unterwirfst. Die Einbildung, mit dem Wechsel des Ortes würde es besser, hat schon
viele getäuscht. Wahr ist, dass jeder gern nach seinem eigenen Kopf lebt und lieber
denen folgt, die mit ihm einer Meinung sind. Aber wenn Gott unter uns wohnt, gehört
es sich doch wohl, dass wir bisweilen um des lieben Friedens willen von unserer
eigenen Meinung lassen.
2. Wer ist so weise, dass er alles vollkommen wissen könnte? Darum baue nicht zu
sehr auf deine Einsicht, sondern höre auch gern auf die Meinung anderer. Ist deine
Meinung gut, und du stehst um Gottes willen davon ab und folgst einem anderen, so
wirst du ungleich größeren Nutzen davon haben. Denn oft habe ich gehört, es sei weit
sicherer, auf einen Rat zu hören und ihn anzunehmen, als Rat zu erteilen. Es kann
auch der Fall vorkommen, dass die Meinung eines jeden Hand und Fuß hat. Aber gar
nicht nachgeben wollen, wenn Vernunft und Sache dies erfordern, ist das Zeichen
starrsinnigen Hochmut!
1. Das viele Reden schadet dir.
2. Es bringt dir keinen Trost.
1. Fliehe den Lärm der Menschen, sooft du kannst. Das Reden über Tagesereignisse
hemmt dich sehr, auch wenn es in guter Absicht geschieht. Denn schnell werden wir
von den Eitelkeiten der Welt angesteckt und in ihren Bann gezogen. Ich wollte, ich
hätte mehr geschwiegen und wäre nicht unter Menschen gegangen.
2. Weshalb reden und schwätzen wir so gern miteinander, da wir doch selten ohne
Verletzung des Gewissens zum Schweigen zurückkehren? Nur deshalb reden wir so
gern, weil wir in der Unterhaltung gegenseitig Trost suchen und dem vom vielen
Denken ermüdeten Herzen gern Erleichterung verschaffen. Und sehr gern
überdenken und sprechen wir aus, was wir lieben oder uns wünschen, oder wir reden
von dem Unangenehmen, das uns drückt. Aber leider! Häufig erfolglos und
vergeblich; denn diese äußere Tröstung ist der inneren, göttlichen Tröstung sehr
abträglich. So müssen wir also wachen und beten (Mt 26,41), damit die Zeit nicht
ungebraucht vergehe. Wenn es erlaubt und angezeigt ist zu reden, dann sprich, was
aufbauen kann. Üble Gewohnheit und Gleichgültigkeit gegen unseren Fortschritt
tragen viel dazu bei, dass wir unseren Mund nicht halten können. Nicht wenig aber
trägt zum geistlichen Fortschritt das religiöse Gespräch über geistliche Dinge bei,
besonders dann, wenn Menschen gleichen Herzens und gleichen Geistes sich in Gott
zusammenfinden.
Frieden erwerben und unermüdlich weiterstreben
1. Frieden gewinnt, wer sich nicht unnötig um alles kümmert.
2. Frieden gewinnt, wer sich selbst widersteht.
3. Fortschritte erzielt, wer sich tapfer, gottvertrauend, beharrlich in kleinen
Dingen einsetzt.
1. Wir könnten reich sein an Frieden, wenn wir uns nicht so viel um das kümmerten,
was andere sagen und tun und was uns nichts angeht. Wie kann der lange in Frieden
leben, der sich in fremde Hände mischt, äußere Anlässe sucht und sich wenig oder
selten innerlich sammelt? Selig die Einfältigen! Sie werden viel Frieden haben.
Warum sind manche Heilige so vollkommene und beschauliche Menschen gewesen?
Weil sie bestrebt waren, alle irdischen Begierden in sich zu überwinden; so konnten
sie mit jeder Faser ihres Herzens Gott anhangen und in Freiheit sich selbst gehören.
