Wir hatten verschiedene Geräte zum Heumachen billig gekauft oder mit Arbeit bezahlt. Eines war eine Mähmaschine, ganz aus Gusseisen, die normalerweise von zwei Tieren gezogen wird. Wir hatten aber nur eines. Die mit eisernen Stollen versehenen Räder treiben hier den Mähmechanismus an, ähnlich wie der Motor den Motormäher. Doch war diese Maschine so schwer, dass wir sie kaum den Hang hinaufbekamen. Wir mussten uns mit dem Pferd anspannen. Als wir sie endlich oben hatten, legte sich das Pferd schaumbedeckt erschöpft auf den Boden und wir auch. Uns wurde klar, dass wir damit nicht unsere Wiesen mähen könnten. Wir parkten das Gerät in einem Eck, wo es dann auch stehen blieb.
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Ein anderes Gerät, auch mit zwei den Mechanismus antreibenden Rädern ausgerüstet, war ein Heuwender. Dieser war aber um vieles leichter. Der Vorbesitzer hatte ihn schon für Traktorbetrieb umgebaut gehabt. Wir schraubten zwei Metallrohre an die Stelle der morschen Deichsel und führten Calina rückwärts dazwischen. Das gefiel ihr schon besser! Quer im Rahmen war eine ‚Kurbelwelle‘ gelagert, die über Gestänge mehrere mit Federzinken ausgestattete Heugabeln antrieb. Diese wirbelten das Heu vom Boden in die Luft und wendeten es so. Die Kinder tauften dieses Gerät den ‚Frodofüßler‘, weil es ähnlich arbeitete wie unser Hund. Dieser ließ es sich nicht nehmen, hinterher zu rennen und nach dem durch die Luft sausenden Heu zu schnappen. Da das Gelände zu steil war, zog ich es vor, nicht auf den Sitz zu klettern, sondern daneben zu laufen und das Pferd zu lenken.
In einem Weiler entdeckte ich in einem Brombeergebüsch eine Schwadmaschine. Diese war wohl 2.50 Meter breit und über die ganze Breite mit halbkreisförmigen Zähnen ausgerüstet, die beim Fahren über den Boden glitten und das Heu zu dicken Würsten sammelten. Die Kinder nannten sie die ‚Heuwurstmaschine‘. War genügend Heu vor den Zähnen angesammelt, hoben sich auf Hebeldruck, bedingt durch das Drehen der Räder, die rechenartigen Zähne und ließen eine fast hüfthohe ‚Wurst‘ aus Heu auf der Wiese liegen. Die Kunst bestand darin, diese ‚Würste‘ so abzulegen, dass sie alle eine Reihe bildeten, die wir dann auf den Schlitten laden konnten. Doch oft zogen wir die Handarbeit vor, weil durch geschicktes, planvolles Rechen manche Arbeitsschritte verkürzt werden konnten.
Mit dem Motormäher nahm ich die Wiesen in Angriff. Hier oben stand das Gras so licht, dass es nicht den Messerbalken verstopfte. Und anstatt des Wendens genügte oft schon etappenweises Zusammenrechen. Aus zwei leicht gebogenen Eschenstämmen und ein paar Brettern schraubte ich einen langen Schlitten zusammen, auf dem wir das Heu zwischen zwei vorne und hinten schräg angebrachten Gattern ablegten und mit einem Seil nach unten pressten und befestigten. Wir rechten das Heu zu verschiedenen Haufen zusammen, da wir so besser laden konnten. Doch unser Fohlen schien eine Freude daran gefunden zu haben, sich in diesen Haufen zu wälzen und sie wieder zu verteilen. Es blieb uns nichts anderes übrig als es zeitweise einzusperren. Unsere Calina schien nur darauf gewartet zu haben, uns zu zeigen, wozu sie fähig ist, warf sich ins Geschirr und zog die Ladung zum Haus. Dort schafften wir das duftende Heu mit einer langen Gabel hinauf auf den Boden.
Wie oft dachten wir abends, „jetzt ist alles voll!“, und am nächsten Morgen war es soweit zusammengesackt, dass wir fast verzweifelten. Wir fühlten uns wie Sisyfos. Na ja, nicht ganz. Denn wir taten es freiwillig, und irgendwann hatte unsere Maloche ein Ende. Das letzte Heu war drinnen!
Die Tage waren lang. Nicht nur, weil es Sommer war. Es war die Arbeit, die die Tageslänge regelte. Der Hahn weckte uns. Wir aßen ein Müesli mit eigener Kuhmilch und Honig vom Roger. Dann molken wir die Kühe. Jeder von uns zweien hatte irgendwie seinen Bereich geschaffen, auch wenn er dem Anderen oft zur Hand gehen musste. Doris‘ Bereich war in erster Linie Kinder, Kochen, Haus und Garten. Ich machte mich an die ‚Hofarbeit‘: Tiere versorgen, Heu, Zäunen, Land freischneiden und zugleich Brennholz machen, das Haus renovieren, und vieles mehr wie Baustellen außerhalb, um etwas Geld zu verdienen, oder jemandem aus dem Dorf zur Hand gehen. Dadurch war ich bisweilen den halben Tag nicht da.
