Marlin Schenk
Die Straße der Ritter
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Inhaltsverzeichnis
Titel Marlin Schenk Die Straße der Ritter Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Kapitel: Aufbruch nach Rhodos Marlin Schenk Die Straße der Ritter Dieses ebook wurde erstellt bei
1. John Duncans Schmiede
2. Galeeren in den Docks von London
3. Der Schwarze Ritter
4. Im Hafen
5. Die erste Etappe
6. Von L'Havre nach Brest
7. Aufbruch nach Süden
8. Altes Eisen
9. Albrecht von Hohenstetten
10. Auf dem Atlantik
11. La Coruna
12. Erkenntnisse
13. Training
14. Fortschritte
15. Im Mittelmeer
16. Der Sklavenaufstand
17. Die Glocken von Rom
18. Die Ägäis
2. Kapitel: Die Insel der Sonne
19. Das Colachium
20. Die Akropolis von Rhodos
21. Das griechische Mädchen
22. Helenas Hass
23. Das Sguardium
24. Ein harter Tag
25. Unbekannte Gefühle
26. Das Haus der Hure
27. Ausbrüche
28. Diensttage
29. Der Streit
30. Verzweiflung
31. Die Frage des Gewissens
32. Angeklagt
33. Im Tal der Schmetterlinge
34. Aderlass
35. Anthonios Meligalos
3. Kapitel: Die Belagerung von Rhodos
36. Die Türken kommen
37. Landung auf Rhodos
38. Master Georg
39. Steinregen
40. Eine unruhige Nacht
41. Die Schlacht um den Sankt-Niklas-Turm
42. Der glorreiche Einzug
43. Das Spiel
44. Wechselspiel der Anschläge
45. Die letzte Schlacht um Sankt Niklas
46. Die Maulwürfe
47. Das Bett der Schmerzen
48. Das Ende der Belagerung
49. Das Ende aller Sünden
50. Naturgewalten
51. Vom Regen in die Traufe
52. Familie Androkles
Nachwort
Impressum neobooks
Im Frühjahr des Jahres 1478 nieselte es wochenlang aus grauen Wolken, die wie ein triefender Schwamm über England hingen. Die feinen Regentröpfchen senkten sich wie satter Nebel herab, hüllten alles in kalten Dampf und graue Trostlosigkeit und verwandelten das ganze Land in eine Schlammwüste. Hin und wieder erbrachen die Wolken ergiebige Wassermengen und überspülten Wiesen und Äcker, denn der gesättigte Boden konnte die Fluten nicht mehr aufnehmen. Das Korn begann zu faulen, die Flüsse traten über die Ufer, und die Weiden konnten nicht mehr genutzt werden, denn das Vieh wäre darin versunken. Die Straßen im Königreich waren seit Herbst nur noch schmierige, braune Bänder, die die eingenässte Landschaft durchzogen und dem Reisenden das Leben schwer machten, denn oft genug blieb eine Kutsche im Morast stecken oder rutschte von der Straße, wodurch sie eine leichte Beute für Wegelagerer und Räuber wurde.
War das Leben in der Stadt schon eine Last, seit der Satan das Land in seinen feuchten Klauen hielt, so war es in einem Dorf wie Seven Oaks ein Fluch. Nur die Hauptstraßen waren mit grob gehauenen Steinen befestigt und passierbar. Wer aber in einer Seitenstraße wohnte und das Haus verließ, um Fleisch oder Gemüse einzukaufen, konnte damit rechnen, beschmiert und nass bis unter die Achseln wieder zurückzukommen. Die Kirchgänger waren nicht besser dran. Der Geistliche von Seven Oaks hatte bereits befohlen, dass das Haus Gottes nur noch ohne Schuhwerk betreten werden durfte, weil die ständige Verschmutzung der heiligen Stätte mit Matsch eine Herausforderung des Herrn darstelle. So ließen die gehorsamen Gläubigen ihre Schuhe und Stiefel im Glockenturm zurück und gingen barfuß über kalten Stein zu ihrer Bank, wodurch viele sich erkälteten und drei Erkrankungen mit der tödlichen heißen Lunge endeten.
