„Nein, ich hatte gehofft, du würdest die andere nehmen.“
„Und was ist jetzt in der rechten Hand?“, zappelte ich vor mich hin. Seit den frühen Morgenstunden saß ich schon frisch geduscht und fertig angezogen in meinem Bett. Ich hatte es kaum erwarten können, bis er endlich zur Tür reinkam und mich abholte. Die ganze Nacht hatte ich nicht viel geschlafen, hörte nur die Musik von seinem Player und sah die ganze Zeit sein Gesicht vor mir.
„Mach die Augen zu!“, befahl er mir mit einem süßen Blick.
„Musst du es so spannend machen?“
Dann legte er mir etwas in die Hände, das sich kalt und nach Metall anfühlte, mir aber gleichzeitig sehr vertraut war. Freudig riss ich meine Augen auf.
„Mein Autoschlüssel?“
„Peppe hat mir gestern eine SMS geschickt und mir mitgeteilt, dass dein Auto fertig sei. Ich dachte, ich fahre dieses Mal lieber alleine hin … naja, du weißt schon warum, und überrasche dich einfach.“ Die Freude kam über mich und ich umarmte ihn herzlich und murmelte ein ‚Danke‘ nach dem anderen. Jetzt war er der Überraschte.
Mit einem betrübten Gesichtsausdruck löste er sich von mir und meinte dann: „Tja, jetzt sitzt du in diesem beschissenen Land nicht mehr fest!“
Bestürzt schaute ich ihn an, mein Satz tat mir unendlich leid. Beschämt senkte ich meinen Blick.
„Tut mir leid, ich hab das nicht so gemeint … eigentlich habe ich es gar nicht so eilig, … nach Hause zu kommen …“, stammelte ich verlegen, und unsere Blicke trafen sich für einen sehr langen Moment. Mein Satz schwebte schwer in diesem kleinen Raum herum. So gern hätte ich gewusst, was er gerade dachte oder ehrlich fühlte. Unser Schweigen war fast erdrückend, bis die Morgen-Visite zu einem Abschlussgespräch hereinplatzte.
„Buongiorno signorina! … Wie ich sehe, geht es Ihnen ganz gut heute. Ich möchte Ihnen noch die Testergebnisse von Ihrem Bauch-Ultraschall mitteilen“, erklärte mir der Arzt. Verwirrt blickte mich Tom an. Gestern dachte ich noch, so eine Gesundenuntersuchung konnte ja nicht schaden, und heute fand ich diese Idee einfach nur mehr mega blöd.
„Es ist so, wir haben nichts Auffälliges gefunden. Solche Bauchkrämpfe können auch mit Stress auftreten, haben Sie denn Stress zurzeit?“
„Naja … vielleicht ein bisschen …“
„Auf jeden Fall ist eine Schwangerschaft ausgeschlossen.“ Lächelnd wandte er sich zu Tom. „Sie werden also nicht padre.“ Tom fiel nichts Besseres als ein: „Oh“, ein. Geschockt rutschte ich in meinem Bett eine Etage nach unten und vergrub mein Gesicht in die Decke. Was wiederum der Doc missverstand.
„Naja, vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal. Immer fleißig weiterüben, dann wird das schon …“, grinste Doktor Buerto vor sich hin. Mittlerweile war auch Tom in seinem Stuhl versunken und rieb sich verlegen den Nacken.
„Ihrer Entlassung steht also nichts mehr im Weg, aber ich möchte Sie trotzdem nochmals darauf aufmerksam machen, dass Sie sehr viel Ruhe benötigen. Gibt es noch etwas, was Sie gerne wissen möchten?“
„Nein, danke … ich glaube nicht.“
„Na, dann wünsche ich Ihnen alles Gute und viel Glück für die Familienplanung!“
„Grazie dottore … Ähm, und auch für den Tipp!“, rief ihm Tom noch hinterher. Sichtlich amüsiert verschwand der Trupp wieder.
Die Tür fiel ins Schloss.
„Daran hast nur du Schuld!“ Mit hochrotem Kopf starrte ich ihn wütend an, wobei er nur lachte.
„Aber du musst zugeben, das war schon witzig …“ Böse funkelte ich ihn an. „Muss ich mir Sorgen um deine Bauchkrämpfe machen?“
„Das hast du ja gerade selbst gehört!“
„Also nicht?“
„N-E-I-N!“
„Na dann komm, lass uns endlich hier abhauen“, lächelte er mir verschmitzt zu.
Unten in der Parkgarage angelangt, stolzierte ich um meinen Mini herum. Mit Adleraugen begutachtete ich ihn genau und lächelte zufrieden. Alles war wieder dort, wohin es gehörte. Kein verdreckter Gartensessel mehr, die Kabel wieder ordnungsgemäß verstaut und die Delle war auch weg.
