1 ...8 9 10 12 13 14 ...20 Nach ein paar Stunden setzte ich mich zufrieden in den Sand, winkelte die Beine an und vergrub meine Zehen im warmen Sand. Wie es sich für eine richtige Malerin gehörte, klebte bunte Farbe nicht nur an meinen Händen und Ellbogen. Das Treiben um mich herum war voll im Gange. Es kümmerte mich nicht, dass die Segelboote weniger wurden, und ich blickte seelenruhig zum Himmel. Auf einmal rückten dicke Quellwolken zusammen, und wurden immer mächtiger – Wind zog auf. Es war ein gewaltiges Naturschauspiel, das mich ganz in seinen Bann zog, ohne dass ich großartig darüber nachdachte, was da eigentlich auf mich zukam.
Nicht weit entfernt von mir sah ich, wie eine junge Familie am Strand entlang spazierte. Ein kleiner Junge lief voraus, spielte mit einem Hund Frisbee. Nicht wirklich zu sagen, wer mehr Spaß daran hatte, weil die Scheibe von jeder Windböe höher geschleudert wurde. Seine Eltern marschierten hinter ihm her und unterhielten sich angeregt. Fast schon beneidenswert. Ich blickte mich um und konzentrierte mich wieder auf mein Gemälde und auf die Szenerie, die sich mir am Himmel darbot. In meinem Kopf spielte ich ein paar malerische Techniken durch. Überlegte mir neue Ideen, ließ mich von den heranrollenden Wellen inspirieren, bis mir plötzlich die Frisbeescheibe in den Schoß flog. Ich blickte auf, und da stand dieser kleine Junge vor mir, der mich mit einer Zahnlücke keck angrinste.
„ Ciao Mia!“ Ich seufzte tief.
„Hallo Lorenzo.“ Weiter hinten erkannte ich dann natürlich auch noch Tom und Giulia, die gerade den Hund anleinte – die bezaubernde Familie von vorhin.
„Solche Männer hat man niemals für sich allein“, schwirrte mir der Satz der netten Frau McGowan, heftiger als je zuvor, im Kopf herum.
Wie recht sie doch hatte.
Das war ein Wink mit dem Zaunpfahl – eindeutiger ging es ja wohl kaum.
„Was machst du da?“, fragte Lorenzo mich neugierig und riss mich damit aus meinen Gedanken.
„Ach, ich male ein bisschen.“
„Und was malst du?“
„Den See.“
„Kann ich mal sehen?“
„Klar doch.“
Bedauerlicherweise währte es auch gar nicht lange, da war auch schon Daddy-Cool da.
„Ciao bella!“ , verlegen vergrub er seine Hände in den Hosentaschen. Der Kleinstadt-Casanova hatte nur ein offenes, weißes Hemd an, trug dunkelblaue Chinos und war ebenfalls barfuß unterwegs.
„Hey“, sagte ich so leise, dass es kaum hörbar war und schaute mich verlegen um. Zwischen uns war wieder diese kühle Distanz. Mittlerweile war es ja bereits eine Woche her, dass ich diesen dummen Einfall mit der Kuschelnacht gehabt hatte.
Was hatte ich mir bloß dabei gedacht?!
Andererseits, schließlich war ich erst vor Kurzem ziemlich heftig auf den Kopf gefallen.
Es blieb mir nichts anderes übrig, als mich hinter meiner Schutzmauer zu verbarrikadieren und ihm aus dem Weg zu gehen. Von da an vermied ich Situationen, in denen wir beide alleine waren und mied den Balkon, wenn er ebenfalls im Hotel übernachtete. Hatte ich das Gefühl, er würde mich auf meine Zurückhaltung ansprechen wollen, ergriff ich spontan die Flucht und ließ mir Ausreden einfallen.
Ja, in solchen Dingen war ich echt geübt.
Schließlich hatte ich es ja schon mal geschafft, ihm zwei Wochen aus dem Weg zu gehen.
„Stell dir vor, Mia malt den Gardasee!“, gab Lorenzo begeistert von sich. Giulia rief nach ihrem Sohn, er winkte mir noch kurz und kehrte zu ihr zurück. Viel zu artig, dieser Junge. Tom blickte unentschlossen hin und her und schien zu überlegen, für welche von uns beiden er sich entscheiden sollte. Dabei stand diese Frage noch nicht mal zur Debatte.
„Na, wie geht’s?“, fragte er mich dann. Sehr einfallsreich, aber was hätte er mich auch sonst fragen sollen. Fast beleidigt entfernte ich die feinen, glitzernden Sandkörner von meinen Füßen.
