Fünftens: Eigene Familie
Ach ja, man hat ja nebenbei noch eine Familie mit 2 Kindern, d.h. es gibt auch noch ein Familienleben, einen Freundeskreis, ich will was für die Fitness tun, um diesen alltäglichen kleinen Wahnsinn durchzuhalten, man fährt in Urlaub, in der Schule kommt mal was dazwischen und und und und. Ihr kennt das ja.
Sechstens: Ferienhaus in St. Peter Ording
Wir hatten uns 2006 ein kleines Ferienhaus in St. Peter Ording gekauft. Baujahr 1975, etwas renovierungsbedürftig, konnte aber in seiner Grundstruktur so belassen und sofort als Ferienwohnung vermietet werden. Damals war die Entwicklung mit Mutter noch nicht erkennbar oder abzusehen. Die „kleinen“ Renovierungen (damals Streichen, neue Fußbodenbeläge, neue Möbel) würde ich selbst machen. Sie waren noch so weit in Ordnung, dass man die Arbeiten auf die nächsten 5 Jahre verteilen konnte. Das war machbar. Die „großen“ Arbeiten am Dach und in den Bädern, Türen würden wir auf jeden Fall machen lassen. Das Haus war damals etwas abgelegen, daher preiswert und die Raten würden sich über die Miete tragen. Soweit der Plan. Hat am Anfang auch gut geklappt. Natürlich waren die Urlaube dann nicht nur zum Strandvergnügen da. Aber es machte auch unheimlich viel Spaß zu sehen wie das Haus immer „mehr in Schuss“ kam und im Kopf machte mir die Arbeit anfangs nichts aus. Es war zwar eine körperliche Belastung, aber wir hatten keine Angst dass es nicht funktionieren würde. Und wir fuhren eigentlich immer zufrieden wieder nach Hause. Es ist auch eine Vorsorge für die Zukunft und die Zeit nach der Arbeit.
Dann kamen ein Wasserrohrbruch und eine Vollsanierung im Bad im Januar 2011 hinzu. Vermietungsausfall, zusätzliche nicht eingeplante Renovierungskosten. Die Versicherungen zahlten nur die Hälfte. Plötzlich mussten wir an unsere Reserve gehen, was nicht eingeplant war. Dann durfte auch nichts mehr schief gehen.
Diese ganzen „Baustellen“ waren damals machbar, solange nicht alles gleichzeitig aus dem Ruder lief. Es hat über mehr als 5 Jahre geklappt, auch die andern 10 Jahre davor im Geschäft seit 1997 und als wir unser Haus gebaut haben. Wir hatten auch sehr viel Spaß in dieser Zeit (sonst hätte man das ja auch nicht alles gemacht) und wir haben viele Urlaube, vor allem beim Schifahren auch richtig genießen können.
Schließlich war das alles auch Teil eines Planes für später, für die Kinder und unseren Lebensabend.
Aber dann hatte ich 2011 im Geschäft kein gutes Jahr und zusammen mit den anderen parallelen Baustellen in der Gemeinde etc. hat die Belastbarkeit immer mehr nachgelassen und ich entwickelte eine gewisse Angst davor, dass im Geschäft wegen der hohen allgemeinen parallelen Belastung privat und im Job mal etwas so richtig gegen die Wand fährt. Nicht nur so 10 oder 50 TEURO, nein, so ein richtig großes Ding. Ich versuche meine Arbeit immer gut zu machen, logisch, wie jeder von euch auch. Dabei kommt man dann immer tiefer in eine Materie und das kostet Zeit. Wenn man aber viele Projekte gleichzeitig hat, beginnt es plötzlich an mehreren Stellen zu brennen. Man rennt nur noch den Bränden hinterher, versucht zu flicken und zu retten und dem Termindruck Stand zu halten und irgendwann klappt das nicht mehr, die Welle schwappt über dir zusammen. Das kennt ihr vielleicht auch. Wie bereits gesagt, die Situation war bekannt und unser Chef versuchte sie zu ändern. Zum damaligen Zeitpunkt leider ohne Erfolg.
