Bereits seit Stunden versuchte er, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, aber es wollte ihm nicht gelingen. Ständig schweiften seine Gedanken ab. Dabei gab es bis zur Eröffnung noch so unglaublich viel zu tun.
Doch es half nichts. Er konnte an nichts anderes denken als an seinen Besuch bei seinem ehemaligen Schulkameraden. Er hatte sich von seinem Besuch so viel erhofft. Stattdessen stand er mit seinem Problem ganz allein da. Aber das ist ja auch nichts Neues , dachte Mario sarkastisch und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Schon damals hatte die einzige Hilfe, die er bekommen hatte, darin bestanden, ihn von Berlin nach München zu schicken. Als könnte er damit seine Vergangenheit auslöschen.
Gut , ging es ihm durch den Kopf. Er bereute es nicht. Seine Pflegeeltern hatten ihm ein liebevolles Zuhause gegeben, das er so vorher noch gar nicht kannte. Doch niemand hatte sich um seine seelischen Wunden gekümmert. Ihm geholfen, seine Schuldgefühle zu verarbeiten. Ständig hatte er nur gehört, es wäre nicht seine Schuld gewesen. Doch für ihn waren es bis heute nur leere Worte. Denn er wusste genau, was er getan hatte. Nur seinetwegen hatten zwei Menschen ihr Leben verloren. Und das konnte er sich einfach nicht verzeihen.
Als es plötzlich an der Wohnungstür klingelte, wurde Mario aus seinen Gedanken gerissen. Gereizt, aber auch etwas verwirrt stand er auf, denn er erwartete niemanden. Zwar lebte er schon seit einigen Monaten in dieser Wohnung, doch er kannte seine Nachbarn nicht. Und Besucher konnten das Gebäude nur betreten, wenn man ihnen unten die Eingangstür öffnete.
Nach einem kurzen Blick durch den Türspion riss Mario die Wohnungstür auf und zog die verblüffte Lisa Farber herein, noch bevor sie ihn begrüßen konnte.
„Lisa, was machst du hier?“, fuhr er sie an und sah sich kurz im Treppenhaus um, bevor er die Tür zumachte. „Hoffentlich hat dich niemand gesehen.“
Besonders nicht die drei Männer, denen im Moment seine ganze Aufmerksamkeit galt. Denn auf keinen Fall wollte er riskieren, dass Lisa oder ihrem Sohn etwas passierte.
„Ich habe mir Sorgen gemacht und wollte mit dir reden“, rechtfertigte sich Lisa und sah Mario verletzt an. „Oder ist das jetzt schon ein Verbrechen? Schließlich bist du plötzlich abgehauen.“
„Tut mir leid, Lisa“, entschuldigte er sich schnell. „Du kannst ja nichts dafür. Ich bin im Moment einfach nicht gut drauf.“
„Das ist mir klar“, erwiderte Lisa besorgt. „Doch du musst auch mal abschalten. Seit Wochen vergräbst du dich in deiner Wohnung und lässt niemanden an dich ran. Selbst an meinem Geburtstag bist du nicht aufgetaucht. Fabian fragt jeden Tag, wann du wieder einmal vorbeikommst. Und langsam weiß ich nicht mehr, was ich meinem Sohn sagen soll. Natürlich ist mir klar, dass du gerade viel zu tun hast“, ergänzte sie lächelnd. „Die neue Filiale, das Feuer und jetzt auch noch Sophie de Luca. Aber ist dir klar, dass wir uns heute auf der Arbeit zum ersten Mal seit Wochen überhaupt unterhalten haben? Du bist kaum noch du selbst.“
Schweigend sah Mario Lisa an. Auch wenn er es nicht gerne zugab, sie hatte mit ihrer Einschätzung völlig recht. Seit Callan, Seth und Vico in sein Leben zurückgekehrt waren, hatte er sich noch mehr zurückgezogen als früher. Besonders von Lisa und ihrer Familie. Denn sie war es gewesen, die damals den drei Männern in der Filiale ganz allein gegenüberstehen musste. Die panische Ängste durchlitten hatte, weil niemand da gewesen war, um ihr zu helfen. Und das alles nur seinetwegen. Nur weil er sich nicht dazu durchringen konnte, das Richtige zu tun und zu verschwinden.
„Es tut mir leid“, erwiderte er aufrichtig und nahm Lisa fest in die Arme. „Ich will einfach verhindern, dass dir etwas passiert.“
„Wie meinst du das?“, wollte Lisa verwirrt wissen und schob ihn von sich weg. „Warum sollte mir etwas passieren?“
Mario schüttelte mit dem Kopf.
„Ich kann es dir nicht sagen“, antwortete er frustriert und seine Hände verkrampften sich zu Fäusten. Sie durfte niemals erfahren, was er damals getan hatte. „Nur, dass es im Moment in meiner Nähe nicht sicher ist. Ich habe ein paar Probleme, um die ich mich kümmern muss. Bis dahin möchte ich dich bitten, dich von mir fernzuhalten. Das Gleiche gilt auch für Fabian und deine Eltern“, ergänzte er bedrückt. „Versprich es mir.“
Er musste Callan und die anderen dazu bringen, einen Fehler zu machen. Doch auf keinen Fall sollte dabei jemand anderes als er selbst verletzt werden. Er hatte es nicht anders verdient. Lisa, ihre Eltern und vor allem ihr kleiner Sohn waren völlig unschuldig. Sie hatten nichts weiter getan, als ihn in ihrer Familie aufzunehmen. Ganz egal, wie sehr er sich auch dagegen gewehrt hatte.
Schweigend sah Lisa ihn an. Mario konnte sehen, wie sehr sie mit sich kämpfte. Für sie war er immer ein Held gewesen. Jemand, auf den sie sich verlassen konnte. Noch nie hatte er so etwas von ihr verlangt. Aber im Moment war es die beste Lösung.
„Gut“, sagte Lisa schließlich und sah ihn traurig an. „Wenn das deiner Meinung nach das Beste ist. Doch du solltest mit jemandem reden. Wenn schon nicht mit mir, dann wenigstens mit meinem Vater. Auf Dauer machst du dich so nämlich kaputt.“
Mit diesen Worten ließ sie Mario stehen und verließ die Wohnung.
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