„Damit das klar ist, ich fahre! Dein Fahrstil ist schon im gesunden Zustand zu riskant!“
„Vertraust du mir nicht?“, fragte ich ihn grinsend.
„Sagen wir mal so, ich ziehe es vor, noch länger unter den Lebenden zu weilen.“ Eigentlich wollte ich ihn grimmig anfunkeln, doch ich schaffte es nicht und stieg brav auf der Beifahrerseite ein. Insgeheim wünschte ich mir, er würde mich mitnehmen auf eine Reise, irgendwo ins Nirgendwo.
Kapitel 3
Es gibt keine Altersgrenze bei Schnepfen
Während meiner Schonzeit passte jemand ganz besonders darauf auf, dass ich mich auch wirklich nicht übernahm. Tom nahm sein Versprechen viel zu ernst. Er ließ mich nicht mal Kleinigkeiten erledigen, fürsorglich kümmerte er sich sogar um Franzl und Sissi die Zweite. (Ja, ihr habt richtig gelesen, mein männlicher Fisch heißt noch immer so, ich glaube, ihn stört das am allerwenigsten.)
Aber nach zwei Wochen hatte ich die Nase voll von Ruhe genießen, und ich trat meinen ersten Nachmittagsdienst an. Mein Brummschädel war so halbwegs okay und nur ein paar kleine Schrammen erinnerten noch an den Unfall.
Beim Arbeiten verhielt Tom sich wie eh und je. Professionell, aber auch leicht distanziert, außer ich brauchte Hilfe. Hinter der Bar war das eben eine ganz andere Situation. Wir trennten Berufliches von Privatem. So gut wir eben konnten. Berührten wir uns aber manchmal doch so ganz rein zufällig, huschte ihm ein süßes Lächeln über seine Lippen. Innerlich erlitt ich Stromschläge en masse, worüber meine Prellungen so richtig jubelten.
Es war knapp zwei Stunden vor Dienstschluss, als sich eine aufgedonnerte Dame in mittlerem Alter zu uns an die Bar setzte. Ihr überdimensionaler Vorbau drohte die Spannung zu verlieren und überzuquellen. Echt, da hatte man wirklich Angst, einen Schlag ins Gesicht zu bekommen und dabei K. o. zu gehen. Das Gesicht war faltenfrei an den Hinterkopf getackert, und so einen Minirock hätte ich noch nicht mal mit achtzehn getragen. Die Lady wollte nur von Tom höchstpersönlich bedient werden, und ständig lud sie ihn auch noch mit ein. Sie trank Wermut mit einer Zitronenscheibe, er schenkte sich etwas Alkoholfreies ein, ohne dass sie es checkte. Kaum stellte er neue Gläser auf den Tresen, krallte sich diese Hexe seine Hand, hielt ihn hartnäckig fest und ergriff jede Gelegenheit ihn anzumachen.
Tja, während meiner Abwesenheit hatte sich nicht sonderlich viel verändert. Ein paar Mal zu oft schenkte sie ihm einen verführerischen Blick inklusive billigem Wimpernaufschlag, um gleich darauf mit geübtem Schwung ihre langen, wasserstoffblonden Extensions nach hinten zu werfen und ihren Oberkörper straff aufzurichten. Boa hey, ich hätte auf der Stelle loskotzen können – aber so richtig. Diese gebotoxte Tussi hatte es sowas von nötig! Eine Schande für das Frauendasein.
Es war ja kein Geheimnis, dass Italiener auf Blondinen abfuhren, und Tom schien auch bei ihr festzukleben. Sie lachte viel zu laut über seine Witze, was mich richtig in Rage brachte, denn ich fand, er war heute überhaupt nicht witzig.
Nein – ich war total cool.
Die Ruhe in Person – zumindest noch.
Missmutig räumte ich schmutzige Gläser in den Korb, dabei ging auch noch eines kaputt. Mit einer guten Portion Skepsis musterte er mich – ich ignorierte das. Sauer auf mich selber sammelte ich die Scherben auf. Tom bediente gerade an einem anderen Tisch, als ich im Augenwinkel sah, dass sich diese Oma tatsächlich eine Zigarette anzündete. Hallo?! Wir hatten hier Rauchverbot. Egal ob Frau oder Mann, aber ich konnte Leute partout nicht ausstehen, die glaubten, ihnen würde die ganze Welt gehören, und sie müssten sich deshalb auch an keine Regeln halten. Und die hier schon erst recht nicht.
Читать дальше