„Ganz gut“, antwortete ich mit sehr dünner Stimme und hielt ihm die Frisbeescheibe entgegen.
„Ähm … ich weiß nicht … aber kann es sein, dass du sauer auf mich bist?“
„Ich, sauer auf dich?“ Ich starrte ihn an.
Fragte er mich das jetzt tatsächlich?!
Der Kerl hatte echt Nerven!
Da flirtet er pausenlos mit mir, fordert mich in einer Tour heraus, versucht ständig, bei mir zu landen, und provoziert mich aufs Äußerste, um dann mit seiner Ex wie frisch verliebt am Strand spazieren zu gehen, und fragt nebenbei mich , ob ich sauer auf ihn wäre! Ich hasste dieses Psycho-Spiel, das er da mit mir abzog.
„Ich bin nicht sauer“, entgegnete ich ihm kühl.
„Natürlich bist du sauer! Mensch Mia! … Warum musst du ständig so kompliziert sein? Kannst du nicht einfach mal sagen was los ist!“, fuhr er mich an – doch ich starrte nur stur vor mich hin und versuchte, ihn so gut es ging zu ignorieren. Ich merkte wie er, wartend auf eine Aufklärung von mir, langsam die Geduld verlor. Was auch immer er gerne von mir gehört hätte, ich war absolut nicht bereit, ihm Antworten zu präsentieren, und schwieg. Achselzuckend lief er seufzend rückwärts, in der Hand die Frisbeescheibe, die er spielerisch herumdrehte. Für ihn war wohl alles ein Spiel!
„Besser du kehrst bald zurück, es zieht ein starkes Gewitter auf.“ Dann drehte er sich auch schon um, rannte zurück zu seiner Ex – zu dem Platz, an den er hingehörte.
Ich kämpfte mit den Tränen.
Tom und ich, das würde aus zwei einfachen Gründen nie funktionieren.
Erstens, weil ich beziehungsunfähig war und er einfach Tom.
Und zweitens war er einfach ein Hallodri …
Ich musste mir das endlich aus dem Kopf schlagen.
Nach einer ganzen Weile, die harmonische Familie war bereits abgezogen, packte ich zerknirscht meine Sachen zusammen. Der Himmel weinte. Leichtes Donnern war zu hören und vereinzelte Blitze zuckten bereits am Horizont. Ich ging zügig zur Stadt zurück. Laufen traute ich mich nicht; ich wollte nicht auch noch vom Blitz getroffen werden. Bei meinem Glück – wer weiß? Die Staffelei, das andere Zeugs und mein Ölbild, hingen schwer an mir. Der Regen wurde heftiger und die schweren Wassertropfen schafften es tatsächlich, die Ölfarbe zu verschmieren, was mir aber in diesem Augenblick ziemlich egal war. Ich war von oben bis unten völlig durchnässt, mein neonfarbiges Bikinioberteil leuchtete wie ein Warnsignal durch meine weiße Tunika, und mir wurde allmählich kalt. Irgendwie musste ich in meiner Eile eine Abzweigung verpasst haben, denn plötzlich befand ich mich an einer Stelle, an der ich niemals zuvor gewesen war, und die schien verdammt weit weg von einer Bushaltestelle zu sein. Wütend trat ich auch noch in eine Pfütze. Ich entschloss mich, den Rückweg anzutreten und der Hauptstraße zu folgen. Vielleicht würde ich ja dort bald zu einer Haltestelle kommen. Autos fuhren an mir vorbei, und ich konnte nur mit Mühe den enormen Fontänen ausweichen. Das Gewitter war voll im Gange, der Regen prasselte nun um einiges stärker. Und als wäre das nicht schon genug, musste mich da auch noch so ein Trottel von hinten anhupen – wahrscheinlich, weil ich auf der falschen Straßenseite herumirrte. Supersauer lief ich weiter, drehte mich ab dann doch um, als ich noch einmal angehupt wurde. Ich wollte schon „Was ist los mit dir, du Idiot!?“, rufen und mir mit dem Zeigefinger an die Stirn tippen, als ich Toms Auto erkannte. Stur wie ich nun mal bin, trottete ich mit Rucksack, Bild und Flip-Flops weiter. Im Schritttempo fuhr er neben mir her. Als er auf gleicher Höhe war, blieb er stehen und ließ das Beifahrerfenster nach unten laufen.
„Jetzt steig´ schon ein! … Du holst dir noch eine Erkältung!“
Ich war kurz davor, die Fassung zu verlieren. Nach Beherrschung ringend hielt ich inne, streckte meine Knie durch und guckte genervt zum Himmel hinauf, was mir einen ordentlichen Schwall Regenwasser auf mein Gesicht bescherte.
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