2. Wir aber lassen uns zu sehr von den eigenen Leidenschaften beherrschen und
durch vergängliche Dinge in Atem halten. Selten erringen wir auch nur über einen
einzigen Fehler einen vollkommenen Sieg. Täglich voranzuschreiten fühlen wir keine
Lust. Deshalb bleiben wir kalt und lau. Wären wir uns selbst vollkommen
abgestorben und innerlich ausgeglichen, dann könnten wir sogar an göttlichen Dingen
Geschmack finden und ein wenig erfahren, was es um die himmlische Beschauung
ist. Das ist das einzige und das größte Hindernis: Wir sind versklavt an die
Leidenschaften und Begierden und versuchen gar nicht, den Weg der
Vollkommenheit, den die Heiligen gingen, zu beschreiten. Bei der geringsten
Kleinigkeit lassen wir sogleich den Kopf hängen und sehen uns nach Menschentrost
um.
3. Setzten wir uns in den Kämpfen wie Helden tapfer ein, wahrhaftig, wir würden
"die Hilfe des Herrn vom Himmel her über uns kommen sehen" (2 Chr 20,17). Denn
er ist bereit, denen zu helfen, die da streiten und auf seine Gnade bauen. Er gibt uns
Gelegenheit zum Kampfe, damit wir siegen. Wenn wir den Fortschritt im religiösen
Leben nur in äußeren Übungen erblicken, wird es mit unserer Innerlichkeit bald am
Ende sein. Legen wir vielmehr die Axt an die Wurzel, um, gereinigt von den
ungeordneten Neigungen, den Frieden des Geistes zu finden. Würden wir jedes Jahr
nur einen einzigen Fehler ausrotten, wir wären bald vollkommene Menschen. Aber
oft genug erleben wir das Gegenteil und finden, dass wir am Anfang unserer Umkehr
besser und reiner waren als nach vielen Jahren der Prozess. Der Eifer und Fortschritt
müssten täglich wachsen, aber heute gilt einer schon als groß, der noch einen Funken
des ersten Eifers in sich erhalten konnte. Würden wir uns anfangs nur ein wenig
Gewalt antun, wir könnten nachher alles leicht und frohgemut schaffen. Es ist
schwer, Gewohntes zu lassen, aber noch schwerer ist es, gegen den eigenen Willen
anzugehen. Doch wenn du über Kleines und Leichtes nicht Herr wirst, wann willst du
die schwierigen Fälle meistern? Widerstehe deiner Neigung gleich im Anfang und leg
die üble Gewohnheit ab, sonst bringt sie dich nach und nach in größere
Schwierigkeiten. Würdest du doch recht bedenken, wie reich der Friede ist, der dir
zuteil wird, und wie groß die Freude, die du anderen bereitest, wenn du dich gut
führst, ich glaube, du würdest auf deinen geistlichen Fortschritt mehr Sorgfalt
verwenden.
Der Nutzen von Widrigkeiten
1. Widrigkeiten erziehen dich zur Demut.
2. Das Leid führt dich zu Gott.
1. Es ist gut für uns, dass wir bisweilen Dingen begegnen, die uns unangenehm und
zuwider sind; denn sie rufen den Menschen oft zu sich selber zurück. Er erkennt, dass
er in der Verbannung lebt und dass er seine Hoffnung nicht auf irgendetwas in der
Welt setzen soll. Es ist gut, dass wir zuweilen Widerspruch erfahren und dass schlecht und abfällig über uns gedacht wird, selbst wenn wir recht handeln und es gut meinen.
Das fördert oft die Demut und schützt uns vor eitlem Ruhm. Wenn nämlich die
Menschen in der Welt uns gering achten und uns nichts Gutes zutrauen, dann suchen
wir noch mehr den inneren Zeugen: Gott.
2. Deshalb sollte der Mensch so fest in Gott gründen, dass er nicht nötig hätte, viel um menschlichen Trost zu betteln. Wenn ein Mensch, der guten Willens ist, in
Bedrängnis oder Versuchung gerät oder von bösen Gedanken geplagt wird, dann
sieht er besser ein, dass er Gott doch recht nötig hat und dass er ohne ihn nichts Gutes vermag. Er wird traurig, klagt und betet wegen der Not, die er leidet. Dann mag er nicht länger mehr leben, sehnt den Tod herbei und möchte "aufgelöst werden und mit Christus sein" (PhilI, 23). Es geht ihm die Erkenntnis auf, dass es eine letzte
Sicherheit und einen vollen Frieden in der Welt nicht geben kann.
Anfechtungen zurückdrängen
1. Wir alle werden versucht.
2. Versuchungen und Anfechtungen sind Segen und Klippe.
3. Quellen der Versuchungen und deren Abwehr.
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