Uwe Wedemeyer - Herbstgesummse

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"Ich hätte da eine Aufgabe für dich, Benno. Einen verrückten Job, einen, der dir sicherlich viel Spaß machen könnte, einen… etwas illegalen Job."
Kurz vor seinem Ableben vereint Vincent Bartholdi fünf Menschen mit seinem außergewöhnlichen Jobangebot: Benno Tornedde, schon über sechzig, zur Zeit arbeitslos und bald Harz IV-Empfänger; Lea Aust, die Frau, mit der es die Männer nicht immer gut gemeint haben und die sich durchs Leben schlägt; Ex-Knacki Rudi, eine Frohnatur durch und durch; Chefarzt Professor Doktor Kurt Martin, der keinen rechten Sinn mehr im Leben sieht, seit er von seinem Lebensgefährten verlassen wurde und Maria von Hückenberg, die sich reich geheiratet hat, nur um dann selbst tief zu fallen. Zusammen schlagen sie sich durch, um Vincents Idee auszuführen: Sie doubeln Verstorbene und geraten dadurch in aberwitzige Situationen.

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Impressum

© / Copyright: 2017 Uwe Wedemeyer , 77746 Schutterwald

uwe.wedemeyer@gmx.de

Lektorat, Korrektorat: Sybille Martens

Umschlaggestaltung, Monja Rajnys

Auflage 1

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Herbstgesummse

oder

Tot sein ist noch lange kein Grund, nutzlos rumzuliegen

Für Brigitte, Marco, Yannik, Tim und Krümel

Kapitel 1

Benno Tornedde

Dass das Leben manchmal sonderbare Wendungen einschlug, hatte Benno schon einige Male in seinem Leben erfahren müssen. Als Junge träumte er von einer Fußballkarriere und er war tatsächlich ein vielversprechendes Talent, doch im Alter von dreizehn Jahren zerstörte eine Blutgrätsche sein rechtes Sprunggelenk. Die Verletzung heilte zwar ab, aber fortan war sein Gelenk nicht mehr zum Fußballspielen zu gebrauchen. Schweren Herzens hängte er die Fußballschuhe an den Nagel. Auch der Wunsch, beruflich Karriere zu machen, hatte sich im Laufe der Jahre verflüchtigt. Er war ein guter Schüler mit schlechten Noten, wie er zu sagen pflegte. Das Fehlen eines abgeschlossenen Studiums befähigte ihn, laut seiner Vorgesetzten, lediglich zu einer mittleren kaufmännischen Laufbahn. Der Preis, die Karriereleiter immer höher zu steigen, war ihm die Einsamkeit an der Spitze eines Unternehmens, das Ärgern über Mitarbeiter und insbesondere die fehlende Freizeit auch nicht wert gewesen. Er hätte es Zeit seines beruflichen Strebens sicherlich zum Abteilungsleiter oder einer ähnlich betitelten Position bringen können, hätte er nicht ein menschliches Manko aufgewiesen, das einige seiner Vorgesetzten sauer aufstoßen ließ. Er hatte Courage; zeigte Rückgrat und lebte nach dem Prinzip „Ein Mann - ein Wort“. Nachteile seitens seiner Arbeitgeber nahm er in Kauf. Die Konsequenzen prallten von ihm ab wie die Brandung an einem Felsen. Er setzte sich zwar für die Belange seiner jeweiligen Firma ein, blieb aber seinen Standpunkten treu; es gibt nichts für lau.

Was nichts wert ist, taugt nichts. Ungerechtigkeiten waren ihm ein Gräuel. Mitmenschen und Kollegen gegenüber, zeigte er sich kollegial und freundlich, verteidigte sie manchmal sogar gegen ihre Vorgesetzten, auch wenn seine Kollegen ihm das nicht immer vergalten. Außerdem hatte ihn manch verbale Entgleisung gegenüber Vorgesetzten auf die Abschussliste gebracht, sodass er sich von Zeit zu Zeit einen neuen Arbeitgeber hatte suchen müssen. Auf diese Art und Weise hatte er auch seinen letzten Job verloren, weil ein neuer, nach Höherem strebender Verkaufsleiter Bennos jungen Innendienst-Kollegen gefragt hatte, wie viele Kinder er denn habe.

Charlie Ohnemus, sein Kollege, zeigte ihm voller Stolz das Foto seiner drei Kinder - keines älter als zehn Jahre - zwei Mädchen und ein Junge, die fröhlich vor der Kamera posierten.

„Jetzt wird mir klar, warum Ihre Leistungen ständig zu wünschen übrig lassen“, entgegnete der Verkaufsleiter herablassend. „Wer nach Feierabend und nachts so aktiv ist, scheint nicht ausgelastet über den Tag hin.“ Er schenkte Charlie ein süffisantes Lächeln. „Was machen Sie sonst noch in Ihrer Freizeit, außer… Sie wissen schon was ich meine?“

Charlie, kompetent aber still, wurde puterrot und getraute sich nicht, etwas zu erwidern. Er war Alleinverdiener, brauchte den Job.

