»Nicht umsonst haben ihn alle nur Alpha genannt.« Frank nickte zustimmend, sich nur zu gut erinnernd.
»Aber, er muss doch wissen, dass wir ihn suchen, warum kommt er ausgerechnet hier her zurück?«, warf jetzt Hulk ein.
Der Tadel von Frank hatte ihn wiedermal schwer getroffen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit rieb er ihm die Sache von damals unter die Nase. Eigentlich wollte er kontern, aber es schien ihm besser, wie immer, die Sache einfach zu übergehen.
»Vielleicht hatte er genug vom Weglaufen... er kam hierher und hat auf uns gewartet. Hat damit gerechnet, dass wir irgendwann wieder auftauchen würden... also hat er gewartet... wenn man lange genug am Ufer eines Flusses sitzt, kann man eines Tages die Leichen seiner Feinde vorbei schwimmen sehen... chinesisches Sprichwort, hat er selber mal zitiert.
Vielleicht hat die Ratte das auch von uns gehofft, aber da hat er die Rechnung ohne den Wirt gemacht.«
»Aber warum hat ihn niemand erkannt?«, meinte Ghost ungläubig.
»Was weiß ich... wir wissen ja nicht, wie lange er schon hier ist, aber du hast recht, irgend jemand hätte ihn mal erkennen müssen... es sei denn, er hat sein Äußeres verändert... vielleicht sogar chirurgisch machen lassen.«
»Kein Problem, ich hole einfach nach, was ich damals versäumt habe«, warf Hulk ein.
»Schon gut, Hulk«, lächelte Frank versöhnlich, »ich hab 's nicht so gemeint... aber nimm' mal an, es wäre so und er hat sich tatsächlich irgendwie verändern lassen, vielleicht in Amerika, dann könnten nicht mal wir ihn im Moment wiedererkennen und dann ist das mit dem Nachholen nicht drin.
Dagegen könnte er uns angehen, bevor wir wissen was Sache ist... sei 's drum, er kann vielleicht sein Aussehen ändern, aber nicht seinen Charakter. Wie ich ihn kenne, hat er sicherlich ein paar Leute um sich geschart... irgend welche Helfershelfer, Zuträger... Arschkriecher... und so werden wir ihn finden.«
»Wo fangen wir an?«, wollte Ghost wissen.
»Ganz einfach, wir werden die Kleine fragen, wo er sich aufhält, was sonst?«, lächelte Frank, während er den zweiten Stummel in den Staub trat.
»Sie kennt ihn... muss ihn kennen und vermutlich auch seine neue Gang. Er hat hier auf uns gewartet, will uns fertig machen... aber das werden wir ihm versalzen... Jürgen Fürst , diesmal erwischen wir dich!« Bei diesen Worten hatte Franks Gesicht einen fast diabolischen Ausdruck angenommen. »Und wenn sie ’s Maul nicht aufmacht?«, wollte Hulk seltsam nervös wissen. »Nun, dann werden wir wohl gezwungen sein etwas intensiver nach zu fragen«, lächelte Frank ironisch. Man hatte sich verstanden. »Also fangen wir dort an, wo wir aufgehört haben. Ich war das ganze eh' schon leid; immer so brav und geleckt zu sein«, kicherte Hulk, während Frank und Ghost ihn von oben bis unten ansahen. »Wie geleckt... so wie du aussiehst?«, meinte Ghost ungläubig. »Na, du weißt schon«, gab Hulk flapsig zurück. »Wo und wann sollen wir die kleine Schlampe denn... befragen?«, wollte Ghost wissen. »Nun, ich würde sagen so schnell als möglich«, gab Frank zurück »Ich hab' das Mädchen beobachtet. Die Kleine ist auf dem Stuhl hin und her gerutscht wie auf glühenden Kohlen. Wenn mich mein Instinkt nicht trügt, und das tut er selten, dann müsste sie innerhalb der nächsten Minuten auf den Topf. Es sei denn es hätte andere Gründe... aber wenn ich mich recht an den besoffenen Typen neben ihr erinnere, kann er wohl dieser Grund kaum sein... nein, ich denke wir versuchen einfach unser Glück!« »Aber, wie kommen wir ungesehen wieder rein«, zischte Hulk. »Und vor allem raus?«, murmelte Ghost. Frank lächelte: »Hast du ’s etwa vergessen?