9.) Importkartelle gem. § 7 GWB.. ……………………………………………………………………...54
a) § 7 Abs. 1 GWB ………………………………………………………………………………………..54
b) § 7 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 3 Nr. 2 GWB ……..………………………………………56
10.) Ausnahme- und Notstandskartelle gem. § 8 Abs. 1 und 2 GWB...…………..58
a) Ausnahmekartelle gem. § 8 Abs. 1 GWB …….…………………………………...…58
b) Notstandskartelle gem. § 8 Abs. 2 GWB…........……………………………………60
IV. Die Bereichsausnahmen gem. §§ 99 — 103a GWB ………………………………………...60
1.) Grundsätzliches …..……………………..……………………………………………………………………60
2.) Einzeltatbestände….. …………………..…………………………………………………………………..62
3.) Zwischenergebnis………………………… ………………………………………………………………….64
V. Bieter- und Arbeitsgemeinschaften ……………..……………………………………………………..65
VI. Die Diskussion um ein allgemeines Diskriminierungsverbot………………………….76
D. Auswirkungen und Folgerungen ………………..…………………………………………………………...82
I. Verhältnis zur Immanenztheorie ………………………………………………………………………...82
II. Verhältnis zum Gegengewichtsprinzip (Countervailing Power) .………………….92
III. Zusammenfassung und Ausblick ………………..……………………………………………………101
1.) Zusammenfassung ……………………….………………………………………………………………...101
2.) Folgerungen …………………………….……………………………………………………………………….104
a) Ansatz zu einer deduktiven Ableitung ……………………………………………………104
b) Weitere Folgerungen und Ausblick…………………………………………………………106
Literaturverzeichnis …..…………………………………………………………………………………………………113
A.) Einleitung
I. Die Hypothese
Mit den folgenden Ausführungen soll ein Prinzip des Wettbewerbsrechts behauptet und begründet werden, das ich „das Prinzip des Vorrangs der Wettbewerbsermöglichung“ nennen möchte. Dazu muss zunächst der Begriffsinhalt und insbesondere die Frage: Vorrang wovor? klargestellt werden.
Der Ausdruck „Vorrang der Wettbewerbsermöglichung“ erscheint zunächst insofern selbstverständlich, als die Untersagung (z.B. § 24 Abs. 2 S. 1 GWB) oder jede sonstige Sanktionierung einer tatbestandsmäßigen Wettbewerbsbeschränkung e contrario zugleich auch einen Vorrang der (dadurch bedingten) Wettbewerbsermöglichung bedeutet. Diese Selbstverständlichkeit, die sich allenfalls zu einer gewissen übergeordneten Bestätigung des Prinzips anführen lässt, bedarf keiner näheren Erklärung und wird im Folgenden nicht weiter erörtert. Ebenfalls nicht angesprochen werden mit dem Ausdruck „Vorrang“ die Ziele eines möglichst intensiven und (wie auch immer zu interpretierenden) optimalen Wettbewerbs, die einer freien und sozialen Marktwirtschaft zugrunde liegen. Für solche Ziele wäre der Ausdruck „Vorrang“ schon vom Wortsinn her zumindest unpräzise. Und schließlich soll auch das weite Feld einer allgemeinen tatbestandsausschließenden oder rechtfertigenden Güter- und Interessenabwägung in Wettbewerbsachen weder mit dem Ausdruck „Vorrang“, noch sonst mit dem hier behaupteten Prinzip betreten (sondern allenfalls abgrenzungshalber gestreift) werden. Es soll weder einer etwa im neuen Gewande vorgestellten Rule of Reason 3das Wort geredet werden, noch sollen ökonomische (gesamtwirtschaftliche) oder außerökonomische (gemeinwohlorientierte) Aspekte 4etwa im Rahmen einer neuen Abwägungsformel zur Diskussion gestellt werden. Eine solche Formel wäre auch kaum vorstellbar, denn eine Abwägung muss sich in jenen Bereichen, in denen diese Aspekte entscheidungserheblich werden (etwa bei den §§ 4, 8, 24 Abs. 3 GWB) stets streng individuell auf den einzelnen (Ausnahme-) Fall beziehen und steht daher jeder formelmäßigen und schablonenhaften Beurteilung fern.
