„Hey Lady, hier ist Rauchverbot, oder sind Sie zu blond für dieses Schild!“, knallte ich ihr gereizt an die Birne. Zusätzlich zeigte ich auf das Rauchverbotsschild und dachte noch, warum ich blöde Kuh nicht einfach die Klappe hätte halten können. Meine Wortwahl und mein Ton trafen es zwar auf den Punkt, waren aber absolut nicht mit den erwünschten Umgangsformen des Grand Hotel Paradiso in Einklang zu bringen, und natürlich bekam mein Vorgesetzter jedes gesagte Wort von mir mit. Es war so frustrierend. Verärgert schaute er mich an.
Bevor sie mir etwas entgegenschleudern konnte, versuchte er, meinen verbalen Ausrutscher wieder gutzumachen.
„ Signora McGowan, es tut mir sehr leid. Ich möchte mich aufrichtig für das Verhalten meiner KOLLEGIN entschuldigen, aber wenn Sie rauchen möchten, dann müssen Sie das auf der Terrasse tun.“
Für seine K-O-L-L-E-G-I-N!?
Pah!
„Wie schade“, meinte sie pikiert und ließ die Zigarette in ihr Martiniglas fallen.
Ha, eins zu null für mich – Oma!
„Sie soll uns nochmal dasselbe bringen.“ Ich war ihr nicht mal einen Konter wert? Dann fing sie richtig mit ihm zu flirten an, streichelte seine Hand und lächelte ihn so übertrieben verführerisch an, dass es mich richtig schauderte. Leider ließ das Botox nur eine minimale Mimik zu. Wie blöd aber auch! Kurz vorm Explodieren stellte ich dem jungen Glück zwei Gläser, randvoll gefüllt mit purem Alkohol, auf den Tresen. Skeptisch blickte er mich nach dem ersten Schluck an und ich grinste gekünstelt zurück.
„Na Süßer, wie lange hast du noch Dienst?“
„In einer Stunde ist Dienstwechsel.“
„Na, wie wär‘s? Meine Zimmernummer ist 438“, flüsterte sie ihm ins Ohr. Augenzwinkernd ließ sie ein paar Geldscheine in die Brusttasche seines Poloshirts gleiten. Um sich davon zu überzeugen, dass ich ja alles haargenau mitbekam, schielte sie provokant zu mir herüber. Ich fasste es nicht! Jetzt nervte sie mich wirklich! Peinlich berührt rieb Tom sich den Nacken. Ehe er überhaupt etwas sagen konnte, brodelte es dafür aus mir heraus.
„Ist das nicht ihr Ehemann, der da draußen im Pool herumplanscht? … Er würde sich bestimmt sehr dafür interessieren, was SEINE FRAU hier so treibt!“ Tom starrte mich mit offenem Mund an.
„Schätzchen, meine Ehe geht Sie genau gar nichts an! Außerdem planscht mein Ehemann bestimmt nicht alleine da draußen herum.“ Sie lachte laut auf, als wäre das witzig.
„Glauben Sie ernsthaft“, fuhr ich sie weiter an, „er hätte nur einen Funken Interesse an einer alten Schachtel wie Ihnen?“ Keine Ahnung, ihre eingeschränkte Mimik ließ mich nicht allzu viel erkennen, aber sie sah irgendwie getroffen aus.
„So, und jetzt macht la signorina Becker eine PAUSE!“ Tom zog mit einer ruckartigen Bewegung die Geldrolle aus dem Shirt, knallte sie auf den Tresen, packte mich am Ellbogen und schleifte mich von ihr weg.
„ La signorina Becker will jetzt aber KEINE PAUSE machen!“
„Oh doch, will sie schon!“, presste er hervor.
„Oh nein, will sie NICHT!“, konterte ich.
„Mia! … Es reicht!! Wir müssen REDEN ! Und zwar SOFORT!!“ Mit welchem Recht wollte er mir den Mund verbieten? Ich hatte noch so einiges, was ich loswerden wollte, also motzte ich ungebremst weiter: „Sie sind verheiratet! Sie haben sich ein Versprechen gegeben, wie kann man …“ Zu mehr kam ich nicht mehr, denn mein Vorgesetzter hielt fest die Hand vor meinen Mund und zerrte mich in die Küche. Mit dem Fuß machte er die Tür hinter sich zu, stellte mich ab und nahm vorsichtig seine Hand weg, aber sein Blick blieb böse auf mich gerichtet, und dann legte ich erneut los. Wild fuchtelte ich mit meinen Armen herum. Ich war so richtig in Fahrt und hatte keine Ahnung, wie ich wieder runterkommen sollte.
„Bist du jetzt auch noch ein Gigolo, der sich für Sex bezahlen lässt? Kommst du dir gar nicht schäbig dabei vor? Was ist mit deiner Selbstachtung passiert, mit deinem Stolz?! Die Schnepfe könnte deine Mutter sein, vielleicht sogar deine Oma!“ Schnaubend und mit verschränkten Armen machte ich mich auf den Anschiss meines Lebens gefasst.