« Er ging ein Stück weiter hinter das große Gebäude und blieb am Absatz einer Treppe stehen, die in der Dunkelheit kaum auszumachen war. Sie führte in die Tiefe. Als seine Kumpane heran waren, stiegen sie gemeinsam im fahlen Licht von Ghost 's Feuerzeug hinunter. Schließlich blieben sie vor einer massiven Metalltüre stehen. Frank drückte langsam und fast geräuschlos die Klinke. Leise ächzend gab die Türe nach und öffnete sich in die alten Kellergewölbe des Gasthauses. »Wie damals vor zehn Jahren«, grinste Frank. »Sie sperren diese Tür immer noch nicht ab.« »Das ist aber sehr, sehr leichtsinnig. Wie einfach könnte da Jemand rein marschieren, der nicht ins Haus gehört«, grinste Hulk. »Moment noch Frank, angenommen die Kleine hat den Spruch nur irgendwo aufgeschnappt... Scheißhausparole, oder so«, flüsterte Ghost. »Nach zehn Jahren?!« »Möglich wäre es.« Frank nickte kurz und meinte dann »Finden wir 's raus.« Manuela lief die Treppen zu den Toiletten hinunter, die sich im Keller des Hauses befanden. Links um eine Biegung die der Gang machte, befanden sich die Örtlichkeiten, die sie aufzusuchen gedachte. Kurz bevor Manuela darin verschwand, bemerkte sie noch einen jungen Mann, der lässig an der Wand gegenüber lehnte und zu warten schien. Er war nicht sehr groß und hatte kurzes Haar. Sie hätte ihn wohl kaum beachtet, hätte er ihr nicht freundlich zugenickt, wobei sie auch seinen extrem blassen Teint bemerkte. »Wie ein Leintuch... mich würde interessieren, auf wenn der hier um diese Zeit noch wartet« dachte sie, während ihr Slip nach unten glitt. Als sie ein paar Augenblicke später erleichtert die Kabine wieder verließ um sich die Hände zu waschen kreisten ihre Gedanken immer noch um den Fremden dort draußen. Ein Gefühl der Beklemmung stieg in ihr hoch. Leise schlich Manuela zur Türe und öffnete sie vorsichtig einen kleinen Spalt. Mit angehaltenem Atem späte sie hinaus, aber der Kerl war nicht mehr da. Nochmal ein kontrollierender Blick, diesmal etwas mutiger die Türe ein Stück weiter öffnend... nein, sie hatte sich nicht geirrt, er war wirklich weg. Erleichtert sog sie die kühle Raumluft ein. Ein Stein fiel ihr vom Herzen. Kopfschüttelnd mit einem Lächeln im Gesicht verließ sie die Toilette. »Wie kann man nur so dumm sein«, ging ihr durch den Kopf, als sie in Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Plötzlich war das miese Gefühl wieder da. Manuela spürte instinktiv die Gefahr, wirbelte auf dem Absatz herum und wollte zurück in die Toilette, die sie gerade verlassen hatte. Fast wäre es ihr geglückt, als ihr die Türe aus der Hand gerissen wurde. Hart wie eine Stahlklammer packte sie etwas im Genickt und schleuderte sie brutal bis zum Ende des Ganges, wo sie strauchelnd hinfiel. Als Manuela sich umdrehte, sah sie den blassen Mann hinter der Türe der Toilette hervorkommen, der Selbe, der zuerst an der Wand gestanden hatte. Was sie gepackt hatte war ein zweiter, allerdings wesentlich größerer, hässlicher Typ mit übler Ausdünstung. »Oh Gott, ein Monster!«, war Manuelas erster Gedanke. Der Angreifer stand etwa drei Meter von ihr entfernt. Das diese Muskeln erarbeitet und nicht antrainiert waren, sah sie sofort. Ihr Freund hatte sich geraume Zeit mit Bodybuilding beschäftigt, daher kannte sie viele dieser Muskelmänner. Nun kam noch ein weiterer hinzu, ein Kerl mit Pferdeschwanz. Manuela hatte das Gefühl, die drei schon mal gesehen zu haben, aber sie wusste nicht wohin mit ihnen. Er schloss die Verbindungstüre zwischen diesem Teil des Ganges und den Treppen, die nach oben führten. Diese Tür war normalerweise immer geöffnet, so das Manuela deren Vorhandensein erst jetzt