Bernd Radtke
Träume aus dem Regenwald
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Inhaltsverzeichnis
Titel Bernd Radtke Träume aus dem Regenwald Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog Prolog Der Tag hatte bereits grau in grau begonnen und nun regnete es in Strömen. Es war zwar erst später Nachmittag, doch bereits stockdunkel. Dicke Regentropfen trommelten gegen die Scheibe des Dachfensters, unter dem Jaíra fröstelnd saß und einen Brief an ihre Schwester zu schreiben versuchte. »Querida irmã«, - »Liebe Schwester«, mehr stand nicht auf dem weißen Blatt. Obwohl sie bereits mehr als eine halbe Stunde überlegte, wollten ihr nicht die richtigen Worte einfallen, um den Brief zu beginnen. Nur hin und wieder fiel eine Träne auf das Papier und bildete dort einen feuchten Fleck. Warum musste alles so schwer sein? Wie hatte sie sich gefreut, endlich einen Kindheitstraum zu verwirklichen und nach Deutschland zu kommen? Ihr schöner Traum war nun zu einem Albtraum geworden. Seufzend stand Jaíra auf und stellte einen Topf mit Wasser auf die Herdplatte, um sich einen Kaffee zu kochen. Als das Wasser mit dem Pulver aufkochte, weckte der aufsteigende Duft ihre Lebensgeister. Das Aroma des heißen, süßen Kaffees war vermischt mit etwas anderem, das Jaíra nur zu vertraut war: der Geruch des Waldes und des Wassers. Sie setzte sich in den kleinen Sessel und ihre Gedanken schweiften zurück an den Fluss.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Impressum neobooks
Der Tag hatte bereits grau in grau begonnen und nun regnete es in Strömen. Es war zwar erst später Nachmittag, doch bereits stockdunkel. Dicke Regentropfen trommelten gegen die Scheibe des Dachfensters, unter dem Jaíra fröstelnd saß und einen Brief an ihre Schwester zu schreiben versuchte.
»Querida irmã«, - »Liebe Schwester«, mehr stand nicht auf dem weißen Blatt. Obwohl sie bereits mehr als eine halbe Stunde überlegte, wollten ihr nicht die richtigen Worte einfallen, um den Brief zu beginnen. Nur hin und wieder fiel eine Träne auf das Papier und bildete dort einen feuchten Fleck. Warum musste alles so schwer sein? Wie hatte sie sich gefreut, endlich einen Kindheitstraum zu verwirklichen und nach Deutschland zu kommen? Ihr schöner Traum war nun zu einem Albtraum geworden.
Seufzend stand Jaíra auf und stellte einen Topf mit Wasser auf die Herdplatte, um sich einen Kaffee zu kochen. Als das Wasser mit dem Pulver aufkochte, weckte der aufsteigende Duft ihre Lebensgeister. Das Aroma des heißen, süßen Kaffees war vermischt mit etwas anderem, das Jaíra nur zu vertraut war: der Geruch des Waldes und des Wassers. Sie setzte sich in den kleinen Sessel und ihre Gedanken schweiften zurück an den Fluss.
Eduardo steuerte das Kanu an die Baumkrone eines Urwaldriesen, der zu dieser Jahreszeit bis zu den unteren Ästen im Wasser stand. Dort warfen sie ihre Schnüre aus und bald lagen die ersten Piranhas und Salmler in ihrem Boot.
»Das reicht für heute.«
Erst jetzt, da der Fang das Abendessen sichern würde, fing ihr Vater an zu reden und Jaíra spürte, dass er noch etwas auf dem Herzen hatte.
»Letzte Woche ist ein Lehrer in der Missionsstation angekommen.«
Jaíra interessierte das wenig. Hauptsache, sie konnte mit ihrem Vater auf dem Fluss und im Wald sein.
»Er will, dass alle in die Schule gehen.«
»Ich will nicht, ich will lieber mit dir zusammen sein.« Sie schmollte.