Einer, dem das schlechte Wetter nicht die Ernte verhagelte, war John Duncan. An der Hauptstraße hatte er eine Schmiede und Wagnerei, in der es warm war, und als ob der Teufel sein Verbündeter wäre, brachte der Regen ihm viele Kunden mit gebrochenen Wagenrädern oder gelockerten Hufeisen, so dass sein Beutel sich langsam aber stetig straffte. Von morgens bis abends war er damit beschäftigt, Hufeisen zu formen, Pferde zu beschlagen und Wagenräder zu flicken. Unermüdlich bediente er den großen Blasebalg, der das Feuer knisternd auffauchen ließ.
Als John sich wieder einmal dem Amboss zuwandte, um mit dem Hammer ein Eisen zu formen, hörte er Pferdehufe auf dem groben Pflaster der Straße. Sein geschultes Ohr sagte ihm, dass dieses Pferd auf dem Weg zu seiner Schmiede war, denn auf drei harte Schritte folgte ein gedämpfter, was bedeutete, dass dem Tier ein Hufeisen fehlte. Die Schritte kamen näher und erstarben schließlich vor dem massiven Bruchsteinhaus. Einen Augenblick später pochte es an der schweren, mit Eisen beschlagenen Eichentür.
„Tretet ein“, rief John Duncan, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.
Die Tür öffnete sich knarrend. Herein trat ein durchnässter Mann mit breitem Lederhut und ledernem Umhang, der wegen der Nässe, die er während einer langen Reise aufgesaugt hatte, fast schwarz und ein wenig glänzend erschien.
John drosch weiter auf das Eisen ein. „Euer Pferd braucht neue Schuhe“, sagte er grußlos, ohne sich umzuschauen.
Der Fremde nahm den triefenden Hut ab und klopfte ihn ein paar Mal gegen die Wand. „Hört man das so deutlich?“ fragte er.
„Ja.“ Nun drehte John sich nach dem Besucher um und deutete auf einen grob gezimmerten Schemel. „Nehmt Platz.“
Der Fremde nahm den nassen Umhang ab und setzte sich. „Gemütlich habt Ihr's hier, Schmied.“
John zuckte mit den Schultern. „Es lässt sich aushalten“, sagte er knapp. Dann nahm der Hammer seine Arbeit wieder auf.
„Seid nicht so bescheiden. Das habt Ihr gewiss nicht nötig. Wer ein massives Haus besitzt wie dieses hier, der braucht sich um sein Alter keine Sorgen zu machen.“
John fasste den Hammer fester, um den Fremden notfalls damit außer Gefecht zu setzen. „Wollt Ihr mich aushorchen, ob es was zu holen gibt?“ fragte er mit kerkerfinstrem Blick.
„Wo denkt Ihr hin?“ Die Kraft eines Ochsen, die sich unter der Haut der nackten Arme widerspiegelte, mahnte den Fremden zur Vorsicht. Er erkannte, dass er durch seine Neugierde Gefahr herauf beschwor. „Entschuldigt meine Frage“, sagte er in freundlichem Ton. „Es ist vielmehr, dass Gebäude im Dorf gewöhnlich aus Flechtwerk und Lehm gebaut sind. Ein solch massives Haus wie dieses habe ich noch nie gesehen.“
John hob das glühende Hufeisen in die Luft und betrachtete es, indem er es nach allen Seiten drehte. „Dies ist eine Schmiede“, sagte er, „und in einer Schmiede arbeitet man mit Feuer. Bei Lehmhütten würde schnell der rote Hahn auf dem Dach krähen.“
„Ich komme aus dem Süden“, erklärte der Fremde, „und da sind die Schmieden im Freien, nur mit Schiefer überdacht. Und die Häuser sind aus Flechtwerk und Lehm.“
John drehte sich erneut dem Fremden zu. „Ihr habt noch nie eine Schmiede im Haus gesehen?“ fragte er zweifelnd.
„Nein.“
John hob die Schultern und widmete seine Aufmerksamkeit dem Blasebalg, um das Eisen wieder zum Glühen zu bringen. In das Fauchen und Knacken des Feuers hinein hörte er den Fremden fragen: „Habt Ihr Ale im Ausschank?“
John Duncan nickte, formte das Eisen mit ein paar weiteren Schlägen und tauchte es in kaltes Wasser. Dann legte er den Hammer ab und ging zur Tür. „Mary, bring Ale“, rief er und ging wieder an den Amboss zurück.
„Wann könnt Ihr mein Pferd beschlagen?“ fragte der Fremde.
„In einer Stunde ist es fertig.“
„Und was kostet es?“
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