1 ...7 8 9 11 12 13 ...20 „Im Grunde verstehe ich euch ja, mir würde es wahrscheinlich nicht anders gehen. Aber bitte – egal, was da zwischen euch läuft oder auch nicht läuft, k-l-ä-r-t das! Und fangt an, Privates von Beruflichem zu trennen.“
Eine klare Ansage. Aber jetzt hatte ich noch so einiges in petto, das ich unbedingt loswerden wollte, doch da ging plötzlich die Tür auf und seine bessere Hälfte stapfte herein – ebenfalls stinksauer. Ihr Gesichtsausdruck verriet einfach zu viel, da musste man sie nicht mal besonders gut kennen. Nicht mal ein ‚Hallo Schatz‘ rutschte ihr über die Lippen, geschweige denn ein Kuss. Für diese Sache waren wohl wir nicht verantwortlich. Nach einem gebrummten „Morgen“, spazierte sie mit hoch erhobenem Haupt in ihr Büro. Da war der nächste Sturm im Anmarsch. Mit einem Wink deutete uns unser Big Boss an, dass wir verschwinden sollten. Erleichtert verließen wir zusammen das Büro.
„Oh Mann, da gibt es wohl Ärger im Paradies“, flüsterte ich Tom zu.
„Sieht ganz danach aus … so wütend habe ich ihn schon lange nicht mehr gesehen … Was hältst du davon, wenn wir gemeinsam zu der alten Schachtel gehen und uns entschuldigen?“
„Und ihr gemeinsam deinen Spezial-Service , was immer das auch ist, anbieten? Danke! Keine Lust.“
„Mia, Süße, ich dachte an einen extra Wellness-Gutschein und ein Verwöhnprogramm auf Kosten des Hauses. Außerdem hätte ich sie an unseren Souschef weitervermittelt, der fährt voll ab auf reifere Damen.“
„Aber sicher.“ Wir waren beim Fahrstuhl angelangt. Ich kam mir gerade ziemlich blöd vor, vor allem auch, weil Tom mich gerade vielsagend angrinste.
„Ich hasse dieses überhebliche Grinsen!“
„Tust du nicht. In Wahrheit liebst du es.“ Ich fragte mich ehrlich, was das sollte!
„Minderwertigkeitskomplex ist wohl ein Fremdwort für dich.“
„ Bella …“
Ich atmete tief durch und rubbelte an meiner Stirn. „Hör mal, du bist mir keine Rechenschaft schuldig und ich glaube, ich werde das besser alleine tun. Schließlich war ich es ja, die den Promigast verärgert hat. Ich sollte jetzt los, bis später …“ Ich eilte die Stufen nach oben. Den Fahrstuhl zu nehmen kam mir nicht mehr in den Sinn. Außerdem konnte ja ein bisschen Sport nicht schaden.
Völlig außer Puste kam ich im vierten Stock an, und erst, als ich wieder Luft hatte, klopfte ich zögernd an die Zimmertür mit der Nummer 438. Mensch, mir rutschte fast mein Herz in die Hose.
„Hallo Frau McGowan … sind Sie da? Hier ist Mia Becker.“
Ein leises Raunen war zu hören, aber es war die alte Schachtel höchstpersönlich, mit überdimensionalem Sonnenhut und ihrem unpassenden Hüftschwung, die mir die Tür öffnete. Glitzernde Edelsteine auf ihrem schwarzen Badeanzug sprangen mir ins Auge. Ihr Blick schien genauso einzufrieren wie meiner, als sie mich erkannte. An ihrem Martiniglas nippend – es war noch nicht mal Mittag, steckte sie sich ihre Sonnenbrille an den Hut.
„Was wollen Sie?“, fragte sie mich schnippisch mit einer Alkoholfahne, dass es mir übel wurde. Das fing ja schon mal toll an. Beim Treppensteigen hatte ich gedanklich die Worte geübt, die ich sagen wollte, aber jetzt, wo ich so vor ihr stand, ein bisschen verloren, war alles wie weggeblasen. Ich versuchte mich, zu sammeln und mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
„Frau McGowan, ich möchte mich für mein Verhalten gestern entschuldigen. Es war äußerst unangemessen und ich bedaure sehr, was ich zu Ihnen gesagt habe.“ Außerdem versuchte ich, so ehrlich wie möglich zu klingen. Mit einem abschätzigen Blick musterte sie mich von oben bis unten, und ich fühlte mich kleiner als klein.
„Naja …“, gab sie trocken von sich und nippte wieder an ihrem Glas. „Sie haben wirklich Mut Schätzchen, das muss man Ihnen lassen. Vor fünfundzwanzig Jahren hätte ich vermutlich auch noch so reagiert, wenn sich jemand an meinem Mann rangemacht hätte.“ Sie zuckte amüsiert zusammen und stieß einen überheblichen Lacher aus. Die Art, wie sie mit mir redete, mochte ich nicht und Schätzchen genannt zu werden, mochte ich erst recht nicht, aber ich hielt tapfer meinen Mund.
