1 ...8 9 10 12 13 14 ...18 An einem anderen Tag in diesem Urlaub wurden sie alle zu Kindern. Sie waren am Strand und alberten und tobten im Sand und im Wasser herum, bis einer, Richie glaubt, es sei Tom gewesen, auf die Idee kam, eine Sandburg zu bauen. Wie das so ist in einer ausgelassenen Gesellschaft, begann sofort jeder, eine solche zu errichten. Bis wieder ein anderer den Einfall hatte, es müsse doch keine Burg sein. Warum nicht etwas anderes? Zum Beispiel ein Auto. Darin lag natürlich noch mehr Reiz und die Idee wurde gleich aufgegriffen. In drei Gruppen begannen sie, je einen Rennwagen aus Sand zu formen. Die Sandmodelle sollten so groß werden, dass man sich hineinsetzen konnte. Das bedeutete, dass sie eine beachtliche Menge Sand bewegen mussten, was sie sich jedoch ohne Probleme zutrauten. Zu Anfang gruben sie jeweils ein Loch in den Strand und häuften die Sitzbank an, damit man sich schon einmal setzen und dafür Maß nehmen konnte. Mit einem dieser so entstehenden Autos waren sie zu nahe am Wasser, so dass sich in dem Loch, das den Fußraum darstellte, immer wieder Wasser ansammelte und man nasse Füße bekam. Das störte aber keinen, sie fanden es eher komisch. „Rennwage mit fließend Wassa“, war dann auch Knopfs passender Kommentar.
Nun begannen sie, die Karosserien um die Sitzbänke herum zu modellieren. Der Strand war beeindruckend breit und bot damit genügend Platz, so dass sie niemanden mit ihren Bauarbeiten störten. Einer der entstehenden Wagen wurde ein Formel-1-Bolide, die anderen beiden Tourenwagen. Die waren leichter zu bauen, weil sie eine kompaktere Form und nicht solche hohen abstehenden Spoiler besaßen, wie ein Formel-1-Renner. Es gelang aber jeder Gruppe, ein tolles Rennauto nur aus Sand zu bauen. Der Aufwand war beachtlich und es gestaltete sich nicht so leicht, wie gedacht. So mussten sie auch stets Wasser vom Meer holen und die Bauten damit bespritzen, was dem rieselnden Sand erst Festigkeit gab. Dazu wiederum wurden verschiedene Gefäße wie Eimer oder leere Wasserflaschen besorgt. Die Frauen überlegten kurz, ob sie dazu ihr Haarspray holen und zur Verfügung stellen sollten.
Die Tourenwagen hatten am Ende aus bautechnischen Gründen kein Dach, sahen also eher einem Cabrio ähnlich. Richie prägte dann den Begriff des „Tourenroadsters“.
Mit diesen Sandgebilden erregten sie dann erneut Aufsehen in ihrer Umgebung. So mancher Badegast blieb stehen und sah ihnen eine Weile zu und es wurde oft fotografiert. In die Zeitung schafften sie es aber mit dieser Aktion nicht wieder.
Als die Autos fertig waren, schrieben sie noch mit gesammelten Muscheln Startnummern darauf und bewunderten ihre Werke stolz. Dann bestiegen sie nacheinander vorsichtig die Wagen und spielten wie kleine Kinder Autorennen. Tom gab mit einem Handtuch als Flagge den Starter. Trotz ihres Alters hatten sie dabei einen Heidenspaß. Später verließen sie dann ihre Kunstbauten, um sich im Meer den Sand von den Körpern zu spülen, der sich überall, sprichwörtlich in jeder Ritze, festgesetzt hatte. Sie schwammen und tauchten und kühlten sich ebenfalls gründlich ab, denn ihre Körper waren sehr aufgeheizt, weil sie sich doch die gesamte Bauzeit über in der prallen Sonne aufhielten. Das tat richtig gut.
Als sie nach annähernd einer Stunde wieder zurück an den Strand kamen, waren ihre drei Rennwagen längst zum Spielplatz für Kinder geworden. Die Eltern machten dabei wieder fleißig Bilder von ihren strahlenden Zöglingen in den Sandautos. Keiner der Erbauer regte sich darüber auf, zumal sie sehen konnten, wie vorsichtig jedes Kind im Umgang mit den Gebilden war, um es nicht zu zerstören.
Nur am nächsten Tag waren sie alle etwas enttäuscht, als sie morgens zum Strand an ihren gewohnten Platz kamen. Aus ihren schönen Rennwagen waren unförmige Sandhügel geworden, die in der Mitte ein Loch aufwiesen. Der Wind hatte sie über nacht nach seinen Vorstellungen umgestylt. Also begossen sie jedes Auto mit einem Glas Sangria, den sie mitgebracht hatten, und feierten Beerdigung.