Das Prinzip des Vorrangs der Wettbewerbsermöglichung (im Folgenden auch abgekürzt „das Prinzip“ genannt) ist im Vergleich zu einer solchen allgemeinen und umfangreichen, auf verschiedenen Ebenen stattfindenden Vorteilsabwägung sehr viel enger und funktional präziser. Es soll besagen, dass in den Fällen, in denen die Nachteile von irgendwelchen (an sich verbotenen) Wettbewerbsbeschränkungen ausnahmsweise mit — durch eben diese Wettbewerbsbeschränkungen im jeweiligen Fall hervorgerufenen — unmittelbaren Wettbewerbsvorteilen konkurrieren, dieser Konflikt infolge des Prinzips des Vorrangs der Wettbewerbsermöglichung im Zweifel zugunsten der Wettbewerbsermöglichung gelöst werden muss, auch wenn dabei unter Umständen ganz erhebliche Wettbewerbsbeschränkungen konkret hingenommen oder zumindest in Kauf genommen werden müssen. „Vorrang“ bedeutet also: vor der (ausnahmsweise hinzunehmenden) Wettbewerbsbeschränkung.
Dabei soll die soeben genannte Zweifelsregelung besagen, dass sich die Vor- und Nachteile (Wettbewerbsermöglichung und Wettbewerbsbeschränkung) in quantitativer, qualitativer oder kombiniert quantitativ-qualitativer Hinsicht etwa gleich groß gegenüberstehen müssen, denn bei kleineren Wettbewerbsvorteilen kann es hinsichtlich ihrer Irrelevanz gegenüber der überwiegenden Wettbewerbsbeschränkung insoweit keinen Zweifel geben. Es kommt bekanntlich häufig vor, dass die angegriffene Partei eines Kartellverfahrens versucht, sich durch Hinweis auf kleinere (und zudem oft noch zweifelhafte) wettbewerbsrelevante Vorteile des verbotswidrigen Verhaltens aus der Affäre zu ziehen. Derartige marginale Vorteile sind, selbst wenn sie zweifelsfrei wären, vom Prinzip zumindest nicht regelungserheblich erfasst.
Die Anwendung des Prinzips bedeutet zum einen, wie in entsprechenden Kollisionsfällen im Zweifel grundsätzlich zu verfahren ist (Vorrang der Wettbewerbsermöglichung durch Hinnahme der Wettbewerbsbeschränkung), und sie bedeutet zum anderen — und hier liegt der Bedeutungsschwerpunkt — warum in diesen Fällen so verfahren werden muss (Begründungsqualität des Prinzips per se). Ersteres ist bekanntlich nicht selbstverständlich, denn eine verbotene Wettbewerbsbeschränkung ist grundsätzlich nach der einschlägigen Gesetzesnorm zu verfolgen und von einer „Aufrechnung“ des Nachteils der Wettbewerbsbeschränkung mit eventuellen Vorteilen derselben sagt das Gesetz nichts. Wenn also das erstere (Vorrang der Wettbewerbsermöglichung) mit dem letzteren begründet wird, hängt die Erklärung insgesamt von der Existenz des Prinzips ab, das im Folgenden nachgewiesen werden soll 5.
1.) Der Weg, der zur Begründung des als Hypothese vorangestellten Prinzips eingeschlagen werden soll, ist wohl mit am überzeugendsten und konsequentesten von Canaris bei der Präzisierung des Vertrauensprinzips und einer sich daraus ableitenden Vertrauenshaftung abstrakt dargelegt 6und mit Erfolg konkret beschritten worden. Es sei dahingestellt, inwieweit eine solche, von ihm so vorbildlich durchgeführte induktive Vorgehensweise aus systematisch-logischen Gründen vielleicht sogar zwingend geboten ist 7; jedenfalls soll dieser zumindest am praktikabelsten erscheinende Weg auch hier eingeschlagen werden. Das bedeutet im wesentlichen eine zielorientierte Analyse bestimmter Normen oder Fallkonstellationen, in denen das behauptete Prinzip immanent enthalten sein, und daher auf induktivem Wege aus ihnen extrahiert werden könnte 8. Letzteres beinhaltet weiter die Möglichkeit, dass sich bei einer Fallgruppe herausstellt, dass das Prinzip aus bestimmten Gründen jener Konstellation im Ergebnis nicht zugrunde liegt, wodurch sich Abgrenzungskriterien ergeben. Schließlich muss bei dieser Untersuchung hier, im Bereich einer wertungsabhängigen Geisteswissenschaft, zuweilen die Evidenz eines Ergebnisses eine gewisse Argumentationsrolle übernehmen, wobei auch die Tatsache, dass dies eine legitime und notwendige Rolle ist, im folgenden per se noch näher begründet werden soll (B.II.).
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