Der Viehhändler, der uns die erste Kuh verkauft hatte, ließ uns durch Jean-Paul mitteilen, dass er das ideale Pferd für uns hätte. Jung, abgerichtet und zudem hochträchtig. ‚Calina‘, die Anhängliche, war ihr Name. Wir fuhren am Abend hin um sie anzuschauen. Denn ein Trage-und Zugtier brauchten wir, um nicht immer den Motormäher umbauen zu müssen! Sie war braun, von mittlerer Größe, nicht sehr breit. Doch stark genug und vor allem brav, was wichtig war wegen der Kinder. Dressiert war übertrieben. Doch machte sie diesen Mangel wett durch ihr ruhiges Wesen und ihre Gelehrsamkeit. Nie scheute sie und schien richtig bemüht, einem alles recht zu machen! Elie schenkte uns ein ‚Kummet‘, das Halsgeschirr zum Ziehen und einen ‚Zugbalken‘. Ich kaufte auf dem Viehmarkt Ketten und wir machten die ersten Transportversuche. Alles verlief bestens. Vielleicht kam mir dabei auch die Erfahrung als Kind bei den Nachbarn zugute, wo alle schweren Arbeiten noch mit dem Pferd gemacht worden waren. Bald darauf brachte sie ihr Junges zur Welt, ein Hengstfohlen, das wir Claudius nannten.
War ich mehr im Gelände und mit den Tieren beschäftigt, so war Doris mit den Kindern und im Garten zugange. Hier war etwas mehr Erde als auf dem Feld, bestimmt, weil er auch in der Vergangenheit mehr Dünger abbekommen hatte, da er unterhalb des Stalles lag. Auch hatten wir den riesigen Altholzhaufen abgefackelt, um Anbaufläche zu haben. Uns war gar nicht wohl zumute, als die Flammen plötzlich mehrere Meter hoch in den Himmel züngelten, nur wenige Meter von unserem Haus entfernt! Das trockene Holz brannte wie Zunder! Wir hatten ein paar Eimer Wasser bereit, und das Gartenschläuchle. Zum Glück war unser Angstschweiß das einzige Wasser, das wir vergossen! Hier ließ sich der Boden gut umgraben und bald aßen wir die ersten Radieschen und den ersten eigenen Salat. Außerdem sammelten wir in den Wiesen Löwenzahnblätter und Ampfer und Marcelle, die Mutter von Jean-Paul, zeigte uns den wilden Knoblauch und wilden Spargel, die vielerorts wuchsen, von dem wir die Stängel in den Salat schnitten.
Rundum erstrahlten bald an den noch kahlen, grauen Waldhängen die ersten weißen Blütenfackeln der wilden Kirschbäume. Es folgte die Schlehen- und die Pflaumenblüte und bald schimmerte hier und da ein Hauch von zartem Grün, die Birken. Als hätten die anderen Bäume nur darauf gewartet, entfalteten auch sie langsam ihre Blätter und nach einer Woche leuchteten die Talränder in allen möglichen Grünschattierungen. Die Zugvögel waren zurück und weckten uns schon beim ersten Dämmern. Wir öffneten die Fenster um ihnen zu lauschen. Ihr Gesang kam uns hier viel intensiver vor. Bald schon rief der erste Kuckuck, während das Grün immer weiter die Hänge hochstieg. Nur an einzelnen Stellen der Nordhänge lagen noch letzte Schneereste. Der Frühling war endlich da!
