in der Stimme. „Mir ist er 50 000 wert, denn das ist die Summe, die mir noch fehlt, um meinen Ruhestand genießen zu können. Das Geschäft hat eine treue Stammkundschaft und ich habe gute Kontakte zu den Bogdanows, die die Gärtnerei betreiben. Das sind gute Jungs, sie liefern mir ihre Rosen zu einem unschlagbar niedrigen Preis. Ich werde sie bitten, für euch dasselbe zu tun, und sie werden meiner Bitte nachkommen.“
„Wolltet ihr in Shuus bleiben?“, fragte Basil.
„Das hatten wir vor“, sagte Lillian.
„Und was genau war euer Plan, habt ihr eine Arbeit außerhalb von Shuus?“
„Nein, wir sind quasi arbeitslos.“
„Warum kauft ihr nicht den Laden, steckt die restliche Kohle in eine Renovierung und zieht das Ding richtig groß auf?“, schlug Basil vor.
Spencer hatte seine Beine überkreuzt und die Arme verschränkt.
„Das wäre doch was. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Was habt ihr schon zu verlieren? Euer Haus kann euch niemand nehmen.“
„Was meinst du?“, fragte Lillian Frank.
„Warum nicht. Wir kaufen den Laden. Vielleicht haben diese Bungda...“, er versuchte vergeblich, den russischen Namen auszusprechen.
„Bogdanows“, korrigierte ihn Sophie. „Ich werde euch einander vorstellen.“
„Fein. Vielleicht kann ich diese Bogdanows davon überzeugen, Geld in meine Blumensamen-Idee zu investieren.“
Fragende Blicke richteten sich auf Frank.
„Mein Junge, es tut mir leid, dass ich deine Welt zerstören muss, aber Blumensamen gibt es schon“, sagte Basil.
„Aber nein. Blumen, die aus diesen Samen wachsen, wechseln regelmäßig die Farbe, ganz von alleine.“
Die fragenden Blicke lösten sich in Erstaunen auf.
„Die Jungs werden sich sicher dafür begeistern lassen“, erklärte Sophie. „Sie suchen immer nach einer cleveren Investitionsmöglichkeit. Sie sind sehr gewieft, was ihre Geschäfte angeht. Sie haben die Gärtnerei quasi aus dem nichts aufgebaut.“
Basil gähnte.
„Dann wäre ja vorerst alles geklärt“, meinte Spencer. „Dann würde ich euch jetzt alle gerne rausschmeißen. Es wird Zeit, dass diese zwei alten Männer ihren Mittagsschlaf machen. In Ordnung?“ Er war aufgestanden und lächelte seine Gäste freundlich an.
„Natürlich“, sagte Frank.
Sophie, die die Routine der beiden bereits kannte, stand vom Sofa auf und nahm ihre Handtasche.
„Wir sehen uns bald wieder. Basil. Spencer.“ Sie verabschiedete sich nüchtern und verließ das Haus.
„Sie ist eigentlich eine Frohnatur. Aber Sarahs Tod hat sie sehr mitgenommen“, sagte Spencer mit ernster Miene. „Sie hat niemanden und lebt alleine über dem Blumenladen. Ich fürchte, die gute Sophie hat sich in den vergangenen Jahren etwas vernachlässigt.“
Spencers Gedanken schienen in weite Ferne abzudriften, dann kehrte seine Fröhlichkeit zurück. „Ich bin sicher, dass wir uns bald wiedersehen. Vielleicht zum Abendessen? Ich würde liebend gerne einmal für euch kochen und herausfinden, wie eure Geschmacksknospen so gepolt sind.“
Lillian erinnerte sich plötzlich an die verblasste Aufschrift hinter dem Asiaten. „Spencer, hat dir einmal der Asiate gehört?“
„Ja, vor langer Zeit. Es war mein Restaurant und es war etwas Besonderes. Er war etwas Besonderes ...“, sinnierte er und dachte an bessere Zeiten, in denen er eine ganze Mannschaft von Kellnern vor sich her getrieben und in der Küche den Ton angegeben hatte.
„Was ist passiert?“
„Wisst ihr, je älter man wird, desto mehr muss man zurücklassen. Das Leben ist nicht immer fair und ...“, er geriet ins Stottern und Lillian meinte, eine Träne in seinem rechten Auge erkennen zu können.
„Ich glaube, ihr solltet jetzt besser gehen“, sagte Basil.
„Ja, natürlich“, sagte Lillian, „bitte entschuldige, Spencer. Ich wollte dir nicht zu nahe treten.“
„Quatsch“, sagte der und winkte ab, „wir reden ein anderes Mal, ja? Beim Abendessen. Und ich koche, versprecht mir das!“
„Versprochen“, sagte Lillian.
„Sehr gut.“
„Und jetzt raus mit euch“, sagte Basil, „probiert den Asiaten doch mal aus, er ist gar nicht übel.“
Dafür fing er sich einen verächtlichen Blick von Spencer ein.
„Komm jetzt, wir gehen ins Bett“, sagte Basil und nahm Spencer an der Hand und lief mit ihm davon.
„Viel Spaß“, rief Frank, der es sich einfach nicht verkneifen konnte.
„Um zu schlafen, Muschischlotzer“, feuerte Basil knallhart zurück.
„Opa?“, fragte Frank und Basil blieb stehen.
„Was?“
„Kann ich bei euch kurz aufs Klo?“
„Was weiß ich, kannst du? Klugscheißer ...“, sagte er und verließ den Raum.
„Lilly, ich werde mal kurz nach dem Klo Ausschau halten. Geh ruhig schon mal raus zum Wagen.“
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