bemerkte. Da fiel es ihr wieder ein. Die Kerle hatten oben im Gastraum am Tisch hinter ihr gesessen. Der Mann mit Pferdeschwanz kam langsam auf sie zu, lässig an seinen schwarzen Handschuhen zupfend. Sie trugen alle Handschuhe. Seine Augen erinnerten sie an den Blick eines Hundes. Das kalte funkeln darin verriet ihr jedoch, dass man diesem seltsam treuen Blick nicht trauen konnte. Hilfesuchend blickte die junge Frau um sich. Die einzige Möglichkeit hier raus zu kommen war an den dreien vorbei. Ein Unterfangen, das ihr wohl kaum gelingen dürfte. Schreien, sie könnte schreien. Immerhin saßen ihre Kollegen noch oben. »Du kannst schreien so laut du willst, durch diese Türe hört dich keiner.« Ghost schien ihre Gedanken erraten zuhaben. »Kannst du ihm ruhig glauben, wir haben 's schon mal ausprobiert«, fügte Hulk grinsend hinzu. Manuela spürte ihr Herz bis zum Hals schlagen. Immer wieder sah sie sich um, in der Hoffnung doch noch eine Fluchtmöglichkeit zu finden... vergebens. Kalter Schweiß sammelte sich in kleinen Perlen auf ihrer Stirn und rann jetzt langsam über ihre Schläfe. Mit weit aufgerissenen Augen blickte sie auf Frank. Verzweiflung stieg in ihr auf. Langsam begann sie nach hinten an die Wand zu rutschen, um schließlich am Boden kauernd ihr Gesicht in den Händen zu vergraben. »Das ist doch alles nicht wahr!«, dröhnte es in ihrem Kopf. Vergewaltigung, sicherlich gab es das, in Schwäbisch Haar, in München, aber doch nicht in Wallenbach! Nie hätte sie gedacht, dass ihr so was mal passieren könnte. »Geht weg, last mich!«, schluchzte sie und streckte den Männer zur Abwehr zitternd ihrem offenen Handflächen entgegen, während sie zu weinen begann. Die Männer hatten sich bis jetzt kaum bewegt. Es schien fast, als würden sie sich an der Angst ihres Opfers weiden. Dann ging alles blitzschnell. Mit zwei schnellen Sätzen war Hulk über ihr und riss sie an den Armen hoch. Dabei drehte er sie mit dem Gesicht zur Wand und presste sie mit Kraft dagegen. Manuela wich schlagartig die Luft aus den Lungen. Blitzende Punkte tanzten wie ein Feuerwerk vor ihren Augen und die Umgebung begann zu verschwimmen. Sie drohte bewusstlos zu werden und irgendwo in ihrem Kopf sehnte sie sich sogar danach. Doch dann wurde der Druck wieder etwas gelockert. Die Wand vor ihren Augen wurde klarer und sie vernahm wie aus weiter Ferne eine Stimme. »Guten Abend, schöne Frau.« Manuela sah das Gesicht von Frank seitlich neben dem ihren auftauchen. Sein Atem schlug ihr ins Gesicht. Er roch nach Bier und Zigaretten. Angewidert wollte sie ihren Kopf wegdrehen, aber Hulk ließ das nicht zu. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihre rechte Wange. Sie war an der rauen Mauer des Kellers aufgerissen. Manuela spürte, wie etwas warmes langsam zuerst über ihr Kinn und dann über ihren Hals rann, ihr Blut. »Oh, jetzt hast du dir dein hübsches Gesicht zerkratzt... das solltest du nicht... nicht wenn es doch so unnötig ist... sehr, sehr unbequem was? warte, ich helfe dir.« Er gab Hulk ein Zeichen worauf dieser den Griff etwas lockerte. »Besser so, nicht wahr?!;nun, du solltest wissen, dass wir deinen kleinen Vortrag dort oben sehr genossen haben, wirklich... was uns als Freunde des vorgetragenen Wortes natürlich brennend interessiert ist, woher du dieses Kleinod verbalen Wohlgefallens aufgeschnappt haben könntest, denn verzeih', wenn ich etwas direkt bin, aber du machst mir nicht den Eindruck, als hättest du das selbst ersonnen, mein Süßes.