Ich war bereit!
Seufzend musterte er mich eindringlich. Auf einmal wirkte er ausgesprochen ruhig. Ich wartete ab. Natürlich war mir klar, dass ich zu weit gegangen war. Mir waren wohl ein paar Sicherungen durchgebrannt, aber irgendwie hatte ich nicht anders gekonnt. Seine Gesichtszüge veränderten sich, er lächelte mir sanft zu.
Wo blieb meine Standpauke?
Ich verstand die Welt nicht mehr.
„Mia, du hast den Bogen echt überspannt, das weißt du selbst. Du kannst mit unseren Gästen nicht so reden.“
„Aber …“, ich blickte ihn flehend an, bat insgeheim um Verständnis. Wofür wusste ich selbst gerade nicht.
„Nichts aber“, ich drehte meinen Kopf zur Seite, „das bringt uns nur eine Menge Ärger ein. Solche Sachen regeln wir diplomatisch.“
„Du musst doch mehr von deinem Leben erwarten, als hinter einer Bar zu arbeiten, um Witwentröster zu spielen?“
„ Mehr? … Vielleicht will ich mehr, aber ich habe keine Ahnung, ob ich für mehr bereit bin. Warum Gefühle investieren, wenn es sich sowieso nicht lohnt.“ Ähm … also … so hatte ich das jetzt nicht gemeint. „Eigentlich müsstest du doch schon längst wieder in München sein, verheiratet mit diesem Glückspilz – oder nicht? Ich denke du bist genauso wenig bereit für mehr, wie ich es bin.“
Okay, irgendwann, irgendwo, irgendwie hatte ich wohl den Anschluss verpasst.
Auf einmal standen wir viel zu nah beieinander. Viel zu nah. Ich war überhaupt nicht in der Lage, ihm zu antworten. Hilfesuchend wandte ich mich von ihm ab. Sachte legte er seinen Zeigefinger an mein Kinn und drehte meinen Kopf wieder zu sich. Ohne den Blick auch nur eine Sekunde von mir abzuwenden, schaute er mir so tief in die Augen, dass ich nicht mehr wusste, ob ich überhaupt noch stand; und ja, der Durchfall war auch wieder im Anmarsch. Ich spürte es ganz deutlich. So ein Mist aber auch!
„Du brauchst gar nicht so eifersüchtig zu gucken, bella . Denn eigentlich bist du gerade dabei, dir mein Herz zu klauen.“
Mit Tränen in den Augen löste ich mich von ihm und schubste ihn zur Seite.
„Du Scheißkerl! Glaubst du wirklich, ich falle auf diesen Bullshit rein, nur weil ich dir eine heiße Nacht von vielen versaut habe! Diese Tour zieht bei mir NICHT!“ Dann stürmte ich heulend aus der Bar, dicht gefolgt von ihm. Wie konnte er mir ständig solche Sachen sagen, wenn er sie nicht so meinte.
„Mia, so warte doch …“, rief er mir hinterher. Die Gäste blickten uns konsterniert an, als wir so an ihnen vorbeisausten, aber das war uns gerade mal scheißegal. Privates von Beruflichem zu trennen, das war dann doch nicht ganz so unser Ding.
Ohne mich auch nur einmal umzudrehen, wartete ich auf den Fahrstuhl. Die Tür öffnete sich, und ich drückte wie eine Irre auf sämtlichen Tasten herum und sah nur mehr Toms geschockten Gesichtsausdruck, als sich die Fahrstuhltür langsam schloss.
Schluchzend kauerte ich mich in eine Ecke, riss mir die Schürze vom Leib, schmiss sie wütend an die Wand und bitzelte vor mich hin. Warum musste alles so kompliziert sein?!
„SCHEISSE! – SCHEISSE! – SCHEISSE!“, schrie ich und boxte mit geballten Fäusten in den Boden. Der Fahrstuhl blieb stehen. Ich merkte es nicht gleich, aber als ich zur Tür hinguckte, öffnete sie sich noch immer nicht. Panik machte sich in mir breit. Auf der Schaltfläche leuchteten ein paar Knöpfe orange. Über der Tür flimmerten die Zahlen eins und zwei in kräftigem Rot.
Das konnte nicht sein.
Ich hing tatsächlich in einem Fahrstuhl fest. Schlagartig hatte ich den Eindruck, dass die Luft um mich herum immer dünner wurde. Ich saß noch keine Minute fest, aber diese beklemmende Enge war jetzt schon nicht mehr auszuhalten. Panik stieg in mir hoch. Mit zitternden Händen raffte ich mich auf und drückte heftig auf den Knopf mit dem Glockensymbol drauf. Der Raum kam mir noch viel mickriger als sonst vor. Beklemmende Gefühle ließen mich erneut zusammensacken.
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