Kaum hatte Nsambe Bingo hinab gestoßen, eilte Mboya, ihrem Sohn zu helfen. Ihr habt doch schon gelegentlich nachts im Wald ein umherirrendes Licht gesehen? Wer geht da um? Habt ihr die Stimme einer Frau gehört, die unter den Bäumen herumgeistert, ruft und klagt? Fürchtet euch nicht, das ist Mboya, die ihr Kind sucht, denn eine Mutter ermüdet nicht.
Bingo ist also heruntergefallen, Mboya weggezogen - Nsambe stürzt ihnen hinterher. Er will um jeden Preis Bingo wieder finden. Er sucht auf den Bergen, er sucht auf dem Meer: "Meer, Meer, verbirgst du Bingo?" und auf der Erde: "Erde, Erde, verbirgst du Bingo?"
Die Erde und das Meer antworten: "Nein, nein!" Unmöglich ihn zu finden. Otoyom, der große Zauberer, der die hohe Abkunft Bingos kannte, will ihn nicht ausliefern und verbirgt ihn gut.
Bingo hatte sich in die Tiefe einer Höhle geflüchtet. Die Höhle ist groß und schwarz. Bingo denkt in seinem Herzen: "Hier bin ich in Sicherheit, und hält sich lange darin verborgen. Währenddessen verfolgt Nsambe ihn unermüdlich. Jeden Tag sagt er: "Ich werde Bingo wieder finden und sein Herz essen." Aber Bingo versteckt sich tief in der Höhle, mitten im Wald.
Als Nsambe in diesen Wald kommt, begegnet er dem Chamäleon. "Chamäleon, hast du Bingo gesehen?" Das verrät aber nichts, sondern sagt nur: "Ich sah wohl einen Mann vorbeigehen, aber wer hat mir seinen Namen gesagt?" - "Und wohin ging er? Wo ist sein Dorf?" - "Er ging mal hierhin, mal dahin. Sein Dorf ist auf der anderen Seite des Waldes." - "Ist es weit dorthin?" - "Die Tage sind lang, jeder Tag ist eine lange Zeit. Ja, es ist weit."
Enttäuscht ging Nsambe weiter. Während er überall nach Bingos Spur sucht, läuft das Chamäleon zur Höhle: "Bingo, gib acht! Dein Vater sucht dich." Das Chamäleon geht weiter bis auf die Spitze eines nahe gelegenen Felsens.
Bingo verwischt sorgfältig die Spuren seiner Schritte, dann betritt er einen oft benutzten Pfad mit hartem Boden, und von da aus kehrt er in seine Höhle zurück. Vorsichtig geht er rückwärts, mit dem Rücken voran. Er tritt in die Höhle und verbirgt sich im hintersten Winkel. Sofort webt Ndambo, die Spinne, ihr Netz vor dem Eingang, ein dichtes, starkes Netz, und das Chamäleon wirft eilig Mücken und Insekten in die Maschen. Nsambe sucht unermüdlich. Schließlich begegnet er Viere, der Schlange: "Viere, hast du Bingo gesehen?" Viere antwortet: "Ja, ja. Er ist in der Höhle hier im Wald." Nsambe eilt zu der Höhle. "Was ist das?" spricht er, "Fußspuren, die sich entfernen?" Er erblickt das Spinnennetz und die Mücken, die darin gefangen sind. 'Ein Mensch kann nicht hier sein', überlegt er, und das Chamäleon von der Spitze des Felsens sagt: "Ah, du bist es, guten Tag." - "Guten Tag, Chamäleon, hast du Bingo in dieser Höhle gesehen?" - "Ja, aber das ist schon lange, lange her. Er ist weggegangen. Ich glaube, man sieht auf dem Erdboden noch die Spuren seiner Schritte." - "Wirklich, sie sind noch da. Ich will ihnen nachgehen. Chamäleon, du hast mir sehr geholfen."
Nsambe ist schon weit, weit, sehr weit weg, da wagt Bingo sich erst aus der Höhle hervor. "Chamäleon, du hast mir sehr geholfen. Nimm das als Lohn: Du sollst nach Belieben die Farben wechseln können, so kannst du deinen Feinden entkommen." Zur Spinne aber sagt er: "Auch du hast mir sehr geholfen, was kann ich für dich tun?" - "Nichts", antwortet die Spinne, "mein Herz ist zufrieden." - "Gut", spricht Bingo, "so sollst du von jetzt an als Glücksbringerin gelten." Er ging. Auf seinem Weg fand er Viere, die Schlange, und mit einem Tritt seiner Ferse zermalmte er ihr den Kopf.
Endlich wurde Nsambe der vergeblichen Verfolgungsjagd müde. Er stieg wieder in die Höhe und ließ Bingo in Ruhe.