Abends dann wieder gemeinsames Melken. Meist standen die Kühe schon wartend am Melkplatz, zwei Bäumen, an denen wir sie anfangs anbanden. Später reichte es, ihnen ein Seil über den Hals zu legen. Wenn sie mal nicht da waren, artete das oft in ein längeres Versteckspiel aus, das aber meistens der Hund gewann. Trotz ihrer Glocken verhielten sie sich mucksmäuschenstill! Wenn möglich, rannte ich mit ihm zu den Kühen, wiederholte laut die verschiedenen Befehle, kreiste sie mit ihm ein, damit er es lernte. Aber lange rannte ich nie bergauf. Mir ging bald die Puste aus! Da war der Hund im Vorteil, allein schon wegen seiner vier Beine! Aber wenn die Kühe nicht wollten, dann lagen wir bald nebeneinander im Farn, alle viere von uns gestreckt, und unsere Atem pfiffen um die Wette. Waren die Tiere versorgt, kamen die Kinder dran. Meist aßen wir zusammen, bevor sie ins Bett gingen. Doris las ihnen Geschichten vor oder sang leise Lieder, die sich mit dem Sternenhimmel wie eine Decke aus Frieden auf unser Land legten. War sie nicht schon mit ihnen eingeschlafen, setzte sie sich nachher zu mir hinaus an die warme Hauswand, unsere Hände fanden sich, und zusammen schauten wir auf die vom glitzernden Sternenhimmel eingerahmte Bergkulisse und freuten uns über das geschaffte Tagwerk. Leise schwebt das Rauschen des Baches zu uns herauf, von fern klingt das Bellen eines Hundes, ein Reh blökt gegenüber im Wald, was den Hund aufspringen lässt. Sein Fell sträubt sich leicht unter meiner Hand und er lässt ein warnendes Knurren hören. Grillen zirpen, ihr Gesang scheint von überall zu kommen und geben uns das Gefühl, wirklich in Südfrankreich zu sein. Die Katze streicht sanft schnurrend um unsere Beine.
Manchmal laufe ich bei Vollmond auf den gegenüberliegenden Hang, setze mich an einen Baum und schaue auf unseren im Mondlicht schwebenden Hof. In diesen Momenten bin ich überglücklich, fühle mich entschädigt für die Mühen des Tages und bin bereit, noch größere auf mich zu nehmen! Glück ist oft ein Moment-Zustand. Damit es dauerhafter wird, muss man seinen Preis zahlen, und der heißt Mühe.
Zweimal die Woche kam ein LKW mit Zuchthengsten das Tal heraufgefahren und hielt bei Bedarf an. Das waren Tiere vom Armee-Gestüt in Tarbes, welches eine Zweigstelle in St. Girons hatte. Hierhin konnte man auch eine Stute in ‚Pension‘ geben. Da wurde sie täglich, während sie rossig war, einem Hengst vorgeführt. Doch war das ziemlich teuer. Wir besuchten, als wir wieder in der Stadt waren, den ‚Harras‘, das Gestüt, um die Hengste zu sehen, die zur Auswahl standen, die Preise zu erfahren und die Tage, an denen der LKW unser Tal abfuhr. Das Gebäude lag am Stadtrand. Von weitem schon roch es süßlich nach Pferd. Das Innere bestand aus einer großen, mit Sägemehl ausgestreuten Halle, deren Flügel mit etlichen hochwandigen Boxen ausgestattet waren. Auf der einen Seite ‚wohnten‘ die Hengste, wunderschöne, stolze Tiere, erregt schnaubend oder in den verschiedensten Tonlagen wiehernd. Eine Tafel an der Wand zeigte Namen, Rasse und ihre Daten an. Auf der anderen Seite waren die Pensionäre, also die zu deckenden Stuten untergebracht.
In der Halle befanden sich verschiedene, fast pferderückenhohe hölzerne Barrieren, die sehr solide aussahen, eine davon wie ein Gang angelegt. Gerade führte ein Pferdehalter seine Stute vor. Sie war ziemlich erregt. Er führte sie auf Anweisung in den Gang und hielt sie kurz. Ein Angestellter des Gestütes, in Uniform, brachte einen Hengst herbei. Dieser tänzelte erregt, schnaubte, sicher aus Vorfreude, während er sich seitlich der zwischen den Wänden stehenden Stute näherte. Er schnupperte am Hinterteil der Stute und legte seinen Kopf auf ihren Rücken. Schneller, als wir schauen konnten, hatte die Stute ihr Hinterteil erhoben und drohend wiehernd ausgekeilt! Empört zog sich der Hengst zurück. War wohl nichts. „Warte ab, bis zum nächsten Mal!“, schien er zu denken. Entweder war die Stute trächtig, oder noch nicht richtig rossig, was sich alle 21 bis 23 Tage wiederholt. Die Rosse selber, also die Periode, in der sie aufnehmen kann, dauert 5 bis 7 Tage. Es heißt, gegen Ende dieser Zeit nimmt sie besser auf.
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