« Franks Grinsen ließ Manuela erschauern. Allerdings hatte sie weniger als die Hälfte von Franks aufgeblasenem Vortrag verstanden. Obwohl Hulk den Griff etwas gelockert hatte, ging das Ganze langsam über ihre Kräfte. »Lange Rede kurzer Sinn... ich hätte da nur ein paar Fragen an dich und wenn du mir die richtigen Antworten gibst, dann kannst du wieder zu diesen Pennern da oben gehen und dich damit brüsten, was dir hier unten Schlimmes widerfahren ist und wie toll du die Sache gemeistert hast. Andernfalls...« Manuela machte sich wenig Hoffnung, die richtigen Antworten auf seine Fragen zu haben, egal wie sie auch lauten mochten. Trotzdem tauchte so etwas wie eine Chance am Horizont auf. »Also, bist du bereit?« Manuela quälte ein gurgelndes »Ja« hervor. »Gut... wie heißt du?« »Man... Manuela Böller« Der Griff wurde auf ein Zeichen von Frank erneut etwas gelockert. Fast hätte Manuela so etwas wie Dankbarkeit diesem Mann gegenüber verspürt, ein Gedanke, der in ihr Übelkeit verursachte. »Und, haben wir schon einen festen Freund?« Sie nickte. »Besorgt er es dir auch richtig gut?« Während sie wiederum nickte, wusste sie, in welche Richtung diese Fragen zielten. »Die Typen machen sich scharf und dann bist du fällig«, schoss es durch ihren Kopf, als die nächste Frage kam. »Und wo finden wir den alten Drecksack Alpha?« Sie stutzte. »Wie...?« »Rede ich nicht deutlich?« Frank blickte Hulk fragend an, der grinsend antwortete »Doch Frank, glasklar« »Dann hat sie vielleicht was an den Ohren, oder? Ich meine, da stellt man eine Frage, klar und verständlich und sie hört nichts« Er griff in Manuelas Haare und riss ihren Kopf brutal nach hinten. »Wo ist Alpha?«, schrie er die junge Frau an. Manuela glaubte ihr Schädel müsse explodieren. Tränen schossen ihr erneut in die Augen, die sie fest zusammengepresst hatte. »Bitte nicht... bitte...« stammelte sie. Frank ließ los. »Also, wo?« Sein Ton war von einem Moment zum anderen wieder freundlich geworden. »Ich kenne keinen Alpha auch keinen Alfred und ich weiß auch nicht wo so einer ist«, antwortete Manuela in einem trotzigen Anflug mit fester Stimme. Plötzlich erhielt sie einen heftigen Schlag von hinten in die Nierengegend. Sie wäre zusammengebrochen, hätte Hulk es nicht verhindert. Rote Sterne zerplatzten vor ihren Augen, als sie wie ein Fisch nach Luft schnappte. »Tja, das war leider die falsche Antwort, Manuela« Frank strich ihr mit dem Handrücken übers Gesicht. »Und du kannst dir gar nicht vorstellen, wo er sich zur Zeit aufhält?« »Ich kenne ihn nicht!«, schrie sie, so laut es eben ging. »Das ist aber schade... na ja, da kann man eben nichts machen« Frank zuckte mit den Schultern. Nun löste sich der Kleine von seiner starren Haltung an der Wand und kam etwas näher. »Na Frank, gibt ’s Probleme?« »Sie kennt ihn nicht«, gab dieser zurück. »Ist das wahr, sie kennt ihn nicht?!« Ghost klang überrascht. »Nein, sie kennt ihn nicht.« Frank lachte. »Nun, dann sollte sie wenigstens uns kennenlernen, meinst du nicht auch Frank?« »Vollkommen...«, nickte dieser. Wieder kam Frank auf Manuela zu. »Und du weißt...« »Nein, verdammt!« schrie die junge Frau mit letzter Kraft. Plötzlich spürte sie, wie sich eine Hand zwischen ihre Schenkel drängte und langsam nach oben glitt. Sie wollte schreien, aber Hulk hielt ihr den Mund zu. »Trotzdem werden wir ihm eine kleine Nachricht zu kommen lassen, falls du ihn doch mal treffen solltest.« Die Tortur, die jetzt über Manuela Böller hereinbrach kann den Polizeiakten entnommen werden. Sie trotz jeder weiteren Beschreibung. Dabei hätten diese drei Idioten nur nach Jürgen Fürst zu fragen brauchen, aber sie taten es nicht. Ob ihre Peiniger allerdings in diesem Fall von Manuela abgelassen hätten ist zu bezweifeln.
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