Bingo hatte die Weisheit seines Pflegevaters bekommen. Als Otoyom gestorben war, wusch er dessen Körper und salbte ihn sorgfältig. Den Schädel bewahrte er auf, um ihn zu ehren und in seinem Haus zu behüten. Er bestrich ihn mit roter Farbe und ölte ihn zu den großen Festen; so blieb der Geist Otoyoms Bingo nahe. Bingo hat uns beigebracht, die Schädel der Ahnen zu ehren und ihren Geist bei uns zu halten. Schande über alle, die nicht die Häupter der Alten ehren.
Als Bingo ein großer Mann geworden war, bereiste er die Welt, alle Menschen, alle Stämme. Er war gut und lehrte die Menschen, gut zu sein. Mit einem grünen Stein, den er an seinem Hals trug, konnte er alle Arten von Wundern bewirken. In diesen Stein hatte Nsambe seinen Namen gezeichnet und ihn Bingos Mutter, Mboya, geschenkt, gleich am ersten Tag, als er sie sah. Mboya wiederum hatte den grünen Stein Bingo übergeben. Wenn Bingo wollte, verließ er seinen Körper; die Pfeile erreichten ihn nicht, die Äxte verwundeten ihn nicht, die giftigen Stacheln verletzten nie seinen Fuß.
Der Gecko hatte sich niedergelassen, um sich ein wenig in der Sonne auszuruhen. Da ging das Chamäleon vorüber. Es weinte, und so fragte der Gecko: "Warum weinst du denn?" - "Mein Bruder ist gestorben", erwiderte das Chamäleon. Der Gecko schnalzte mit der Zunge und spottete: "Deshalb gehst du so gebückt und niedergeschlagen einher?! Wirst wohl gar krank werden?" Das Chamäleon aber lief, Tränen in den Augen, schweigend vorüber.
An einem anderen Tag sah das Chamäleon den Gecko weinen und erkundigte sich ebenfalls gleich: "Warum weinst du denn?" - "Meine Schwester ist gestorben", erwiderte der Gecko. Da höhnte das Chamäleon: "Ach, deshalb siehst du so erbärmlich aus und riechst so! Du wirst doch nicht etwa sterben?"
Da ärgerte sich der Gecko mächtig, und die beiden gerieten miteinander in Streit. "Als ich Trauer hatte", sagte das Chamäleon, "hast du mich verhöhnt, aber ich habe dich in Ruhe gelassen, und heute, da ich dich verhöhnt habe, willst du dich aufregen?" Auf diese Weise entstand das Sprichwort: 'Das letzte Messer verwundet. '
Das Bußgeld des Stachelschweins
Der Elefant hatte einst mit der Frau des Stachelschweins Ehebruch begangen. Da sandte das Stachelschwein die anderen Tiere, beim Elefanten das Bußgeld einzufordern. Bevor sie sich auf den Weg machten, riss es sich noch einen Stachel aus und gab ihnen den mit.
Als die Tiere beim Elefanten anlangten, erklärte er ihnen: "Das Stachelschwein - kenne ich nicht!" Da wiesen die Tiere den Stachel vor und sagten: "Schau her, das ist sein Haar." Der Elefant sah den Stachel und sprach: "Dieser Mann ist stärker als ich, schon seine Haare sind ja viel gewaltiger als meine! Kommt in zwei Tagen wieder, dann zahle ich Buße." Daraufhin kehrten die Tiere heim.
Nachdem die zwei Tage verstrichen waren, wollte das Stachelschwein unbedingt mit zum Elefanten. "Geh nicht", rieten die Tiere ab, "wenn der Elefant sieht, wie klein du bist, wird er dich nicht mehr fürchten, und du bekommst dein Geld nicht. Sieht er dagegen nur den Stachel, zahlt er die Buße." Das Stachelschwein aber setzte seinen Willen durch und ging mit.
Als die Tiere wieder beim Elefanten angekommen waren, holte er die üblichen fünfundsiebzig Schillinge herbei. Aber ehe er sie übergab, fragte er noch: "Das Stachelschwein ist wohl nicht mitgekommen?" Und ehe die anderen es verhindern konnten, trat das Stachelschwein vor und sprach den Elefanten an: "Sieh mich an, Herr!" Der Elefant, der nun sah, wie winzig das Stachelschwein war, hob den Fuß, um es zu zerstampfen. Vom Bußgeldzahlen wollte er nun nichts mehr wissen. Da rannte das Stachelschwein, was es konnte, und schlüpfte schnell in einen Termitenbau. Und damit der Elefant sie nicht töten kann, leben Stachelschweine seitdem in Termitenbauten.
Seitdem fragt man aber auch einen Mann, der Buße fordert, weil jemand mit seiner Frau Ehebruch begangen hat, oder der seine Frau deshalb sogar in das Haus ihres Vaters zurückschickt: 'Gehst du das Bußgeld des Stachelschweins einfordern?'
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