Zeit, dass Benno Tornedde eingriff, dessen Arbeitsplatz direkt an Charlies Schreibtisch grenzte. „Entschuldigung, dass ich mich einmische“, sagte Benno ganz ruhig und schaute von seiner Tastatur auf. „Herr Ohnemus arbeitet stets sehr gewissenhaft, zur vollen Zufriedenheit unserer Kunden. Und das ist es doch, was unsere Geschäftsleitung und unsere Kunden wollen. Ich kann mich an keine Reklamation seitens Herrn Ohnemus erinnern. - Und das Privatleben Ihrer Kollegen, Herr Plaue, geht Sie nichts an.“

Verdutzt und ein wenig verstört blickte Dieter Plaue zu ihm runter. „Sind Sie denn verheiratet“, setzte Benno nach.

„Ja“, antwortete sein Vorgesetzter. „Seit vier Jahren. Warum?“

„Und wie viele Kinder haben Sie?“

„Keine. Hat noch nicht geklappt bisher.“ Er gab ein seehundähnliches Bellen von sich. „Öff. Öff. Öff.“

„Manchmal hilft es, einfach mal die Körperöffnungen zu wechseln, vielleicht

klappt es ja dann.“

Die anderen Kollegen im Großraumbüro prusteten los. Das Gesicht des Verkaufsleiters ähnelte nun der Farbe eines Feuerlöschers.

Er hob entrüstet den rechten Zeigefinger und deutete damit auf Benno, brachte aber kein Wort hervor, da Benno die Sache abgehakt hatte und an seiner Kalkulation weiter arbeitete, als wäre nichts gewesen, seinen Vorgesetzten völlig ignorierend. Wütend stapfte der Verkaufsleiter hinaus.

Das war nun fast zwei Jahre her. Sein Arbeitgeber hatte ihn mit einigen anderen älteren Kollegen wegrationalisiert. Eine kleine Abfindung, ein paar geheuchelte Worte und raus war er.

Vor ein paar Tagen hatte er seinen einundsechzigsten Geburtstag gefeiert. Der Arbeitsmarkt blieb ihm trotz reichlicher Erfahrungen und etlichen Bewerbungen verschlossen. Er entsprach nicht mehr den erforderlichen Anforderungsprofilen. Wie ein Rentner fühlte er sich noch nicht und gern hätte er noch gearbeitet. Zu allem Übel musste er auch noch einen großen Teil seiner Arbeitslosenunterstützung seiner Ex-Frau abtreten. Das war okay für ihn. Schließlich hatte sie fast zwanzig Jahre lang sein Leben geteilt.

Aber es blieb dadurch nicht mehr sehr viel übrig. Außerdem lief das Arbeitslosengeld in vier Wochen aus und dann rutschte er in Hartz IV. Altersarmut - ich komme, dachte er zynisch. Mal schnell ein paar Wochen in den Urlaub, aufwendige Reparaturen oder kostspielige Neuanschaffungen waren einfach nicht mehr drin. Irgendeine Arbeit mit einem fairen Gehalt wollte und sollte er noch ausüben. Aber auch Jobs, die lediglich den Mindestlohn einbrachten, fand er nicht.

Benno war groß gewachsen, von kräftiger Statur. Seine Haare und sein kurzgehaltener Vollbart wiesen interessante Grautöne auf und trotz seiner zehn Kilo Übergewicht wirkte der gutaussehende Mann vital und lebensfroh.

In seinen graublauen Augen schien beständig eine lebensbejahende Freude zu blühen, die seinen Mitmenschen zeigte, dass er sich nicht von seinen Schicksalsschlägen hatte besiegen lassen.

Als er seine Jugendliebe heiratete, war er von der Beständigkeit ihrer Beziehung überzeugt gewesen. Damals träumten sie beide, dass sie alt und grau miteinander werden würden. Die Ehe hielt lediglich fünf Jahre. Josi, seine zweite Ehefrau, brachte zwei Kinder mit in die Ehe, die Benno adoptierte. Er liebte Ria und Samuel wie seine eigenen Kinder, die ihm leider verwehrt geblieben waren. Mittlerweile war auch die Ehe mit Josi geschieden. Immerhin hatte sie achtzehn Jahre lang gehalten. Mit seiner Ex verstand er sich immer noch freundschaftlich, obwohl ihr Kontakt sich aufs Telefon oder auf das Internet beschränkte. Sie wohnte mit ihrem neuen Lebensgefährten in Wien. Die Kinder sah er nur selten. Samuel studierte in England und Ria in Hamburg.

Nachdem er an diesem schönen Tag gefrühstückt, das Geschirr in den Spüler verfrachtet und seine wenigen Mails abgerufen hatte,

nahm er sich vor, seinen ehemaligen Ausbilder Vincent Bartholdi zu besuchen. Dieser Besuch sollte eine entscheidende Wendung in seinem Leben bringen, aber das wusste er zu diesem Zeitpunkt nicht. Erst gestern hatte er bei Vincent angerufen, aber lediglich seine Tochter hatte das Gespräch angenommen. „Meinem Vater geht es sehr schlecht, Herr Tornedde. Wir fürchten, es geht nicht mehr lange mit ihm“, sagte sie. „Er ist zurzeit in einer Pflegeeinrichtung in der Oststadt. Peter, mein Partner, und ich müssen ja arbeiten“, fügte sie an, sich fast dafür entschuldigend.

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