An einem weiteren Tag in diesen drei Wochen wollten sie sich alle auch einmal vornehm geben. Sie machten sich mit dem Bus auf in die nächste Stadt in ein nobles Restaurant, um zu speisen wie die reichen Leute. Jeder von ihnen hatte eine gute Garnitur Kleider mit, die sie zu diesem Zweck anzogen. Infolgedessen fuhren sie auch mit dem Bus und nicht mit ihren Mühlen. So unterschieden sie sich rein äußerlich zuerst nicht in diesem ungewohnten Umfeld von den übrigen Gästen
Chris aus der Clique, dessen Vater in irgendeinem Unternehmen der Vorstand war, wollte ihnen zeigen, wie man sich in solchen Restaurants und in diesen Kreisen bewegt. Für Chris war das kein ungewohntes Terrain, so, wie für seine Freunde. Der kleine Schönheitsfehler dabei war nur, dass Chris sich schon morgens mit Rotwein die Zähne putzte. Bis zum Mittag war er dann an diesem Tag schon ziemlich betrunken, weil er auch nach dem Zähneputzen nicht die Finger vom Wein lassen konnte. Chris benahm sich zwar, wie es sich gehörte, torkelte nur etwas und redete gelegentlich dummes Zeug. Keiner wusste, was ihn an diesem Tag geritten hatte, dass er so dem Alkohol zusprach. Das war normalerweise gar nicht seine Art.
So gingen sie also, Chris in die Mitte nehmend, in das Lokal und baten um einen Tisch für 15 Personen. Einen solchen gab es natürlich nicht und die Kellner stellten auch keine Tische zusammen, um eine solche Tafel zu bilden. Also wurden sie auf vier beieinander stehende Tische verteilt.
Chris sagte noch zu ihnen, bevor sie sich aufteilten: „Ihr müsst Hummer bestelle, des macht ma so, wenn ma Geld hot!“
Diesen Tipp beherzigte aber keiner von ihnen. Sie bestellten sich lieber alle etwas Handfestes. Dabei wurde so manch einer belehrt, dass es auch keine Pommes Frites gab. Diejenigen, die diese zu bestellen versuchten, schwenkten aber schnell auf Bratkartoffeln um. Nur Chris blieb seiner Meinung treu und orderte für sich einen Hummer. „Schön durch“, fügte er seiner Bestellung noch hinzu. „Ihr fallt uff!“, rief er gedämpft mit alkoholischem Unterton von Tisch zu Tisch.
Richie saß am selben Tisch wie Chris und lachte sich fast tot über dessen alkoholverseuchten Versuch, vornehm zu sein.
Dann wurden die Speisen serviert. Es sah alles sehr appetitlich aus und sie begannen gemeinsam, ihr Essen einzunehmen. Doch als es mehrfach in Richies Nähe verdächtig krachte, musste er von seinem Teller hochsehen und fiel dabei fast vor Lachen vom Stuhl. Das Bild spottete jeder Beschreibung. Auch die übrigen Mitglieder der Clique wurden aufmerksam und versuchten, genau wie Richie, ihr Lachen zu unterdrücken. Jeder, in dessen Blickfeld Chris war, kämpfte gegen einen Lachanfall, um die anderen Gäste nicht zu stören und um nicht aufzufallen. Sie konnten alle fast selbst nichts mehr essen, weil sie ständig Chris beobachteten. In seinem alkoholverwirrten Kopf verwechselte der wohl die Gourmet-grundlagen völlig. Chris focht mit seinem Hummer einen schweren Kampf aus, den er aber langsam Stück für Stück gewann. Zuerst schälte er das zarte Fleisch des Tieres aus dem Panzer und legte es in die silberne Schale, die er für die Überreste beigestellt bekam. Dann brach er die großen Scheren ab und legte diese ebenfalls dazu. Nun begann Chris tatsächlich, den Hummer von den Armen her aufzuessen. Es krachte bei jedem Bissen furchtbar und selbst das Kauen war als Knirschen deutlich zu hören. Chris hatte einige Mühe, die man ihm auch deutlich ansah, aber er schaffte es bis zum Ende. Von dem Hummer blieben einzig der Kopf und die Scheren sowie das zarte Fleisch übrig.
Als der Kellner zum Abräumen erschien und sich ebenfalls das Lachen schwer verkneifen musste, sah er aus, als lächele er Chris freundlich an. Er sprach sehr gut deutsch und fragte höflich: „Hat es geschmeckt, der Herr?“
Chris tupfte sich weltmännisch wie ein Kenner die Lippen an der Serviette ab, wobei unzählige Krümel des Panzers um den Mund kleben blieben, und antwortete laut: „Hervorragend! Ein dickes Lob an die Küche!“
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