„Da haben Sie etwas falsch verstanden, er ist nicht mein …“
„Ach bitte, verschonen Sie mich doch mit Ihrer Gefühlsduselei. Sie haben sich in diesen Barkeeper verliebt“, fiel sie mir lachend ins Wort, als wär das auch noch witzig.
„Verliebt? Ich? Nein, … natürlich nicht … er ist mein Chef …“
„Ach kommen Sie Schätzchen, Sie können mir nichts vormachen. Mir nicht. Dass er Sie auch mag, war ja nicht zu übersehen. Aber eines rate ich Ihnen, solche Männer hat man niemals für sich alleine. Das können Sie mir gern glauben, denn ich habe einen solchen Mann geheiratet … hicks …“ Kichernd nahm sie noch einen Schluck Martini, und bevor sie mir die Tür vor der Nase zuknallte, zwinkerte sie mir noch zu. Eigentlich wollte ich ihr noch vom Spezial-Service unseres Hauses erzählen, aber das hatte sich wohl erübrigt. Irgendwie tat mir die alte Schachtel jetzt leid.
Es war eigenartig. Gedanklich malte ich mir gerade ihre Jugendzeit aus. Ich konnte sie mir gut als junge Frau vorstellen, die ihren Mann wie verrückt geliebt und ihm allein ihre ganze Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Bis sie eines Tages aufwachte und verbittert feststellen musste, dass diese Liebe nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Dass er sie, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, mit anderen, jüngeren Frauen betrog. Dieser Schmerz, diese Demütigung war wahrscheinlich fast nicht zu ertragen. Trotzdem hatte sie Angst, ihn zu verlieren und alleine zu sein. Und irgendwann betäubte sie den Schmerz in ihrer Brust mit Alkohol. Ich vermutete, sie wollte es ihm nur heimzahlen, indem sie mit anderen Männern schlief. Vermutlich scherte er sich nicht im Geringsten darum, was sie nur noch mehr zur Verzweiflung brachte – bis nichts mehr von der jungen Frau übrig war, die sie einmal gewesen war.
Egal – vielleicht reichte meine Tragträumerei nicht mal im Ansatz an ihre Realität heran, war sie doch eine einsame und verbitterte verheiratete Frau.
So lief es doch immer … mit solchen Männern.
Der reinste Albtraum!
Nein, so eine Zukunft wollte ich nicht für mich, da war ich mir sicher. War es möglich, sich sein Schicksal selbst auszusuchen, hier und da ein bisschen zu drehen?
Konnte man sich aussuchen, in welchen Kerl man sich verliebte?
Zwischendurch zwängten sich Gedankensplitter in meinen Kopf und ich fühlte, wie Tom mich küsste. Mein Blutdruck jagte in die Höhe. Oh nein, was dachte ich da nur wieder?
Wie konnte ich nur so dämlich sein, ihn auch noch in meinem Bett schlafen lassen – freiwillig! Man lädt doch auch nicht einen Feind zu sich nach Hause ein, wenn man Angst vor ihm hat! Ich meine, das war doch nicht normal – oder?
Mein Entschluss stand fest. Diese Teenie-Schwärmerei musste endlich aufhören! Ich beschloss, Abstand zu halten, und wählte den Notausgang, solange ich noch konnte. Seit einer sehr langen Zeit war mein Verstand wieder mal richtig stolz auf mich.
Kapitel 5
Schwammerlragout mit Fliegenpilz
Ein paar Tage später, es war kurz nach Mittag und ein milder Herbsttag, packte mich die Lust. Es war schon ewig her, dass ich mein letztes Bild gemalt hatte. Mit Rucksack, vollbepackt mit Ölfarbtuben und anderem wichtigen Zeugs, fuhr ich mit dem Bus in Richtung Stadt. An meinem Ziel angekommen, schleppte ich in der einen Hand eine zusammengeklappte Staffelei, in der anderen eine leere, weiße Leinwand. Ich spazierte gut gelaunt und wild entschlossen, den See zu malen, zum Strand. An einem malerischen Plätzchen, nicht weit entfernt von unserer alten Lagerfeuerstelle, baute ich meine Staffelei auf, zog ein paar Schrauben fest und mischte mir schon mal verschiedene Blautöne auf meiner Malerpalette zusammen. Mit einem Strohhut, leichter Tunika und aufgekrempelter Jeans, stand ich barfuß im Sand und begann euphorisch, den Pinsel zu schwingen. Mit jedem Strich auf der Leinwand fühlte ich mich besser und ich begann, eine tiefe Zufriedenheit zu spüren. Voll versunken in meinem Tun, vergaß ich allmählich den Kummer der letzten Tage. Ich malte eifrig kräftige, dicke Wolken, Wellen, die gegen vereinzelte Felsen schlugen und den Strand mit ein paar Grasbüscheln. Auch die großen Berge dahinter, die typischen Häuser mit den orangefarbenen Dächern und vereinzelte Segelboote nahmen auf meinem Bild Gestalt an. Ich wollte mein Werk so lebendig, aber eigenartigerweise auch so naturgetreu wie möglich malen, obwohl meine bevorzugte Stilrichtung ja die abstrakte Malerei war.
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