1 ...7 8 9 11 12 13 ...36 „Und er hat mit dir gewettet?“
„Ja. Er bot mir die Hunde an.“
„Und was hattest du als Wetteinsatz?“
„Meinen Bogen.“
„Ach ja.“
Nun verstand ich, warum der Molosserhäuptling darauf eingegangen war. Sein Bogen war tatsächlich etwas besonderes. Uralt und Spitames behauptete, dass dies der Bogen sei, mit dem Odysseus die Freier erledigt hatte. Ich konnte den Bogen nie spannen, genau so wenig wie die Freier der Penelope. Es war ein Trick dabei. Der Bogen aus dem Holz der Kornelkirsche und mit Horn verklebt konnte nur unter großen Kraftanstrengungen gespannt werden und dann mußte man noch den Trick beherrschen. Es war ein herrlicher Bogen und hätte dem Odysseus gut angestanden. Dass er tatsächlich der Bogen des Listenreichen war, musste man nicht unbedingt glauben.
„Und warum wolltest du diese hässlichen Viecher? Sie werden dir nur die Haare vom Kopf fressen.“
„Da werden sie aber tüchtig hungern“, warf Phokis ein.
„Sie sind unsere Vorhut.“
„Ach so, du willst ….“
„Ja. Sie dem Kyros auf dem Pelz schicken.“
„Verstehe. Sie werden ihn beschäftigen und wenn er müde ist, übernehmen wir ihn.“
„Ja. So könnte es klappen.“
„Ich habe gehört, dass das schon eine Generation von Jägern versucht!“ wandte Phokis ein.
„Alles geht einmal zu Ende. Damals war er auch jünger“, knurrte Spitames.
„Zwei Eisen von uns sitzen ihm schon in der Brust und es hat ihm nicht viel ausgemacht“, gab ich zu bedenken.
„Ja. Er ist ein guter Bär“, knurrte Spitames und löste die Stricke und nun waren die Hunde frei und ich trat schnell ein paar Schritte zurück. Ich hatte gehörigen Schiss vor den Viechern, aber sie verhielten sich wie eine Lammherde und liefen nicht einmal im Kreis herum, sondern standen stumm da und glotzten Spitames an.
„Warum bellen sie nicht?“
„Sind stumm. Sie wurden stumm gemacht.“
„Warum?“
„Die Molosser sind Barbaren. Damit sie den Feind nicht zur Unzeit aufschrecken, haben sie den Hunden ….“
„Seid ihr Makedonen etwa keine Barbaren?“ warf Phokis unwillig ein.
„Hauptsache, die wissen, wer der Feind ist“, antwortete ich besorgt.
„Komm her. Fahr ihnen mit der Hand über die Schnauze!“ forderte mich Spitames auf.
Mir war nicht wohl dabei. Phokis machte auch ein Gesicht, als sollte ich nun das Frühstück der Hunde abgeben. Ich nahm all meinen Mut zusammen und fuhr dem erstbesten Hund über die Schnauze und die Bestie sah mich an, als sei sie am überlegen, ob ich mich zum Frühstück eignete oder nicht. Aber nach einem Glubschblick auf Spitames ließ er es sich gefallen und die anderen waren genau so geduldig. Spitames redete die ganze Zeit auf die Viecher ein, wenn man sein Grunzen und Knurren als Rede bezeichnen will. Wir gingen zu den Pferden, die er mitgebracht hatte und ich befürchtete schon, dass jetzt ein Riesentheater anfangen würde. Aber es passierte nichts. Die Hunde blieben weiter lammfromm und ich begann mir schon Gedanken zu machen, ob sie tatsächlich so gefährlich waren wie sie aussahen.
Wir schwangen uns auf die Pferde und die Hunde liefen uns voraus. Phokis sollte hier auf dem Berg bleiben und auf die Ziegen aufpassen. Er war nicht besonders unglücklich darüber.
„Seht zu, dass ich euch wiedersehe!“ sagte er mit schiefem Grinsen.
„Spitames ist ein guter Jäger. Der Beste.“
„Mag sein. Aber das hilft dir nichts, wenn der Bär sich um dich kümmert.“
„Apollon ist mit mir.“
„Dann sag ihm, dass seine Schwester Artemis dir beistehen soll.“
Ich nickte und wir ritten den Berg hinunter ins Tal.