Einen wichtigen Faktor darf man in der Entwicklung nicht außer Acht lassen. Es hört sich zwar blöd an, aber wir werden halt doch Älter. Ich merke zwar immer noch, dass man mit seiner jahrelangen Berufserfahrung sehr viel wettmachen kann und vor allem auch Fehler von Neuanfängern vermeiden kann, die viel Geld kosten können. Oft die gleichen, die man früher selbst gemacht hätte, daher ja die Erfahrung. Aber es ist auch so, dass man bis zu einem gewissen Alter, das unterschiedlich sein kann, eine Mehrfachbelastung einfach besser verkraftet. Man hat auch seine Arbeit, seine Familie und soziales Umfeld und Engagement so eingerichtet und aufgebaut, dass es machbar ist. Wenn dann Jahre vergehen wird es immer anstrengender das alles parallel aufrecht zu erhalten. Man will auch erst mal auf nichts verzichten, es macht ja auch noch Spaß, aber es kostet immer mehr Energie. Ich habe den Zeitpunkt verpasst manches Engagement rechtzeitig zu beenden, weil es zu viel wurde. Ich habe gedacht: Ja, jetzt noch die 3 Jahre, du hast es ja schon 14 Jahre lang gemacht, z.B. das Ältestenamt, jetzt lässt du die anderen nicht hängen, gerade jetzt wo es um den Kirchenumbau geht.
Problematisch wird es dann wenn du in deinen Gedanken nicht mehr von den Problemen los kommst. Wenn du das Gefühl hast, dass du immer mehr Druck verspürst und keine Lösung mehr siehst, wenn du nachts nicht mehr schlafen kannst, dir Notizen machst oder E-Mails schreibst und schweißgebadet aufwachst, wenn du mehr Cola oder Kaffee trinkst um dich wach zu halten. Das sind Alarmzeichen. Die Menge der Belastungen die jeder verkraftet ist dabei unterschiedlich. Wo der eine schon seine Grenzen sieht kann ein anderer vielleicht noch drüber schmunzeln. Aber Vorsicht, ein „Burnout“ kann jeden treffen. Ich hatte bei meinen Arbeitgebern schon 8 Vorgesetzte, ich habe schon stahlharte Typen umkippen sehen. Noch was vorab: Eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland ist der Suizid, also Selbstmord (Wikipedia), na, auch so überrascht wie ich? Und in Berichten der Tageszeitungen und Magazine liest man, dass bis zu 30% der Arbeitnehmer mit Überlastungsproblemen und / oder Burnout Symptomen kämpfen. Das kommt nicht von ungefähr. Das ist keine Panikmache. Ich sage nur aus eigener Erfahrung: Aufpassen und hinschauen wann es anfängt und dann nicht einfach blind weitermachen, weil man selbst ja der Stärkste ist, sondern überlegen wie man zurückfahren kann. Man will ja deswegen nicht gleich alles hinschmeißen (ist auch eine Lösung), aber was zu viel ist, ist zu viel, und ein gutes und verantwortungsvolles Umfeld versteht das auch. Dabei reagiert jeder anders und die individuellen Belastungsgrenzen sind sehr unterschiedlich.
Letztendlich lag es nicht an einer der Baustellen allein, aber an der Summe der Belastungen. Schuld haben am Ende auch nicht die anderen, sondern man selbst. Natürlich gibt es individuelle Rahmenbedingungen und ich weiß von meiner Kindheit, wie es ist, wenn die Eltern jeden Cent (damals Pfennig) umdrehen müssen, weil am Ende vom Geld immer noch so viel Monat übrig ist. Aber nichts ist so wichtig wie die eigene Gesundheit. Bei manchen Dingen, die du als selbstverständlich voraussetzt oder annimmst merkst du erst wie wichtig und wertvoll sie sind, wenn du sie nicht mehr hast. Das kann von heute auf morgen passieren.
Mein damaliger Laufpartner hatte mir auch von einer Situation in einer Nachbarabteilung in seiner Firma erzählt. Einer der Kollegen dort hatte einen Herzinfarkt. Tot. Einfach so. Keine zweite Chance. Einfach nicht mehr da. Frau und 2 Kinder bleiben alleine zurück. Er war auch immer locker drauf und immer mit der Ruhe. Alle waren wie erstarrt. Große Trauerfeier mit Ehrung und allem Drum und Dran. Nur hat er eben nichts mehr davon und seine Familie auch nicht. Ich weiß genau wie gut es mir geht, ich darf noch hier sein und diese Buch schreiben. Und ich hoffe ihr macht was für euch draus.
Ja, ich bin etwas vom Thema mit den vielen Baustellen abgekommen. Dann fehlte nur ein für mich schwerwiegender Auslöser und die Talfahrt konnte beginnen.
Meine damalige Situation kann man schematisch wie im Bild auf der nächsten Seite darstellen. Alles zieht gleichzeitig an dir und du denkst du kommst da nicht raus aus deiner Verantwortung. Das mit dem „NEIN“ sagen hat damals noch nicht geklappt.
Vielleicht findet ihr euch zumindest in manchen Teilen wieder.
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