»Du gehst zur Schule und damit basta!«, beendete ihr Vater das Gespräch.
Jaíra konnte das nicht verstehen. Warum sollte sie den Tag in einer Schule verbringen? Ihr Vater hatte ihr alles beigebracht, was man zum Leben im Wald und am Fluss brauchte. Er war ein guter Lehrer und schließlich konnten die Fische auch nicht lesen.
Noch immer schmollend steckte sie der Vater am nächsten Tag mit ihren beiden älteren Geschwistern Raimundo und Juçara in das Kanu und sie fuhren den Fluss hinunter zu der kleinen Ansiedlung, in der die Schule errichtet worden war. Vor dem hellblau getünchten Gebäude warteten etwa dreißig Kinder aus dem Dorf und der Umgebung, die Jaíra alle kannte.
Jaíras Vater führte sie mit ihren Geschwistern in das Gebäude, in dem einige Männer und Frauen vor einer großen Tafel standen und redeten. Sie sah einen großen Mann. Staunend starrte sie auf die helle Haut und die blonden Haare. So etwas hatte sie noch nie gesehen.
»Oi, Eduardo«, begrüßte der große Fremde Jaíras Vater und die beiden klopften sich auf die Schultern.
»Guten Tag, Kinder«, sagte der große Mann zu ihnen. »Wir haben etwas zu besprechen, wartet bitte vor der Schule, bis ich euch hereinrufe.«
Jaíra und ihre Geschwister wurden hinausgeschickt. Aufgeregt redeten sie über den seltsamen Mann.
»Der kommt bestimmt aus São Paulo«, vermutete Ronaldo, ein pickliger Junge, der mit seiner Familie am anderen Ufer des Flusses wohnte.
Ibiri war, anders als Jaíra, von der Schule begeistert.
»Meine Mutter ist ganz stolz auf mich, dass ich lesen lerne. Sie freut sich schon darauf, dass ich ihr dann immer aus der Bibel vorlesen kann«, sagte sie gleich.
Wie Ibiri waren die meisten Kinder froh, eine Schule zu besuchen. Es war etwas Besonderes, nur nicht für Jaíra.
Nach einiger Zeit wurden sie in den Saal gerufen und der Fremde trat nach vorne an die Tafel.
»Hallo Kinder. Zuerst möchte ich mich vorstellen. Ich heiße Hans Ferber und komme aus Deutschland.«
Neugierig geworden sah Jaíra zu, wie der Mann eine große Tafel herunterzog, auf der bunte Flecken inmitten einer blauen Farbe waren.
»Das hier ist Brasilien.« Er zeigte auf einen der Flecke. »Und das ist der Amazonas, hier der Rio Negro. Wir sind ungefähr hier.«
Staunend verfolgte Jaíra die Geschichten, die ihnen der Mann dort vor der großen Tafel erzählte. Zum ersten Mal in ihrem Leben sah sie eine Landkarte, sah, dass die Welt nach der letzten Biegung des Flusses nicht zu Ende war, sondern erfuhr, dass ihr Fluss viele, viele Kilometer weiter in ein großes Meer floss, das Atlantik genannt wurde. Noch nie hatte sie von Europa oder Deutschland gehört. Jetzt sah sie dies alles. So hatte sie sich die Schule nicht vorgestellt. Ab sofort wollte sie gerne in die Schule gehen, um noch mehr neue und interessante Dinge zu erfahren. Das war unglaublich, was der Lehrer berichtete, und sie war traurig, als der Unterricht zu Ende war.
Jaíra interessierte sich für alles. Ungeniert blieb sie oft nach dem Unterricht bei Hans Ferber oder besuchte ihn nachmittags, um ihren Wissensdurst zu stillen. Hans Ferber schloss das Mädchen, das immer alles wissen wollte und keine Ruhe gab, in sein Herz.
»Danke für den Pacu.« Hans bestaunte den großen Fisch, den Jaíra ihm mitgebracht hatte.
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