Noch bevor wir die Wälder erreichten, fing es an zu regnen. Kein gewöhnlicher Regen, denn es goss Hunde und Katzen, wie es bei uns heißt. Man konnte zeitweilig nicht die Hand vor Augen sehen. Als wir endlich den Wald erreichten, wurde es besser, da uns das Blattwerk vor dem übelsten bewahrte, dennoch war es unangenehm. Nass bis auf die Haut waren wir schon lange. Spitames ritt mir voran. Ich hatte keine Ahnung, wohin es ging und warum er welche Richtung einschlug. Es wurde immer steiler und gegen Abend erreichten wir die Baumgrenze, ohne dass die Tiere einmal unruhig geworden waren. Mit einem Knurrlaut schwang sich Spitames vom Pferd und schlug eine Rast vor. Nach einigen vergeblichen Versuchen gelang es schließlich, ein Lagerfeuer zu machen. Spitames hatte an alles gedacht, nicht nur an Proviant für uns, der aus Brot, Oliven, Wein und einem Schinken bestand, sondern auch an die Hunde, die sich schwanzwedelnd um ihn drängten. In hohem Bogen warf er ihnen die Fleischbrocken zu und ihre langen Zähne blitzten auf und meine Befürchtung, dass sie nur halb so gefährlich waren wie sie aussahen, verschwand wie Schnee in der Sonne.
„Wie geht es weiter?“ fragte ich den Wolfstöter.
„Jetzt ruhen wir uns erst einmal aus. Morgen haben wir einen schweren Tag vor uns.“
„Und du glaubst wirklich, dass wir auf ihn stoßen werden?“
„Ja“, bestätigte Spitames und stocherte in dem Feuer herum, so dass die Funken hoch sprühten.
„Weswegen vermutest du das?“
„Vermuten? Ich habe ihn jetzt ein halbes Jahr verfolgt. Ich kenne seine Gewohnheiten. Morgen erreichen wir ein Hochtal. Dort werden wir auf seine Fährte stoßen und wir werden die Hunde frei lassen und dann wird es soweit sein!“ Für seine Verhältnisse war es eine lange Erklärung.
Am nächsten Morgen, ich hatte nicht besonders gut geschlafen und mir eine tüchtige Erkältung eingehandelt, ging es weiter. Dem Apollon sei Dank, hatte es aufgehört zu regnen. Anfangs ging es noch ein wenig den Gebirgszug hoch, bis dann die Felsen nackt und weiß vor uns lagen. Endlich ritten wir hinunter in ein Tal mit einem Fluss. Der Wald reichte bis an das Ufer heran. Der Alte nickte zufrieden, als er im Wasser Fische hochspringen sah.
„Das mag er.“
Wir ritten durch das Wasser auf die andere Seite des Flusses. Es reichte uns bis zu den Schenkeln und war kalt und rein und floss schnell. Man konnte die Fische auf dem Grund sehen. Die Steine am anderen Ufer schimmerten wie Edelsteine und wir ließen die Pferde im seichten Wasser noch einmal saufen. Dann ging es weiter, immer am Fluss entlang.
Es war hoher Mittag, als Spitames absprang und zur Sonne hochsah, die uns endlich für die vorangegangenen Regentage entschädigte. Dennoch war es kalt. Wir waren in einem Hochtal. Der kalte Wind war unangenehm. Spitames ging in die Knie, und nun sah ich es auch. Der Abdruck der Bärentatzen.
„Ist er es?“
„Solche Pratzen hat nur unser Kyros.“
Er stieß die Hunde mit der Schnauze in die Spuren und diese verwandelten sich, rannten plötzlich unruhig hin und her und blickten nicht mehr glubschig, sondern kalt, gemein und mordlüstern. Sie nahmen die Spur auf und wir ritten ihnen nach. Es ging weiter am Fluss entlang bis zum Abend, ohne dass wir Kyros zu sehen bekamen. Wir begegneten einigen Hirschen und sogar einem Berglöwen, aber dies war nicht unser Wild. Wir beachteten die Tiere kaum und sie ahnten wohl, dass wir diesmal nicht hinter ihnen her waren und sahen nur kurz auf. Wir rasteten im Schatten eines Felsens. Ich war hundemüde. Unsere Molosser dagegen hätten weitergemacht, wenn wir dies zugelassen hätten. Spitames musste ihnen ein paar Fleischstücke in den Rachen werfen, damit sie Ruhe gaben. Es war kalt hier oben und ich war froh, dass ich den Wolfsmantel mitgenommen hatte. Ein Geschenk von Spitames. Ich schlief unruhig. Plötzlich hörte ich eine Lyra. Im Lichtschein des Mondes schwebte er herab. Aber statt der Lyra hatte Apollon diesmal einen silbernen Speer in der Hand.
„Sei guten Mutes. Auch Zeus ist jetzt mit dir. Du bist auf dem Weg, der zu den Sternen führt.“
Eine Botschaft, die mich erregte und doch auch Furcht auslöste. Ich, der Kröterich, sollte den Sternen nahe kommen? Ich fand, dass ich bisher von den Göttern nicht gerade bevorzugt worden war.
Читать дальше