Das Gras hatte, wohl bedingt durch die Wärme, auch angefangen zu wachsen, und unsere Kühe und Ziegen hatten grüne Hörner, weil sie die Halme unter dem schon stattlichen Farn suchen mussten. Die lange Brache hatte dem Boden nicht gutgetan. Es schien, als sei der Boden tot. Die einzigen Regenwürmer, Zeichen der Bodenfruchtbarkeit, befanden sich in unserem Misthaufen! Sprachen die Leute im Tal davon, dass ihre Tiere schon den Drang hatten, nach oben auf die Sommerweiden zu steigen, so hatten unsere Tiere den Drang, hinunterzugehen, weil es weiter unten viel grüner war! Auch ließen Jean-Paul und seine Eltern in unbewachten Momenten immer noch ihre Tiere auf unser Land. „Bald kommen die auf die Almen. Und dann geht es ans Heumachen. Wenn ihr wollt, könnt ihr uns helfen und wir geben euch die Hälfte vom Heu für den Winter!“ Das klang jedenfalls gut. Mal sehen, wie es in Wirklichkeit aussehen würde…
Der Farn stand dort, wo ich nicht gemäht hatte, inzwischen einen Meter hoch und hinderte das spärliche Gras am Wachsen. Ich wollte den großen Hang überm Haus in Angriff nehmen. Das war eine Fläche von rund fünf Hektar, mit hier und da riesigen Brombeergebüschen darin und einzelnen Bäumchen, die sich ausgesät hatten. Der Motormäher, ein Schweizer Fabrikat, besaß eine starre Achse, also ohne Differenzial. Er hatte einen 4-Takt Motor, stank also weniger und verbrauchte weniger als zwei Liter in der Stunde. Es dauerte nicht lange und ich hatte den Dreh raus, wie man wendete. An den steilen Hängen war dieses umso einfacher, da das Talrad am meisten belastet war. Durch Niederdrücken der Handholme hob ich das Mähwerk an und wendete schnell um das Talrad, während das Bergrad durchdrehte. In diesem Augenblick war der Mäher fast schwerelos, war im Gleichgewicht, auf nur einem Rad. Doch musste ich vorsichtig vorgehen, um nicht umzuschmeißen. Und das geschah! Plötzlich lag er auf dem Rücken wie eine riesige rote Schildkröte. Ich machte sofort den Motor aus, den Benzinhahn zu. Doch lief trotzdem Benzin aus und verzischte auf dem Auspuff. Ich holte Doris und zusammen schafften wir es, ihn wieder umzudrehen. Nur die Zündkerze war abgebrochen, aber im Werkzeugkasten befand sich ein Ersatz. Darum bestellte ich bald einen Spurverbreiterungssatz einschließlich Grasabweisern beim Landmaschinen-Händler in St. Girons.
Ich hatte die Kufen des Mähbalkens, die zur Höhenregelung dienten, erhöht, um so möglichst wenig Gras zu mähen, sondern hauptsächlich den Farn. Zuerst mähte ich, wenn es ging und es nicht zu steil war, eine oder zwei Bahnen um das Wiesenstück herum. Dann war es einfacher zu wenden und die neue Bahn in Angriff zu nehmen. Die Mähbreite war 1,50 Meter. Mehr wäre nicht praktisch gewesen, in diesem unebenen Gelände! Die Brombeerboschen mähte ich seitlich mit der halben Messerbreite an. Kleinere waren dann schnell abgeschnitten und rollten manchmal als Kugel den Hang hinunter. In die größeren fuhr ich vorwärts hinein, um möglichst tief drinnen abzuschneiden, mit dem Ergebnis, dass sie sich oft am Messerbalken verhängten oder um die Räder wickelten. Dann musste mein Opinel-Taschenmesser herhalten, um das Gerät wieder fahrfähig zu machen. Auch die kleinen Bäumchen fielen dem klappernden Mähbalken zum Opfer. Natürlich brachen dabei öfters eine dreieckige Messerklingen ab. Ich hatte immer drei scharfe Messer bereit. War eines stumpf oder beschädigt, kam ein anderes rein. Das Wechseln ging eigentlich verhältnismäßig schnell: Vorne etwas aufbocken, die Klinge seitlich so verschieben, dass man die zwei mit Muttern versehenen Bolzen in Klingenmitte nach unten entfernen konnte, Grasabweiserstab mitsamt Befestigungsschuh abnehmen, Klinge seitlich rausziehen. Möglichst etwas Fett auf die Gleitflächen und das neue Messer, alles reinschieben und zusammenschrauben. Nun noch ein paar Stöße Fett mit der Presse aus dem Werkzeugkasten in den Antriebsmechanismus und weiter!
Das Erneuern der abgebrochenen Klingen machte ich in der Werkstatt, die ich in einem hölzernen Anbau eingerichtet hatte: Die Messereinheit, bestehend aus den vielen, auf eine Metallschiene genieteten Dreiecksmessern, auf den leicht geöffneten Schraubstock legen und zwar so, dass die defekte Klinge im Schlitz der leicht geöffneten Backen steckt und die Metallschiene auf den Backen aufliegt. Mit einem oder zwei trockenen Hammerschlägen auf die hintere Klingenkante zerschneidet diese die Nieten und man kann sie entfernen und auswechseln. Wegen der an verschiedenen Stellen angebrachten Gleitplättchen sind zwei verschiedene Nietenlängen erforderlich. Zum Verschlagen der Nieten die Klinge auf den zugedrehten Schraubstock legen, besser noch, man hat ein Stück alte Eisenbahnschiene vom Schrottplatz, die als Amboss dient. Auch sollte man, vor allem, wenn man einen Baumstumpf berührt hat, die Balkenfinger verbogen sind oder die Klinge schwer läuft, mit einem Hammer diese Finger wieder ausrichten oder wechseln. Dazu das Messer entfernen und mit einem Auge durch den ‚Messerkanal‘ peilen.
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